Dies Domini – 6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
In einer Woche ist es soweit: Es wird gewählt in diesem Land. Erlauben Sie mir in Anlehnung an das heutige Evangelium den Seligpreisungen und Weherufen je eine hinzuzufügen:
Weh euch, die ihr nur die einfache und angenehme Lösung sucht, denn ihr verkennt den Ernst der Lage.
Selig, ihr Zweifler, die ihr Dinge hinterfragt, denn ihr macht es euch nicht zu einfach.
In den Versen vor Beginn des heutigen Evangeliums erwählt Jesus auf einem Berg seine Jünger und steigt dann hinunter in die Ebene, um sich an das dort versammelte Volk zu wenden. Er gibt seine erhöhte Position, bei der er nicht nur für mehr Menschen sichtbar, sondern auch besser hörbar ist, auf, um direkt zu den Menschen zu gehen, die seiner Meinung nach seine Botschaft am dringlichsten hören sollen – zu den Armen, den Trauernden und den Verfolgten. Nicht die Reichen und Mächtigen sind seine Adressaten, sondern die von der damaligen Gesellschaft Vergessenen. Jesus dreht die Skala einfach um, nicht Erfolg ist das Maß seiner Dinge, sondern Demut.
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Lk 6,20f
Und genau hier sollten nicht nur wir, sondern auch unsere Politikerinnen und Politiker ansetzen. In einer Woche haben wir es in der Hand zu entscheiden in welche Richtung unsere Gesellschaft sich weiterdrehen wird. Hin zu Reichtum, Macht und Ruhm? Oder zu den Armen, den Trauernden und den Verfolgten? Wollen wir eine Gesellschaft, die wieder näher zusammenrückt oder eine, die immer weiter auseinanderdriftet? Es liegt an jedem einzelnen von uns, sich bei der Wahl für eine Politik zu entscheiden, bei der christliche Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Solidarität wieder im Mittelpunkt stehen.
Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. Lk 6,24f
Es sind die Reichen, die Erfolgreichen, die Jesus verbal an den Pranger stellt. An Ihnen versinnbildlicht er die Menschen, die nur an sich und den eigenen Vorteil denken und darüber ihre Mitmenschen vergessen. Doch so einfach ist es nicht. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, wir sind miteinander verbunden. Und so ist es aus christlicher Sicht falsch, bei der Wahlentscheidung nur auf den eigenen Nutzen zu achten. Viel wichtiger ist es, das Wohl der gesamten Gesellschaft ist in den Blick zu nehmen, hier im Besonderen die Arbeitslosen, die Bedürftigen, die Kranken, die Migrant/inn/en, die Menschen am Rand der Gesellschaft, die keine oder kaum eine Stimme haben. Es gibt einen Vers im Matthäusevangelium, der wie kein zweiter diese Ausrichtung auf den Nächsten auf den Punkt bringt:
Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Mt 25,40
Doch welche Partei weist uns in dieser von Spaltungen, kurzfristigen Interessen und Spannungen geprägten politischen Landschaft nun vermeintlich den Weg in eine bessere Gesellschaft? Von mir werden Sie keine einfache Antwort hören. Ich sehe mich hier eher auf der Seite der eingangs erwähnten Zweifler, zudem ist es nicht meine Aufgabe, noch Aufgabe der Kirche, für bestimmte Parteien zu werben. Doch können uns an dieser Stelle die Worte des Propheten Jeremia und des Apostels Paulus weiterhelfen.
Letzterer spricht in der heutigen Lesung aus dem Neuen Testament von der Auferstehung Christi. Dies soll kein Aufruf für eine neue Apokalyptik oder einen neuen Biedermeier sein, in der man sein Heil in der alleinigen Zuflucht bei Gott oder in der Abkehr von der Gesellschaft sucht. Nein, es ist das Bild der Auferstehung, das hier weiterhelfen kann. Sie ist ein Eckstein des christlichen Glaubens, ohne sie wäre unser Leben hoffnungs- und sinnlos. Der Tod ist nicht das Ende, es folgt etwas – ein neues Leben. Münzt man das Bild nun auf die Probleme unserer Zeit um, so stellt sich auch hier die Frage: Suche ich kurzfristige Lösungen und politische Programme? Oder sind es langfristige Werte, die auf das Wohl aller Menschen ausgerichtet sind? Höre ich mit dem Tod auf oder blicke ich in den Raum dahinter?
Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. 1 Kor 15,19
Es sind langfristigen Lösungen, die der christlichen Botschaft entsprechen und das Gemeinwohl fördern. Nicht die schnellen und einfachen Lösungen der Demagogen und Populisten, die nicht über den nächsten Horizont hinausblicken.
Ähnlich können wir auch das Gleichnis von den zwei Sträuchern bei Jeremia verstehen, das ebenfalls wie das Evangelium mit Seligpreisung und Weheruf arbeitet.
So spricht der HERR: Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt und dessen Herz sich abwendet vom HERRN. Er ist wie ein Strauch in der Steppe, der nie Regen kommen sieht; er wohnt auf heißem Wüstenboden, im Salzland, das unbewohnbar ist. Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen. Jer 17,5-8
Strauch und Baum des Gleichnisses sind je ein Bild für die unterschiedlichen Möglichkeiten, die uns offenliegen in der Gestaltung unserer Zeit. Nicht der Strauch ist das Bild für eine wünschenswerte Gesellschaft, die gedeiht und Frucht trägt. Es ist der Baum, der seine Lebenskraft aus dem Wasser der christlichen Werte bezieht und somit zum Sinnbild für eine erstrebenswerte Gesellschaft wird. Denn nicht nur wird diese gedeihen, sie hat sogar die Beständigkeit, sich politischer und anderer Krisen zu erwehren.
Die Seligpreisungen und Weherufe des heutigen Sonntags sind eine Mahnung an unsere christliche Verantwortung das Gute zu tun, für die Dinge im Reich Gottes, die von Wert sind: Liebe, Gerechtigkeit, Frieden und die Würde aller Menschen, denn:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. § 1, Abs. 1 GG
Es ist ein Aufruf zu Weitsicht und Verantwortung bei der Wahlentscheidung: Wohl und Wehe unserer Zeit liegen in unseren Händen!
Jan Wacker
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