Dies domini – Fünfundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Jedes Streben zum Himmel erhöht die Fallhöhe. Jene, die glauben, eine Weihe würde aus sich heraus das Sein eines Menschen verändern, erleben in diesen Zeiten ungewollte Desillusionierungen. Es sind nicht nur die immer offenbarer und an Zahl immer größer werdenden Missbrauchstaten von Klerikern, die die Suggestion vom Heiligen Mann zerstören; selbst höchste Würdenträger werden mittlerweile nicht nur der Vertuschung von Missbrauchstaten überführt, sondern selbst als Täter entlarvt. Die autosuggestive Überhöhung, als Geweihter über dem Irdischen zu stehen, erweist sich immer mehr als sakrale Sepsis, die die Kirche bis ins Innerste vergiftet. Noch ist die Kirche noch lange nicht so weit, sich des Giftes zu entledigen. Noch ist kein Antidot gefunden – und man wird es nicht finden, solange man an der toxischen Überhöhung Geweihter festhält, die deren Schutzpatron, der Pfarrer von Ars Johannes Maria Vianney, in klerikaler Hybris bejubelt:
„Oh, wie groß ist der Priester! … Wenn er sich selbst verstünde, würde er sterben … Gott gehorcht ihm: Er spricht zwei Sätze aus, und auf sein Wort hin steigt der Herr vom Himmel herab und schließt sich in eine kleine Hostie ein…‘Und als er seinen Gläubigen die Bedeutsamkeit der Sakramente erklärte, sagte er: ‚Ohne das Sakrament der Weihe hätten wir den Herrn nicht. Wer hat ihn da in den Tabernakel gesetzt? Der Priester. Wer hat Eure Seele beim ersten Eintritt in das Leben aufgenommen? Der Priester. Wer nährt sie, um ihr die Kraft zu geben, ihre Pilgerschaft zu vollenden? Der Priester. Wer wird sie darauf vorbereiten, vor Gott zu erscheinen, indem er sie zum letzten Mal im Blut Jesu Christi wäscht? Der Priester, immer der Priester. Und wenn diese Seele [durch die Sünde] stirbt, wer wird sie auferwecken, wer wird ihr die Ruhe und den Frieden geben? Wieder der Priester … Nach Gott ist der Priester alles! … Erst im Himmel wird er sich selbst recht verstehen.“ (Zitiert nach Benedikt XVI, Schreiben zum Beginn des Priesterjahres anlässlich des 150. Jahrestages des „Dies Natalis“ von Johannes Maria Vianney, Vatikan 2009 (Quelle: http://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/letters/2009/documents/hf_ben-xvi_let_20090616_anno-sacerdotale.html#_ftnref2 [Stand: 30. September 2018])
Wo Kleriker sich dergestalt sogar über Gott erheben und ihn zum gehorsamen Erfüller degradieren, darf man sich nicht wundern, dass jedes Schuldbewusstsein fehlt. Wo solche Selbstdefinition noch durch Nichtkleriker, die sogenannten Laien, faktisch bestätigt wird, kann man für die Kirche getrost alle Hoffnung fahren lassen. Was zählt da noch das Wort Gottes, wenn die ontologisch Erhöhten definieren, was Gott zu wollen hat?
In der ersten Lesung vom 25. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahrs A spricht Gott durch den Prophet en Jesaja:
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. Jes 55,8f
Die Weisung Gottes ist eindeutig: Kein Mensch kennt seine Gedanken, kein Mensch kann sich auf einen vermeintlichen Status quo verlassen. Offenkundig ist der Ewige nicht statisch, sondern dynamisch. In dieser Dynamik ist er nah und fern zu gleich. Man kann ihn nicht greifen und fixieren, begreifen schon gar nicht. Wohl kann man ihn suchen, so wie der Prophet sagt:
Sucht den Herrn, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah! Jes 55,6
Wer aber aufhört zu suchen, sondern glaubt, Gott zu haben, den entlarvt der Prophet als Frevler und als Übeltäter. Wer aber gehört für den Propheten Jesaja zu diesen?
In dem Absatz, der der ersten Lesung vom 25. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A vorhergeht, befindet sich ein bemerkenswerter Appell:
Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch! Jes 55,1
Dem Appell folgt eine entlarvende Frage:
Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen! Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben! Ich schließe mit euch einen ewigen Bund: Die Erweise der Huld für David sind beständig. Jes 55,2f
Die Worte des Propheten zeigen zum einen, dass das Heil Gottes nicht nur keine bloß spirituelle Verheißung, sondern eine höchst leibhaftige ist; zum anderen ist diese Verheißung für die, die sich zu Gott hinwenden, unvermittelt zugänglich. Das Heil bedarf nicht nur keiner sakralen oder klerikalen Vermittlung. Im Gegenteil: Wer für die Heilsvermittlung Güter geltend macht, scheint zu jenen Frevler zu gehören, die der Prophet zur Umkehr auffordert:
Der Frevler soll seinen Weg verlassen, der Übeltäter seine Pläne. Er kehre um zum Herrn, damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; denn er ist groß im Verzeihen. Jes 55,7
In der Gegenwart stürzen Heiliggemachte vom Sockel, ebenso weihevolle wie autosuggestive Selbsterhöhungen werden durch die Missbrauchstaten nicht weniger Kleriker als fatale Illusion entlarvt, die allzu viele Gutgläubige verführt und Missbrauch möglich gemacht hat. Sicher gibt es die unbescholtenen Kleriker; aber die Auffassung, die Weihe würde eine seinsmäßige Erhöhung bewirken, ist durch klerikale Missbrauchstaten längst als Illusion entlarvt.
Es wird deshalb Zeit, den Worten des Propheten Gehör zu schenken und umzukehren. Das gilt nicht nur für die Weihevollen, sondern auch für denen, die demütig zu den Geweihten aufschauen und sich nicht vorstellen können, dass im Priestergewand zuvorderst ein einfacher Mensch steckt. Das Erschrecken vor dieser Erkenntnis ist immer noch zu groß, wenn wieder einmal bekannt wird, dass der nette Pfarrer oder der verehrte Bischof eigentlich ein frevelhafter Täter war: Hat man sich das wirklich nicht vorstellen können? Oder wollte man es bloß nicht wahrhaben?
In der Gegenwart stürzen die Denkmäler, die Illusionen selbstgemachter Heiligkeit werden entblößt. Den von Missbrauch Betroffenen muss die Ehre zurückgegeben werden, die die, die sich selbst in den Himmel erhoben haben, ihnen genommen haben. Das Verstörende ist, dass es auch 13 Jahre nach dem Aufdecken des Missbrauchs von Schülern des Canisius-Kollegs in Berlin durch den damaligen Rektor Klaus Mertes immer noch so vielen schwerfällt, der Wahrheit ins Auge zu schauen.
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Ich find es immer ein bisschen billig den Priestern und Bischöfen und ihren Sünden den Zustand der Kirche in die Schuhe zu schieben und ich finde es lächerlich die Laien immer als hilf- und ahnungslos Vollidioten darzustellen, die so sehr an die Heiligkeit ihres Pfarrers glaubten, dass sie vor allem die Augen verschlossen haben. Ich habe in den letzten 50 Jahren die Laien anders erlebt.
Ich kenn ne Gemeinde, die einen Priester, der alkoholkrank war und aus der Reha kam, mit allen Mitteln zu Fall bringen wollten und die sich für nichts zu Schade waren, um ihn los zu werden und die das geschafft haben. Ein Pack von Hyänen wäre mir lieber gewesen als diese guten Christen. Das einzige was ich aus der Geschichte gelernt habe, ist, das Gottes Liebe zu uns unbegreiflich ist und seine Barmherzigkeit endlos.
Ich kenn auch Gemeinden die sich sehr bewusst waren, dass Hochwürden junge Mädchen verführt oder groomt, wie man heute sagt. Aber statt was dagegen zu tun, hat man deftige Schimpfwörter für die Mädchen gefunden. A pfaffeingeile Schlamperte halt… Ich kenn auch Gemeinden, die sehr glücklich darüber waren, dass ihr Pfarrer eine nicht ganz so heimliche Geliebte hatte.
Wir hatten in der Geschichte der Kirche Hureböcke und Warlords auf den Bischofstühlen und die Leute verließen doch nicht in Massen die Kirche. Ich glaub nicht, dass es an den Sünden unserer „Vortänzer“ liegt, diesmal stinkt der Fisch nicht wirklich vom Kopf. Es liegt an uns. Wir können nicht mehr Zeugnis für die Wahrheit, die Christus ist, ablegen und deshalb sind die Kirchen leer. Wir leben den Glauben nicht und ganz häufig glauben wir unseren Glauben auch nicht mehr.
Und ja, was in der Messe auf die Worte des Priesters hin geschied, ist unglaublich und wir können sicherlich lange über die Wurzeln des christlichen Priestertums im jüdischen Priestertum des Tempels diskutieren… wobei es bisher immer die wunderbaren Laien-Bediensteten waren, die meine Meinung damit abtaten, das ich ja keine studierte Theologin wäre. Ist mir in Gesprächen mit Priestern und Bischöfen noch nie passiert. Ich weiß nicht, aber irgendwie erlebe ich die „verbeamteten Verkünder“ meist sehr viel Standesbewusster als die pösen Kleriker.
Liebe Sabine,
zuerst einmal Danke für Deinen Kommentar. Es ist für mich völlig unerheblich, ob Du ausgebildete Theologin bist oder nicht. Es gibt auch unter ausgebildeten Theologen viele, die ihr Handwerk nicht beherrschen oder nicht mehr anwenden. Entscheidend ist für mich deshalb nicht, ob jemand einen Abschluss hat oder nicht, sondern ob er oder sie in der Lage ist, theologisch zu argumentieren.
Du schilderst in Deinem Kommentar einzelne Fälle – die können nie argumentativ verwertet werden, da sie im Guten wie im Schlechten episodisch sind. Da bist Du auch schnell mit Wertungen dabei („billig“ oder „pöse“ – wobei ich mich bei Letzterem durchaus freue, dass Du offenkundig ein Fan von „Das Leben des Brian“ bist – ein Film, der ebenso unterschätzt wie von konservativen Katholiken missverstanden wird). Das ist schade. Bei der Frage, was der Priester nun ist, geht es nämlich um Grundsätzliches, völlig unabhängig davon, ob Priester zu Tätern werden oder nicht. Es ist die Ideologie, die das möglich macht und zu Vertuschungen durch Bischöfe geführt hat, die das vermeitnlich „Reine“ des Klerikers bewahren wollten. Nur nebenbei: Können Sie einen Bischof nennen, der auch in früheren Zeiten offen und ehrlich mit dem Thema Missbrauch umgegangen ist? Mir fällt kein einziger ein – und das ist eben ein Teil des ideologischen Grundproblems.
Was die theologische Argumentation angeht, erlaube ich mir, Ihre Frage der vermeintlich jüdischen Wurzeln des römisch-katholischen Priestertums aufzugreifen. Dieses vermeintliche Argument tritt nämlich seit einiger Zeit auf, nachdem wohl auch in traditionalistischen Kreisen klar wird, dass man das Priestertum nicht auf einen vermeintlichen Stifterwillen jesu zurückführen kann. Den gibt es nicht. Um wenigstens eine biblische Verortung hinzubekommen, versucht man es jetzt mit dem Priestertum des alterwürdigen Bundes. Das aber kann aus verschiedenen Gründen gerade nicht funktionierent:
1. Wendet sich Jesus selbst – ausgerechnet Jesus – äußerst kultkritisch gegen eine priesterlich vermittelte Heilsnähe zu Gott, wie sie im Tempel praktiziert wurde. Hier hat nicht nur die „Tempelreinigung“ ihren Grund, sondern auch die sonst eher „amtskritischen“ Äußerungen Jesu.
2. Gibt es im Neuen Testament wenn überhaupt nur eine einzige Stelle, die das Tempelpriestertum auf den Neuen Bund anwendet: Im Hebräerbrief wird Jesus Christus selbst exklusiv (!) mit dem Hohenpriester identifiziert, so dass es keine weiteren Priester mehr braucht.
3. Würde das Priesteramt des altehrwürdigen Bundes bedingen, dass ausschließlich Angehörige des israelitischen Stammes Levi in Frage kämen – auf keinen Fall aber Angehörige der Gojim, der Nichtjuden, eben der Heiden.
4. Würde das Priesteramt des altehrwürdigen Bundes im Neuen Bund weitergeführt, müssten wir davon doch mindestens Spuren im NT finden. Die finden wir aber nicht nur nicht, sondern (siehe Argument 1.) sogar eher kritische Distanz.
Auch die beste Analogie hilft hier nicht weiter, gerade weil Jesus die Menschen zu einer Erfahrung der Gottunmittelbarkeit ermächtigt, die gerade keiner priesterlichen oder kultischen Vermittlung bedarf. Es ist deshalb begründungspflichtig, dass es überhaupt Priester im Sinne der römisch-katholischen Ideologie gibt – und diese Ideologie ist so alt noch nicht. Sie hat ihre Wurzeln im ausgehenden 19. Jahrhundert, wie die Forschungen u.a. von Hubert Wolff aufzeigen.
Das alles macht das Priesteramt in sich nicht sinnlos. Wohl aber die Ideologie einer besonderen Erwählung und Christusnähe, die unter anderem auch das Direktorium für den Dienst und Leben der Priester der Kleruskongregation behauptet, wenn es dort etwa heißt: „Durch die sakramentale Weihe, die durch Handauflegung und Weihegebet des Bischofs geschieht, wird im Priester ein »besonderes ontologisches Band« bewirkt, »das den Priester mit Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten eint«.“ Oder auch: „Aus theologischer Sicht des geweihten Priestertums als ontologische Teilhabe am „Haupt-Sein“ Christi jedoch ist das Gebet des geweihten Amtsträgers, ganz abgesehen von seiner moralischen Situation, in vollem Sinn Gebet Christi mit derselben Würde und derselben Wirksamkeit.“ Genau hier wird das Problem deutlich, wenn die „moralische Situation“ faktisch keine Bedeutung mehr für den Priester hat.
Liebe Sabine, verstehen Sie mich nicht falsch. Es geht mir nicht um Einzelfälle – die werden wir im Guten wie im Schlechten immer finden. Aber selbst die „Guten“ sind, wie die Causa „Hengsbach“ u.a. zeigen, nicht mehr über jeden Zweifel erhaben. Es ist an der Zeit, das Priesteramt neu theologisch zu reflektieren. Vielleicht sollte man einfach weniger von „Erwählung“ sprechen, die immer auch autosuggestiv sein könnte, sondern einfach von einer Beauftragung und Indienstnahme. Die aber geschieht (faktisch schon heute) nicht durch Gott, sondern durch den Bischof. Das würde der Kirche nicht nur nicht schaden, sondern sie näher zu den Menschen bringen. Ist es wirklich so absurd, von einer Entblößung zu sprechen, wenn wir an einen glauben, von dem es heißt: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.Sein Leben war das eines Menschen.“ (Phil 2,6f)
Es mag sein, dass Sie vielleicht hier oder da desillusioniert sind. Tatsächlich aber ist es an der Zeit, die Illusionen fahren zu lassen und sich auf den Grund zu besinnen, den wir haben: Das Wort Gottes. Mehr tue ich nicht … Wenn Sie da andere Angaben finden, her damit. Nur helfen uns selbst gewollte Perspektiven nicht weiter. Meinungen bilden sich an Fakten, sonst sind es leider nur Einbildungen …
Mit herzlichem Gruß,
Ihr Dr. Werner Kleine
Okay, dann lass uns mal Missbrauchsgeschehen und die sicher grottige Handhabung der Fälle einmal vom Priester trennen.
Wenn ich das richtig sehe, sind ganz ganz viele Fälle grob zwischen 1950 und 1990 passiert. Viele dieser Missbräuche wurden sogar pädagogisch Begründet. Wie zum Beispiel die grausame Praxis Geschwisterkinder bei in Pflegenahme immer zu trennen und versuchte Kontaktaufnahmen mit Familie oder Geschwister möglichst zu unterbinden. Da wurden Kinder solange verprügelt bis sie aufhörten nach der Mama zu weinen. Heute unvorstellbar damals best practice. Und jeder wusste, das es in den Heimen Scheiße war und niemand hat was getan. Außer vielleicht den eigenen Blagen damit zu drohen, dass sie ins Heim müssen, wenn sie nicht brav sind.
Warum war das wohl ne Drohung?
Ich sehe nicht wo landeskirchliche oder städtische Einrichtungen da besser oder schlechter gewesen wären. Gerade in München sieht man, dass es da wohl ein Netzwerk gab was sich auch durch die Amtsstuben zog. Es gab scheinbar einen sehr unschönen gesellschaftlichen Konzens, dass Kinder, die außerhalb der Familie betreut werden müssen, keinerlei Wert hatten und man mit ihnen machen konnte was man wollte.
Selbst wenn man sich dazu herabließ, solche Taten zu verfolgen, weil es eben nicht nur die „easy disposables“ betraf, war das eher lala. Gab es doch in Bezug auf die Täter den irrigen, aber damals durch wissenschaftliche Annahmen gestützten Glauben, dass Täter, wenn man sie aus einem Umfeld nimmt, in dem sie straffällig geworden sind und sie ein halbes Jahr in eine Gesprächstherapie zwingt, danach nicht wieder rückfällig werden. Diese mirakulösen Heilungen fanden zwar nie statt, aber gerade Therapeuten und Psychologen haben sich lange geweigert, das einzusehen. Erst die große Häufigkeit der Wiederholungstaten und unter dem Druck von Opfern und Richtern änderte sich das.
Dann kam häufig noch die Verharmlosung gerade von sexuellen Übergriffen dazu. Es war eine Zeit wo Lolita nicht die Geschichte eines kriminellen Kinderfickers, sondern gewagte Literatur war und von Rowohlt auf Wunsch des Verlegers übersetzt und verlegt wurde. Wem das lesen zu lästig, für den passend den Schulmädchen Report. Wer das als Frau nicht ertragen konnte, musste halt Frauengold saufen.
Noch Erinnerungen an große Frauenromane der 80iger? Zimmer-Bradley und ihre Nebel von Avelon? Neben religöser und historischer Verwirrtheit, scheint sie auch nicht so ganz sicher in der Wahl ihrer Sexualpartner zu sein. Ihr Ehemann wurde ja verurteilt. Ihre Kinder klagen immer noch gegen sie wegen sexuellem Missbrauch, so weit ich weiß.
Oh, und dann gibt es auch noch sowas wie Täterschutz – zu Recht- und Personalrecht – muss auch sein und Verjährung, was grundsätzlich ja nicht falsch sein muss. Nur bildet das in diesen Fällen ganz oft sehr unschöne Synergien.
Wäre es schön gewesen, wenn die Kirch es besser gemacht hätte als die Welt? Ja, wäre schön gewesen. Krieg ich die Motten, wenn ich sehe, wie die Bischöfe es immer noch nicht auf die Kette kriegen? Ja.
Glaube ich, dass der Fehler in der Hierarchie selbst veranlagt ist? Nein.
Ich glaube nicht, dass wir irgendwas gewinnen, wenn wir die Hierarchie aufgeben.
Ich find es so überhaupt nicht hilfreich den Missbrauchskomplex zu nehmen und den als Kuhfuß zu nehmen, um die Weiheämter auszuhebeln.
Mit der selben Logik könnte man gegen Ehe und Familie vorgehen, weil immer noch 90% aller Kindesmißbräuche in der Familie passieren. Demonstriert aber niemand vor Dom gegen Hochzeiten, oder? So, Commerce is calling. Ich muss noch ne Schicht zu Ende bringen.
Na, das ist ja mal Whataboutism vom Feinsten, was Sie da betreiben: Die anderen machen auch Fehler, warum sollten wir besser sein. Eine furchtbare Ansicht, sich so aus dem Staub zu machen. Es wird doch immer die Heiligkeit der Kirche betont! Letztlich tun Sie das auch, weil Sie nicht umhin können, Ihre persönliche Illusion von der kirchlichen Hierarchie zu hinterfragen. Dann sind das alles bloß Einzelfälle, die man vom Amt trennen muss usw. usw. Noch einmal: Nennen Sie mir einen Bischof, der nicht vertuscht hätte oder gar selbst zum Täter geworden ist. Mittlerweile wird doch offenbar, dass es genau die Hierarchie ist, die den Missbrauch geschützt hat – und der ist, mit Verlaub, in einer Kirche, die ihre Heiligkeit betont, noch um Längen unfassbarer. Wie können Sie das nicht sehen?
Außerdem orientieren Sie sich erneut nicht an den Fakten. Die Missbrauchstaten, die untersucht und offenbar werden betreffen gerade nicht nur den Zeitraum von 1950 bis 1990 (auch hier: was soll das? Kennen Sie die Untersuchungen nicht?). Die Untersuchungszeiträume gegen bis in die jüngste Vergangenheit – 2015, 2018 usw. Sie versuchen zu retten, was nicht zu retten ist – und unterstützen so ein System, das die Augen vor den Fakten verschließt. Sie sehen doch selbst, dass die Bischöfe es immer noch nicht hinkriegen. Sie ahnen also selbst, dass die Wahrheit nicht Ihrer Illussion von Realität entspricht. Ich bleibe dabei: Es ist die Überhöhung des Amtes, die ein großer Teil des Problems – und die wird durch Leute, die da immer noch die vermeintlich heiligen Männer am Werk sehen, leider unterstützt. In dem Punkt haben Sie Recht: Es ist nicht nur die Hierarchie, es sind auch die, die durch Aufschauen die Hierarchie stützen …
Nur nebenbei – Papst Franziskus sagt gerade in diesen Tagen Folgendes: „Es ist nicht angebracht, einen Unterschied des Grades aufrechtzuerhalten, der impliziert, das gemeinsame Priestertum der Gläubigen als etwas von ‚zweiter Kategorie‘ oder von geringerem Wert (‚ein niedrigerer Grad‘) zu betrachten. Beide Formen des Priestertums erleuchten und stützen sich gegenseitig.“ Damit würde er freilich des Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ändern – aber eben auch die Hierarchie auflösen. Ich fürchte leider nach wie vor, dass Sie Ihre Illusionen hinterfragen müssen …
Nein, das hab ich so nicht gesagt. Ich sehe den Missbrauch von Kindern in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang. Mir ist das zu wenig das als Problem der katholischen Kirche darzustellen. Es gibt Missbrauch und wenn wir so tun als wäre das ein katholisches Problem, helfen wir niemanden.
Und die Mehrzahl der Missbräuche liegt in der Vergangenheit, auch weil es nicht mehr die Zahl an Kindern in Einrichtungen gibt und solche Sachen wie Kinderkurheime, aber auch geschlossene Erziehungsheime aufgegeben wurden. Da kann niemand mehr Opfer werden, weil es die Anstalten nicht mehr gibt. Es gibt auch weniger Opfer, weil sich die Pädagogik geändert hat und weil wir mehr über die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit kennen. Wir bringen Kindern inzwischen bei Nein zu sagen, vor 50ig Jahren war ein Kind das dem Bussi des Onkels auswich noch unartig. Heute sieht man das anders. Und das hat nichts damit zu tun, ob man jetzt katholisch ist oder Hindu oder sonstwas. Da haben sich Normen geändert.
So zu tun als wäre das ein Problem der katholischen Kirche und ihrer Hierarchie, hilft nur den Tätern. Weil dann braucht es ja keine Standards für städtische Einrichtungen, Schulen, Sportvereine …
Wenn es ein Problem der Überhöhung des Priesters ist, dann brauch ich mir als Tennis Club ja keine Gedanken um das Verhalten meiner Trainer zu machen.
Der größte aktuelle Missbrauchsskandal betrifft im köln-bonner Raum nicht die Kirche, sondern die Jugendhilfe und psychiatrische Einrichtungen. Da wurden Kinder die Kindheit gestohlen in dem man sie mit mit Medis vollgepummt hat und es gab keine Checks im Apparat, um das zu verhindern.
Da fragt man sich, wie das sein kann, wo wir doch seit 20 Jahren darüber reden?
Vielleicht weil wir den Kindesmissbrauch katholisch geredet haben?
Und wer sieht den beim Priester einen heiligen Mann am Werk? Aus welchem Wolken-Kuckucksheim ist das denn? Ich kenn die Leute nicht die vor Ehrfurcht erstarren, weil seine Eminenz geruht in meine Richtung zu winken. Da bin ich aber vielleicht wirklich zu wenig deutsch und zu sehr von der Farm.
Na ja, Sie relativieren da schon. Der Verweis, dass es Verbrechen auch anderswo gibt, macht die Verbrechen im eigenen Haus ja nicht besser. Was soll das? Das eben ist Whataboutism. Aber es ist faktisch noch dramatischer. Nehmen Sie die Schweiz – da gab es über 500 klerikale Täter seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Im gleichen Zeitraum gab es etwa 3.500 Priester in der Schweiz. Das heißt, dass mindestens jeder siebte Kleriker (und das ist nur die Hellziffer) als Täter identifiziert werden könnte – jeder 7.! Das ist weit über dem Durchschnitt! Allein das zeigt schon, dass das Problem in der kirchlichen Hierarchie größer ist als in der sonstigen Welt – und da ist es schon schlimm. Deshalb helfen Ihre Verweis da leider nicht weiter. Das Problem ist in der Kirche ausgeprägter und deshalb muss sie sich besonders stellen.
Um aber beim Beispiel des Tennistrainers zu bleiben – auch der wird oft überhöht – und das verursacht das Problem. Aber, wie gesagt: Rein statistisch ist das Problem in der Kirche viel präsenter. Die Zahlen lügen leider nicht (übrigens auch in der deutschen Studie: Nach der MHG-Studie waren 4% der Kleriker Täter – als Hellziffer; vermutet werden 20%, also jeder fünfte … das trifft wohl kaum auf Tennistrainer zu – und falls doch, würde man die Clubs schließen, die Trainer suspendieren und anklagen). Ich bleibe dabei: Sie übersehen vor lauter Whataboutism die kirchliche und eigentlich auch die theologische Dimension des Problem. Wenn wir eine „heilige Kirche“ sein wollen, dürfen wir keinen einzigen Missbrauch dulden. Jeder Verweis auf außerkirchlichen Missbrauch leugnet das. Merken Sie das nicht?
Äh… ne, der Club wird halt nicht geschlossen, da wird die Klappe gehalten und weiter gemacht, wenn der Trainer Sieger macht. Das hatten wir jetzt gerade bei den Turnerinnen.
Aber nur mal angenommen wir organisieren uns jetzt um. Priester weg, tschökes Bischöfe und dann? Dann löst sich das Problem des Missbrauchs in Luft auf, oder was?
Das will ich jetzt wissen: Priester weg = Problem gelöst? Ja oder Nein.
Ich merke schon, dass Sie das nicht verstehen können oder wollen. Wenn auch in Ihrem Tennisclub die Klappe gehalten wird und Sie den Klub nicht verlassen, dann haben Sie und der Klub ein ähnliches Problem wie die Kirche. Auch von „Priester weg“ hat niemand gesprochen – wohl von einer Veränderung der Theologie des Priesteramtes. Sie überschießen hier wieder und ziehen die falschen Schlüsse.
Liebe Sabine, Sie bringen keinen neue Argumente, die die Diskussion vorantreiben, sondern wiederholen sich. Sie möchten an Ihrer Sicht festhalten. Das kann ich verstehen, führt aber hier zu nichts. Sie unterstellen Dinge (Priester weg), um die es nicht geht, und schaffen es irgendwie nicht, aus Ihrer Whataboutism-Blase herauszukommen. Der Missbrauch ist hier wie dort schlimm. Wird er besser, bloß weil er auch außerhalb der Kirche stattfindet? Was soll das? Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich weitere Kommentare nur veröffentlichen werde, wenn es etwas Neues Ihrerseits gibt. Sie hatten jetzt ausreichend Gelegenheit, Ihre Sicht in meinem Blog zu beschreiben. Die gebe ich Ihnen auch gerne weiterhin – vorausgesetzt, es kommt da etwas Neues. Ich bitte da wirklich um Verständnis, weil Ihre Wiederholungen von dem, was Sie schon mehrfach gesagt haben, auch meine Lebenszeit kostet ;-). Wie gesagt: Wenn Sie etwas wirklich Neues beisteuern können, veröffentliche ich gerne. Ansonsten ist hier von Ihrer Seite, so scheint es mir, alles gesagt. Das ist, ehrlich gesagt, langweilig – nichts Neues, außer Unterstellungen. Also: Bitte überraschen Sie mich einmal!