Dies Domini – 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Die Texte des heutigen Sonntags können gelesen werden als Handlungsanweisung für Seelsorgerinnen und Seelsorger im Gesamten aber auch die Priester im Speziellen.
Jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott. (Hebr 5,1)
Für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott. So beschreibt der Hebräerbrief die Hohepriester. Wenn diese Haltung auch heute vorherrschen würde, aktiv und passiv, wären wir einen erheblichen Schritt weiter als wir es tatsächlich sind. Für die Menschen! Nicht für sich selbst, nicht zur eigenen Heiligkeit und Auferbauung, sondern für die Menschen. Vielleicht kann man das ein wenig vergleichen mit dem Sakralraum, dem Kirchraum. Dieser hat seine Sakralität, seine Heiligkeit, nicht aus sich selbst heraus, nicht aufgrund einer magischen Aufladung der Steine, sondern durch den Vollzug des gemeinschaftlichen Gottesdienstes, der Eucharistiefeiern, des feiernden Gottesvolkes, welches hier versammelt ist, zu Gemeinschaft, Lob, Bitte und Dank. Der Raum ist da für die Menschen und gibt ihrem gottesdienstlichen Tun einen – in der einen Kirche mehr in der anderen weniger – ästhetisch ansprechenden Rahmen. Eine Kirche ohne Menschen, ohne Gemeinde, ist nur noch ein Raum.
Analog dazu ist ein Priester, der nicht für die Menschen da ist, seinen Dienst nicht vor Gott, sondern subjektiv eher als Gott ausübt, nur eine leere Hülle. Eine Farce. Wir müssen eine offene Kirche sein, offen für die Menschen – die Forderungen dazu, die das II. Vatikanische Konzil festgehalten hat, haben ihre Aktualität nicht verloren – in all ihren Gefühls- und Bedürfnislagen, in Angst, Trauer, Freude und Hoffnung, in Verzweiflung, Euphorie, Aussichtslosigkeit und Aufbruchsstimmung. Genau daran krankt unsere Kirche an vielen Stellen, sie dreht sich nur noch um sich selbst und verliert dabei das „drumherum“, die Welt in ihrer Vielschichtigkeit aus dem Blick.
Daran knüpft auch eine zentrale Frage des Evangeliums an:
„Was willst Du, dass ich Dir tue?“ (Mk 10,51)
Jesus geht zu dem blinden Mann hin und fragt ihn. Natürlich wird er sich denken können, dass vermutlich das Anliegen eines Blinden ist, sehen zu können. Aber er nimmt ihn ernst. Er handelt nicht einfach, er lässt ihn sich selbst heilen. Mit seinem Mut, seinem Glauben, mit seinem Vertrauen.
„Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. (Mk 10,49f.)
Und dann kann er wieder sehen.
„Dein Glaube hat Dir geholfen!“ (Mk 10,52)
Nicht nur für kirchliche Zusammenhänge ist das eine interessante Frage „was kann ich dir/für dich tun?“, sondern auch für jegliches menschliche Miteinander und somit auch für die Politik. Nicht über die Köpfe der Menschen hinwegregieren, sondern – zumindest ab und zu – bei der Basis mal nachfragen: was wollt ihr eigentlich? Was braucht ihr? Das würde auch die Akzeptanz mancher Entscheidungen erheblich erhöhen. Hier wie da – nachfragen, was der andere benötigt, welche Unterstützung, welche Begleitung, welche Hilfestellung – hat etwas mit Respekt zu tun. Mich nicht selber für so wichtig, schlau und überlegen halten, dass ich schon weiß, was für den anderen gut sein muss. Demut und Respekt. Vielleicht sind das die Schlüsselbegriffe. Für Kirche, Politik und Welt.
Ich wünsche uns eine erkenntnisreiche Woche, eine Woche des Hinhörens und Hinschauens auf den anderen. Vielleicht werden wir überrascht sein, was wir da neues entdecken können.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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