Dies Domini – 29. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Nähert man sich der Lesung aus dem Buch Jesaja des heutigen Sonntags einmal nicht in freundlich-kritischer Distanziertheit, sondern lässt den Text auf sich wirken, wie er womöglich zur Entstehungszeit vor mehr als 2500 Jahren auf seine ersten Leser und Hörer gewirkt haben mag, so bemerkt man einen ganz freimütigen Nationalstolz:
„So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, …: Ich habe ihn an seiner rechten Hand gefasst, um ihm Nationen zu unterwerfen; Könige entwaffne ich, um ihm Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten.“ (Jes 45,1)
„Um Israel, meines Erwählten willen.“ (Jes 45,4)
Ganz unverhohlen wird Gott in Anspruch genommen, um das heilige Bundesvolk, das eigene, zu preisen und seine Ehre zu betonen.
Wann waren Sie zum letzten Mal stolz auf Ihr Land, Ihre Religion, Ihre Kirche vor Ort, Ihre Familie, Ihre Partei, wenn Sie irgendwo Mitglied sind, irgendeine Gruppe, der sie angehören? Ist das, abgesehen vom Fußballverein, überhaupt noch erlaubt? Entspricht es überhaupt noch der political correctness?
Jedenfalls ist es nicht der Alltag. Alltag ist Schämen. Natürlich angemessen, wenn man an die Missbrauchsskandale denkt, die unsere Kirche bis ins Mark erschüttern. Aber auch sonst. Man schämt sich für die Reden des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, der eine sonderbare Äquidistanz zu den Terroristen der Hamas und ihren Opfern einnimmt; für die Weltsynode, die vor sich hin tagt und kein wahrnehmbares Wort zu dem grauenhaften Überfall auf unsere Wurzel Israel findet. Für den Papst, der lieber auf ein Treffen mit dem Terroristen Kyrill hofft als eine klare Position im Ukrainekonflikt einzunehmen. Man schämt sich. Auch tatsächlich kein Grund zum Stolz, nirgends.
Aber kann das richtig sein? Brauchen wir nicht die Freude und Bestätigung, dass wir bei den Guten sind? Ist es nicht ein Grund, stolz zu sein auf unsere Menschenrechte? Auf unsere (Fast-) Gleichberechtigung? Auf unseren zivilisatorischen Fortschritt? Auch auf unsere Fehlerkorrekturen? Unsere Lernbereitschaft? Unser Bemühen, unseren Wohlstand umweltverträglich umzubauen? Auch auf unsere Konfession, die doch schließlich auf den Herrn zurückgeht, der über allen Thronen dieser Welt herrscht? Vielleicht müssen wir uns das auch in diesen dunklen Tagen klarmachen, dass wir eigentlich viele Gründe haben, uns darüber zu freuen, wenn vieles funktioniert. Nicht die deutsche Bahn. Aber unsere Hilfsbereitschaft. Unsere Bereitschaft zur Solidarität mit Israel und der Ukraine, die über Parteigrenzen hinweg für unsere Gesellschaft unstrittig ist. Und unsere Leidensfähigkeit, wenn wieder einmal der frühere Glaubenspräfekt Müller ein Interview gibt, in dem er selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt, ohne es zu bemerken. Gott sei Dank erklärt es ihm immer wieder einmal jemand wie jüngst der Bonner Kirchenrechtler Lüdecke.
Vielleicht wäre das eine gute Idee für die nächsten Tage: dass wir einmal überlegen, worüber wir uns trotzdem freuen könnten und versuchen, für andere keinen Grund zum Schämen abzugeben. Denn wenn wir unseren menschengemachten Blödsinn in der Schublade lassen und uns darauf konzentrieren, was uns der Herr sagt:
„Ich bin der Herr und sonst niemand.“ (Jes 45,5)
dann wird mehr Anlass zu Stolz und Freude sein, als zur Scham.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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