Dies Domini – Ostersonntag, Lesejahr A
Ein weiterer Bogen lässt sich heilsgeschichtlich kaum spannen: von der „felix culpa“, der glücklichen Schuld des Adam im Exsultet der Osternacht bis zur Rückkehr der Emmausjünger zur Urgemeinde in Jerusalem, der Anfangszeit der Mission und der Verbreitung des Christentums über den Erdkreis; von der festlichen Feier des Abendmahls am Gründonnerstag durch die schwarze Nacht der völligen Einsamkeit, ja sogar der Gottverlassenheit am Kreuz des Karfreitags und dem Abstieg in das Reich des Todes, durch den Osterjubel über die Auferstehung bis zu den brennenden Herzen der Emmausjünger, die den Herrn, so wie schon Maria Magdalena am Ostermorgen, zunächst nicht erkennen. Sie brauchen erst das Zeichen des Brotbrechens, weil sie nicht wissen, sondern glauben.
Dabei geht es ihnen wie uns: auch wir sehen Anzeichen und müssen doch oft erst mit der Nase darauf gestoßen werden: wenn ein Gottesdienst uns berührt hat, ein Konzert uns besonders angesprochen oder ein Mensch uns seine liebende Begegnung geschenkt hat: es ist etwas von Gott, von seiner unendlichen Güte in unserer Welt, wenn wir das auch meist nicht nur wegen unserer schlechten Augen, sondern auch wegen der Verborgenheit der Spuren nicht sehen können.
Aber ob es nun an einem Fehler in der Schöpfung, der Bosheit in unserer Menschnatur oder was auch immer liegt: wir leben im Dämmerlicht des kann sein, kann auch nicht sein. Jedenfalls können wir auch unsere Freiheit nur in dieser Lage ausüben: wenn wir immer alles Relevante wüssten, wäre unser Tun und Handeln stets alternativlos. Das stimmte schon bei der früheren Bundeskanzlerin nicht, aber auch im Übrigen stimmt es nie. Und den Kern der Alternativen hat niemand in der letzten Zeit so präzise herausgearbeitet, wie ein Leitartikel der FAZ „Der Wert der Menschenseele“ vom Gründonnerstag, der die Differenzen der religiösen Strömungen, gleich welcher Denomination im Einzelnen, auf ihre Ordnungsvorstellungen zurückführt: Stärkt uns Gott den Rücken über unser Gewissen, dessen Freiheit darum unbedingt geschützt werden muss? Oder liegt das Schwergewicht auf der mit göttlicher Autorität versehenen bestimmten Ordnung, die es durchzusetzen gilt? Wie bei der wesentlichen Auseinandersetzung zwischen Magnus Striet und Karl-Heinz Menke: Wahrheit oder Freiheit, wo liegt der Schwerpunkt?
Reinhard Bingener entscheidet diese Frage in seinem Leitartikel mit Paulus: Es sind nicht die Steintafeln, sondern die fleischernen Tafeln der Herzen, auf die der Brief Christi geschrieben ist. Und das ist das Zeugnis von Ostern: mögen Theologien der Ordnung den Herrn kreuzigen, seien es römische Heiden oder pharisäische Juden, Gott lässt seinen Knecht nicht im Tod. Das Individuum trägt den Sieg davon, spät, aber endgültig und im wahrsten Sinne des Wortes: notwendig.
Wenn Sie in der Osternacht den Gottesdienst in einer sensiblen Gemeinde erleben durften, die Raum lässt für eindrucksvolle Bilder, werden Sie erlebt haben, wie das Licht einer Kerze immer mehr einen ganzen Raum voller Dunkelheit erhellen kann.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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