Dies Domini – 29. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Einfach ist es dieser Tage nicht, einladende Worte zu finden, die dem geneigten Leser einen Zugang zu den Geheimnissen unserer Kirche erleichtern. Die Missbrauchsdebatte endet nicht, der Papst sinniert in kaum nachzuvollziehender Weise über die Ähnlichkeit von Mafia und bedrängten Schwangeren nach und die Kirche als Hort der Denunziation und geheimen Anklagen feiert fröhlich Urständ, wenn allerorts hochangesehene Theologen von ihren Aufgaben entbunden werden wie in der Causa Wucherpfennig, was wirklich nur noch unverständlich ist auch auf der Grundlage dessen, was gemeinhin unter wissenschaftlicher Freiheit verstanden und sogar auch vom Papst so gewünscht ist, wenn man der FAZ vertrauen darf, in der es heißt, dass er
„von der Theologie verlangt, ein ‚kulturelles Laboratorium‘ zu sein, das an die Grenze und darüber hinausgehen solle, um in Fortschreibung einer lebendigen Tradition aus dem Glauben heraus für neue Herausforderungen neue Antworten zu suchen.“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/theologen-solidarisieren-sich-mit-ansgar-wucherpfennig-15837341.html)
Was ist da los? Wie kommt diese Verwirrung in unsere Kirche? Ist das überhaupt noch „unsere“ Kirche?
Als vor einigen Wochen der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag zu wählen war, konnte man mit Händen greifen, wie es zu dem bekannten Ergebnis kam: die Abgeordneten trafen sich murmelnd und murrend, um aber letztlich das für unvermeidlich gehaltene Ergebnis, so mit etwa 70 zu 30 für den Amtsinhaber, zu bestätigen; doch da ergriff die Kanzlerin das Worte und lobte ihren Weggefährten als „unerlässlich“ für ihre Arbeit als Kanzlerin. Damit hatte sie den Bogen überspannt. Jetzt waren die MdBs es satt, ewig nur die Abnicker der angeblich alternativlosen Politik dieser inzwischen für viele zur Belastung gewordenen Regierungschefin zu sein und probten den Aufstand. Jetzt ist Schluss, einmal ist genug. Denn hier wird nicht nur Sprache verkürzt, hier soll Denken manipuliert werden: etwas ist unerlässlich, man kann gar nichts tun gegen den Sachzwang. Aber das stimmt ja gar nicht, es gibt immer eine Alternative. Ob das auch passiert wäre, hätte die Kanzlerin nicht dieses ewige alternativlose Gerede angestimmt?
Aber diese Sprachverwirrung ist kein politisches Privileg: So wie eine Abtreibung aus einer Notlage heraus am besten verhindert wird durch Unterstützung für die Schwangere und ggf. das Familiensystem und nicht durch Kennzeichnung als Auftragsmord, so ist eine politische Entscheidung vielleicht die beste in Betracht kommende, aber niemals die einzige. Dazu müssen wir aber unsere Sprache abrüsten und den andern mit seiner abweichenden Meinung ernstnehmen und als vollwertigen Diskutanten akzeptieren. Das gilt für alle Lebensbereiche.
Jesus sagt uns im heutigen Evangelium:
„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, Ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen Ihre Macht missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ (Mk 10,42)
Sicherlich, unser Papst setzt immer wieder eindrucksvolle Zeichen der Solidarität mit den Ausgegrenzten am Rand. Leider verwirrt er aber auch immer wieder mit doppeldeutigen Botschaften. Schließlich meint Jesus doch nicht, sich nur einen Titel in Versalien auf die Titelei des annuario pontificio zu schreiben als Diener der Diener Gottes, sondern er meint, den anderen, den kleinen und den vernachlässigten ernstzunehmen und in die Mitte zu stellen und nicht sich selbst. Was wir sicher nicht brauchen in diesen wahrlich nicht einfachen Tagen: dass wir da dauernd doppelte Botschaften hören, wie es Franziskus zu seinem Markenzeichen zu machen scheint. Wir brauchen Demut und Büßen, aber von denen, die es verbockt haben: den Leugnern, den Vertuschern und den „Polizisten“ zur Reinhaltung der Gesinnung. Wir brauchen keine Aufmunterung an die Theologen an die Grenzen zu gehen und wenn dann einer mal guckt, wo überhaupt diese Grenzen vernünftigerweise laufen, wird er abgesetzt. Wir brauchen keine Aufmunterung an in gemischtkonfessionellen Ehen lebende Mitchristen, sich zu prüfen und mutig voranzuschreiten und ein Hin und Her mit den bischöflichen Verlautbarungen dazu, dass man, wenn schon nicht am eigenen, so doch am Verstand einiger der Teilnehmer der Auseinandersetzung zweifeln muss.
An ihrer Sprache werdet ihr sie erkennen, ob da Dialogbereitschaft, Offenheit und eine nüchterne Beschreibung der Wirklichkeit gegeben ist, oder es um eine festgelegte Ideologie, nach dem Motto: die Wahrheit wird Euch freimachen, aber leider, leider, ich weiß die Wahrheit und Du noch nicht. Dann kann man sehen, ob da Platon der Pate im Hintergrund ist oder doch der biblische Jesus.
Wir kriegen den Geist der Freiheit nicht mehr in die Flasche zurück, deswegen müssen wir uns mit ihm verbünden. Nur wer konsistent und überprüfbar argumentiert, kann die Menschen auf seine Seite ziehen: so wie es selbst der gepeinigte Jesus von dem römischen Soldaten fordert: wenn ich falsch gesprochen habe, so weise es nach. Wenn nicht, was schlägst Du mich?
Ich wünsche uns von Herzen wieder einmal eine Erfahrung, als Christen ernstgenommen und angehört zu werden. Vielleicht schon in dieser Woche … und wenn nicht: nehmen Sie Ihren Nächsten ernst, er hat es verdient.
Katharina Nowak
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