Dies Domini – Fünfter Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A
Vor einigen Tagen hielt der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Professor Lüdecke in Wuppertal einen Vortrag zum Thema Täuschung, in dem er eindrucksvoll nachwies, dass ein Muster die Geschichte des 20./21. Jahrhunderts durchzieht, nach dem immer, wenn der Reformdruck im Kircheninnern zu hoch wurde, ein kleines „Dialog-Ventil“ dafür sorgte, dass eine Revolution vermieden, allerdings auch die notwendige Anpassungsarbeit der Kirche an die Welt der Gegenwart nicht geleistet wurde.
War es nach dem Krieg ein Katholikentag, dann das Zweite Vatikanum, schließlich die Würzburger Synode, der unsägliche „Dialogprozess“ des, wie wir heute leider wissen, ebenso unsäglichen Erzbischofs Zollitzsch, so ist es heute der Synodale Weg, auf dem allerlei wohlwollend gnädiglich zwischen Bischöfen und engagierten Laien beraten und beschlossen, aber nichts auf den Weg gebracht wird, schon gar nichts entschieden. Das war ein lichtvoller – für die Erkenntnis -, aber leider auch sehr dunkler Abend – für die Hoffnung auf Reform. So endete der Vortrag auch mit einer schwarzumrandeten Anzeige:
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.
…
Aber sie stirbt.“
Durchaus traurig. Zweckoptimismus und fröhliche Gelassenheit hatten da wenig Platz, weil leider auch der Realitätsgehalt des Vorgetragenen zu hoch war. Desillusionierend hoch. Noch bedauerlicher, dass der Referent sich auf seine Rolle als wissenschaftlicher Darsteller der rechtlichen Realität zurückzog und auch auf Fragen aus dem Publikum die Rolle des Ratschläge gebenden Pastoraltheologen ablehnte. Ja, was nun?
Ich befürchte, jeder muss nun selbst seine eigene Sicht der Dinge und der zu ziehenden Konsequenzen wahrnehmen und wird kaum ernsthaft darauf vertrauen dürfen, wie man es, fälschlich, dem Kölner unterstellt: et wird schon, et hät noch immer jotjejange. Auch dem ist mit dieser Haltung dann sein Stadtarchiv in den Dreck gefallen. Aber offenbar ist substantielle Veränderung selbst angesichts hunderttausender Austretenden nicht zu erwarten. Solange die Staatsleistungen an die Kirchen neben der Kirchensteuer fließen, wird sich wohl auch nichts an den strukturellen Problemen ändern. Da tut es gut, wenn Leute wie Kardinal Hollerich dazu aufrufen, nicht alles so hierarchisch als Machtausübung anzusehen, sondern mehr dienstlich. Oder der unvergleichliche Augsburger Bischof, der zuviel strukturelle Debatte und zu wenig Orientierung an den Worten Jesu beklagt. Was meint er? Sollte nicht der Synodale Weg die systemischen Ursachen der Missbrauchsbegünstigung aufarbeiten? Hätte man stattdessen lieber direkt gemäß Matthäus 18 den Tätern und Vertuschern einen Mühlstein um den Hals hängen sollen?
Nein, ich befürchte, wir kommen um die mühsame Gremienarbeit nicht herum, und die Machthaber täten gut daran, die Dinge beim Namen zu nennen statt theologische Nebelkerzen zu werfen, bevor noch der letzte Gläubige in Europa das Weite gefunden hat.
Denn in die Weite will uns Jesus führen, wenn er sich selbst als der Weg, die Wahrheit und das Leben bezeichnet. Wir haben keine Buchreligion, schon gar keine Katechismussätze-Religion, sondern einen lebendigen Hirten, der das Leben für seine Schafe sein will, Leben heißt aber Veränderung, Wachstum, Reifung. Dass dabei Leitplanken, die einmal als hilfreich angesehen worden sein mögen, jetzt fallen müssen, wenn sie den Weg in eine Sackgasse gelenkt haben, das liegt auf der Hand.
Ich wünsche uns solche frohmachenden Augenblicke der spürbaren Begegnung mit der göttlichen Liebe, die nicht einengen und begrenzen will, sondern die Freiheit seiner Geschöpfe in der Fülle des Lebens in all seinen Formen.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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