Dies Domini – 5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
David Cameron, der frühere britische Premierminister, hat dieser Tage die Brexitabstimmung als einen Fehler bezeichnet und die FAZ kommentierte dies zu Recht als eine Fehlentscheidung beruhend auf einer völligen Verkennung der Stimmung in der Bevölkerung. Unzweifelhaft haben eine Vielzahl von Faktoren diese unselige Entscheidung hervorgerufen, aber dieser eine Fehler dieses einen führenden Politikers hat eine entscheidende Rolle gespielt. Warum ist das so? Warum können Fehler – oder auch Geistesblitze – eines Einzelnen eine so große Rolle spielen, dass die Lebensumstände vieler Menschen davon berührt werden?
Wer sich einmal im Vergleich zwischen Christopher Clarks Buch über den Ausbruch des ersten Weltkrieges und der Biographie von Emil Ludwig über Kaiser Wilhelm II. mit der Frage der Verantwortung für diese Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts befasst, steht vor dem unfassbaren Rätsel, dass sicher viele strukturelle Bedingungen und historische Kontingenzen zusammentreffen mussten, dass aber auch eine ganz persönliche, familiäre Charakterprägung des deutschen Kaisers ihren Beitrag leistete, die man nicht hinwegdenken kann, ohne dass auch die Folge des Kriegsausbruchs entfiele. Natürlich ist man nicht Kaiser oder sonst von erheblicher Wichtigkeit, aber diese ungeheure Bedeutung des Einzelnen lässt uns auch ohnedies vor dem Geheimnis erschauern, da doch die Unwiederholbarkeit und Einzigartigkeit jedes Menschen ebenso beeindruckend wie furchterregend ist.
Über die lichtlose Winterzeit hinaus, die uns im vergangenen Dezember weniger Sonnenstunden denn je bewilligt hat, führt das Schicksal des Ijob an die Grenzen des menschlichen Elends, wenn er in der Lesung des heutigen Sonntags ruft:
„Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, der Faden geht aus, sie schwinden dahin. … Nie mehr schaut mein Auge Glück.“ (Ijob 7,6)
Auch Ijob ist einer von denen, die an einer Weggabelung der Menschheit stehen. Ohne dass in den Lesungen schon vorschnell eine Beruhigung über dieses Elend verkündet würde, nimmt die Leseordnung diesen von Unheil unschuldig Getroffenen ernst. Der Mensch in seiner Not wird akzeptiert und nicht billig vertröstet. Vielleicht kann es eine Aussicht sein, wie es im heutigen Psalm heißt:
„Der Herr baut Jerusalem wieder auf, er sammelt die Versprengten Israels.“ (Ps 147,2)
Mag sein, aber der Weg ist weit und führt oft durch eine wirklich trostlose Umgebung.
Da hilft es doch im Evangelium die Zuwendung Jesu immer wieder auch zu einzelnen Menschen vor Augen geführt zu bekommen, er heilt die Schwiegermutter des Petrus
„und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus.“ (Mk 1,33)
Der Einzelne ist also wichtig, wird von Jesus in den Blick und in seinem Leiden ernst genommen.
Ebenso wichtig müssen auch wir uns selbst und unsere Mitmenschen nehmen und uns immer wieder bewusstmachen, dass das Leben eines jeden Menschen viel verändern kann – zum Guten, aber auch zum Schlechten. Vergessen wir diese Verantwortung nicht und versuchen wir, jeder an seinem Platz und nach seinen Möglichkeiten, die Erde ein bisschen besser zu hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben.
Paulus war sich dieser Verantwortung wohl bewusst, so heißt es im 1. Korintherbrief:
„Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.“ (1 Kor 9,22)
Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass uns ein Schicksal, wie das des Ijob, erspart bleiben möge. Und wenn doch dunkle Tage die Aussicht verdüstern, uns die Hilfe des menschgewordenen Gottessohnes zuteilwird, der herabgestiegen ist in das Reich des Todes. Durch seine Auferstehung hat er einen Riss in der Mauer hinterlassen, der sich nicht mehr endgültig schließen kann.
Auch ein Einzelner, durch den doch alles anders wurde.
Ihre Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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