Dies domini – 27. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Vor einigen Sonntagen wurde im Gottesdienst die Lesung vorgetragen, in der Paulus im Hebräerbrief die eigenartige These vertritt, Kindererziehung erfolge stets und zu Recht als Züchtigung, denn „wo ist ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?“ Der Prediger lässt den Text unerklärt so stehen und erweckte damit bei vielen Zuhörern ein ungutes Gefühl für die Zeit nach der Hl. Messe, wo man sich doch fragte, ob denn Kindesmisshandlung, wie wir heute wissen, nicht eine schlimme Verfehlung darstellt. Und die gehört zum Gottesbild?
Wenige Tage später machte dann die Erläuterung eines – dem Papst nahestehenden – Kardinals in den Medien Furore, der Homosexualität für ein Phänomen hielt, dass in Gottes Schöpfung gar nicht vorkomme, sondern lediglich durch z.B. traumatische Erlebnisse bedingt, eine Fehlentwicklung darstelle. Ein anderer Kardinal erläuterte später, auch ein Weiheamt für Frauen scheide ebenso aus wie eine Aufhebung des Zölibats, weil doch dies in der göttlichen Schöpfungsordnung so vorgesehen ist. Ebenso sei doch das Wort des Herrn selbst zu befolgen, wonach eine spätere Beziehung nach einer Ehescheidung stets und ausnahmslos schwer sündhaft sei, so dass ein Kommunionempfang insoweit ausscheide. Bei so viel Wissen um die Pläne Gottes erscheint es manchem unbefangenen Beobachter gewagt, wenn ausgerechnet aus unserer Kirche der Ruf nach Aufklärung für andere Religionsgemeinschaften ertönt.
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Dies Domini – 25. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Zeit ist ein Phänomen des Lebens. Tote haben keine Zeit mehr. Sie brauchen keine Zeit mehr. Lebende hingegen unterliegen dem Paradox der Zeit, jenem Phänomen, das aus der unendlichen Fülle der Möglichkeiten doch nur je eine realisiert werden kann. Es ist der Schein, den Eltern manchmal ihren Schützlingen motivierend mit auf dem Weg geben, dass einem alle Möglichkeiten offen stünden, wenn man sich denn nur genügen anstrengen würde. Tatsächlich aber kann immer nur eine Möglichkeit Wirklichkeit werden. Die Entscheidung für diese Möglichkeit ist so irreversibel wie das Leben selbst. Sie ist getroffen und determiniert von nun an alle anderen Lebensentscheidungen und –varianten. Selbst wenn sich die zuerst ergriffene Variante als falsch herausstellt und selbst wenn ein Mensch den Mut besitzt, diese Sackgasse seines Lebens durch Umkehr zu verlassen – die ursprünglich getroffene Entscheidung ist geschehen und zum Fakt geworden. Und so begrenzt der Mensch in jeder Sekunde seines Lebens die unendliche Fülle der Möglichkeiten auf immer nur eine tatsächlich vollzogene, der er in seinem Leben im Gelingen wie im Nichtgelingen, im Guten wie im Schlechten Gestalt gibt.
Wahrlich: Die Zeit birgt in sich das Geheimnis des Lebens. Zeit ist Werden und Vergehen, Erstehen und Untergehen. Erst im Tod kommt die Zeit zu sich selbst, wird erfüllt in die Zeitlosigkeit hinein, in jene letzte Unumkehrbarkeit des Lebens, wenn alle Entscheidungen getroffen sind. Es ist jene Zeitlosigkeit, die die Zeit umfängt, in sich aufnimmt, erfüllt. Alles Seiende kommt letztlich aus der Zeitlosigkeit, nimmt Zeitgestalt an, wird, vergeht und übergibt sich wieder der Zeitlosigkeit. Niemand hat den Anfang gesehen, keiner wird das Ende schauen. Die Zeit ist ein vergängliches Phänomen.
Für den Menschen erscheint die Zeit selbst als Kontinuum. Sein Bewusstsein ist zeitbesessen. Er wird hineingeboren in eine zeitliche Realität, die vor ihm beginnt; und er schafft durch seine zeitliche Existenz Realitäten, die die ungefragten Voraussetzungen für später Geborene schaffen. Die Freiheit der zeitlichen Existenz wird auf diese Weise merkwürdig paradox determiniert. Des Menschen Freiheit ist nicht absolut, sondern zeitgebunden. Es sind die vorgefundenen Realitäten anderer und die selbsterschaffenen Realitäten, die – in steter Wechselwirkung miteinander verbunden – den Rahmen des Lebens schaffen, innerhalb derer sich der einzelne Mensch interaktiv verwirklicht.
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Dies Domini – 25. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Theologen können wunderbare Sätze bilden: „Gott liebt die Armen, er ist solidarisch mit den Schwachen.“ Das sind Sätze, die so schön anzuhören sind, dass man sie am liebsten einer wertvollen Keramik gleich in eine gut klimatisierte Vitrine stellen mag um sie immer wieder zu bestaunen. Nur berühren darf man sie nicht, denn dann könnten sie Schaden nehmen wie antike Artefakte, die man gut konserviert in Staub und Schlamm und Schlick findet. Solange sie dort verborgen waren, überdauerten sie die Stürme der Zeiten erstaunlich unbeschadet. Den Alltagsschmutz des Lebens aber vertragen die schönen Altertümchen nicht. Man muss sie schnell wegschließen und bestaunen. Nur gucken ist erlaubt, anfassen auf keinen Fall!
Das Wort Gottes ist zwar Fleisch geworden, wie es im Johannesevangelium heißt, und hat sogar unter uns gewohnt (vgl. Johannes 1,14) – aber das scheint schon lange her zu sein. Der Gleichmut jedenfalls, mit dem das Wort Gottes nicht nur in den sonntäglichen Eucharistiefeiern gehört wird, lässt nicht darauf schließen, dass das alte Wort Gottes auch heute noch Gestalt annimmt in den Leserinnen und Hörern der Gegenwart. Man muss schon zugestehen: Es wird ob der ihm zugeschriebenen Heiligkeit verehrt – es ist immerhin das Wort Gottes. Aber genau das scheint gleichzeitig die Schwierigkeit zu sein. Die zugeschriebene Heiligkeit macht das Wort Gottes lebensfern. Es wird entrückt in die himmlischen Sphären. Niemandem fahren wirklich Schrecken noch Freude in die Glieder ob der Verheißungen, die dort vor Generationen zuerst von Mund zu Ohr und von Ohr zu Mund weitergegeben wurden bevor man sie aufschrieb und so in alle Ewigkeit fixierte. Ja, nach der Lesung verkünden Lektorinnen und Lektoren an vielen Orten: „Wort des lebendigen Gottes“. Aber hat das Wort Gottes auch die Hörerinnen und Leser berührt? Oder haben sie es nur dumpf durch das Panzerglas der Heiligkeit vernommen als etwas, das letztlich nicht mehr relevant ist, alt eben, vergangen, bestaunenswert, irgendwie auch schön, aber merkwürdig geistlich unlebendig?
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Dies Domini – 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Wer sich empört, hört meist nicht mehr zu. Die Gegenwart liefert genug Belege, dass es sich bei dieser These um mehr als um einen Erfahrungswert handelt. Den Kopf hochrot, der Kragen geschwollen, die Adern voller Adrenalin – da verkrampft das Trommelfell nur allzu schnell bei all dem Geschnatter und Getuschel das die vorgehaltenen Hände überwindet und zum Grundrauschen wird, dass jede Differenzierung in feine Töne als Zumutung erscheinen lässt. Die Emotion verdrängt dann nicht nur die Pflicht zur Information; sie stilisiert sich selbst als eigentliche Information. Die eingebildete Phantasie wird zur Ikone verklärt – und es gibt immer genügend Menschen, die sie verehren, weil endlich jemand ihre Neurosen ernst und dafür bare Münze nimmt. Die Unheilspropheten aller Zeiten sind Meister in der Schaffung solcher Wirklichkeiten, in denen selbst das Surreale und Irreale zu wirken beginnt und Gestalt annimmt. Die Angst alleine wird dann beschworen. Die Empörung regt sich, ohne das eine echte Alternative benannt wird. Selbst im Bereich derer, die sich auf vermeintlich christlich-sozialem Boden wähnen, ist das Gift blanker Empörung wirksam. Der böse Wolf ist und bleibt ein Phantom, das gerade diejenigen beißt, die fest an ihn glauben.
Sich zu empören, verhindert das hören – dieser Gegensatz steht auch am Beginn des Evangeliums vom 24. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C. Hören und Empören erscheinen auch dort als diametral entgegengesetzte Handlungen, die nicht nur einander auszuschließen scheinen; sie sind auch mit bestimmten Personengruppen verbunden. Auf der einen Seite stehen die Zöllner und Sünder, die extra zu Jesus kommen, um ihn zu hören; auf der anderen Seite die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich gerade darüber empören:
Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. (Lukas 15,2)
An diesem Setting scheint sich über Jahrhunderte hinweg nichts geändert zu haben. Die Arrivierten – oder zumindest diejenigen, die sich dafür halten – empören sich darüber, dass den Randständigen Aufmerksamkeit zuteil wird. Wem die Welt offen steht, bestimmen die Arrivierte immerhin noch selbst. Wo käme man da hin, wenn jeder auf die Welt auf die Idee käme, die offene Tür auch zu nutzen. Die Weltoffenheit der Empörten ist offenkundig eine Einbahnstraße, ein Boulevard der Adeligen, die die Welt als Museum nimmt, durch das man in verzückter Empörung über das ganze Elend schlendert ohne den Elenden Gehör zu schenken.
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Dies Domini – 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Ihre besten Jahre haben sie hingegeben. Sie haben sich um sie gekümmert, sie getröstet, Hausaufgaben mit ihnen gemacht. Sie haben nachts am Bett gewacht, wenn sie Fieber hatten, und in der Freizeit auf dem Sportplatz angefeuert. Sie waren stolz, wenn sie eine gute Leistung erbracht haben. Sie haben sie mit vielen kleinen und großen Sorgen ins Leben geführt. Als Mutter und als Vater haben sie sich über ihre Söhne und Töchter gesorgt. Die Natur hat das so vorgesehen, denn der Mensch braucht in seinen jungen Jahren einen besonderen Schutz. Jetzt aber, wo die Kinder flügge geworden sind, lange schon das Haus verlassen haben, möglicherweise in die Ferne gezogen sind und eine eigene Familie gegründet haben, jetzt ist die Einsamkeit manchmal groß. Auch das hat die Natur so vorgesehen, dass die Kinder gehen müssen, um selbst zu werden, wozu sie bestimmt sind. Und doch ist die Einsamkeit oft hart, das Warten auf den Anruf will kein Ende nehmen und der lang ersehnte, viel zu seltene Besuch ist doch viel zu kurz. Müssten die Kinder nicht viel dankbarer sein, wo man doch seine eigenen besten Jahre in sie investiert hat?
In diese Klage bricht jäh das Evangelium vom 23. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C hinein:
Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben geringachtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. (Lukas 14,26)
Das kann ja wohl nicht wahr sein, was Jesus da fordert! Das kann er doch nicht wirklich gesagt haben! Wo bleibt denn da die Verantwortung für die Familie? Und überhaupt: Ist das nicht alles sehr berechnend, was Jesus da fordert? Geht es da um Investment für die Ewigkeit? Vollständiger Verzicht hier, vollkommener Gewinn dort?
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Dies Domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Das heutige Evangelium stellt uns vor eine große Herausforderung. Es wird davon berichtet, wie Jesus zum Gastmahl im Haus eines Pharisäers eingeladen ist und Regeln aufstellt – für das Verhalten als Gast ebenso wie als Gastgeber.
Jeder, der schon einmal beispielsweise eine Hochzeitsfeier vorbereitet hat, kennt unter anderem diese beiden großen Themen: wen lade ich ein und wo setze ich wen hin.
Um genau diese beiden Punkte geht es auch im Evangelium. Aber – die Empfehlung Jesu ist unbequem! Man soll nämlich nicht die Menschen einladen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie in gleichem Umfang auch eine Einladung an uns aussprechen werden, sondern:
„Arme, Krüppel, Lahme und Blinde“ (Lk 14, 13).
Nicht die Verwandten, nicht die Freunde, sondern, die, die in der Gesellschaft oft durch das soziale Netz hindurch fallen.
Ist das nicht etwas viel erwartet? Möchte man nicht die Menschen, mit denen man seinen Alltag teilt, auch an den Festtagen dabei haben?
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Dies Domini – 21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Das Zeitalter der Verschleierung werden die Historiker der Zukunft die Zeiten der Gegenwart rückblickend wohl nennen. Verschleiert sind Blick und Verstand von einer diffusen Hysterie, die dem Verständigen schleierhaft erscheint. Selbst manch ein hartgesottener Humanist, der sonst beim leisesten Hauch von Religion bereit ist, die Masken fallen zu lassen, beruft sich jetzt gerne auf die christlichen Wurzeln des Abendlands: Die Burka gehört nicht nach Deutschland.
Unabhängig von der Notwendigkeit einer kritischen Diskussion, was denn die Burka überhaupt bedeutet, ob sie überhaupt religiös begründbar ist und was hinter ihr für ein Frauenbild steckt, das zweifelsohne nicht mit den hart errungenen und keinesfalls von sich aus selbstverständlichen Werten des Abendlandes kompatibel ist, wird die Forderung eines Burkaverbotes zum Kollektivsymbol, hinterm man sich nun mutig verschanzen kann. Da hilft auch nicht der an den gesunden Menschenverstand appellierende Hinweis, dass es in Deutschland so gut wie keine Burkaträgerinnen gibt und man eine Fata Morgana bekämpft: Die edlen Ritter, die in der Neuzeit die Nachfolge von Don Quichotte angetreten haben, lieben immer noch die heiße Luft, die die Gerüchtemühlen ohne Unterlass erzeugen. Ihre wahre Unkenntnis offenbarend wird da manches durcheinandergeworfen. Ganzkörperbadanzüge – die sogenannten Burkinis – sollen gleich mit verboten werden, womit am Badestrand Frauen quasi genötigt werden, endlich einmal Haut zu zeigen. Und auch juristisch dürfte ein Burkaverbot schwer durchzusetzen sein. Man müsste ja genau definieren, welche Art von Kleidung verboten ist. Von einem Verschleierungsverbot wären sonst in der Tat – wie es der nordrhein-westfälische Innenminister mutmaßt – auch Nikolauskostüme und manche karnevalistische Verkleidung betroffen. Eine engere Definition, welche Art von Verhüllung denn nun von einem Burkaverbot betroffen ist, eröffnet hingegen unmittelbare Weg, das Verbot zu unterlaufen. Kleinere Veränderungen am textilen Gewebe – und die Burka wäre keine Burka mehr im Sinne des Gesetzes.
Man kann es also drehen und wenden wie man will: Die gegenwertige Diskussion wird nicht mehr von einer Vernunft und Verstand geleitet, sondern von einer Rhetorik des Heulens und Zähneknirschens. Das Abendland steht offenkundig an eben jenem intellektuellen Scheideweg, an dem auch die Festgäste aus dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl im Matthäusevangelium stehen (vgl. Matthäus 22,1-14): Unverhofft und unerwartet werden sie aus dem Alltag heraus zu königlichen Hochzeitsmahl geladen. Als der König den Hochzeitssaal betritt, sieht er einen, der kein Hochzeitsgewand anhat. Offenkundig hatten also alle anderen trotz der alltäglichen Einladungssituation trotzdem festlich gewandet; sie waren bereit und vorbereitet gewesen für das Unerwartbare. Der eine aber wird vom König zur Rede gestellt, kann aber noch nicht einmal einen Grund dafür angeben, warum er kein Hochzeitsgewand hat.
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Dies Domini – 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Als der bekannte Fundamentaltheologe Eugen Biser am 25. März 2014 in München nach seinem 96. Geburtstag starb, hatte er sich in seiner unermüdlichen schriftstellerischen Arbeit nicht nur einen Platz unter den bedeutendsten Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts gesichert, sondern in unzähligen Vorträgen, Gesprächen und Kontakten vor einem politisch und zeithistorisch oft bedeutenden Auditorium immer wieder einen Bogen zwischen der Geschichte der Menschen und der „Gottesgeschichte“ geschlagen, den gerissenen „Transmissionsriemen“ zwischen Gesellschaft und Kirche zu flicken gesucht. Der Historiker Michael Wolffsohn nannte diesen Bogen einmal u.a. in einem Fokusartikel vom 8. November 2014 einen Biser-Ben-Chorin-Bogen:
„Der gedankliche Bogen reicht von Biser zu Ben-Chorin, vom tiefgläubigen Christen zum tiefgläubigen Juden, von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk. Wie jeder Bogen ist auch dieser bedeutungsschwanger. Jeder Bogen reicht von A zu B. … Die Bibel ist kein Buch der Geschichte. Sie verpackt Ur-Botschaften des menschlichen Seins in Geschichten. Durch Geschichten versucht sie, den Sinn der Menschheitsgeschichte allgemeingültig und zeitlos zu erklären.“
Diese Beziehung zwischen der Welt und dem transzendenten Gott, der doch auch der Gott mit uns sein will, eben der „Ich bin da“-Gott, ist Grundlage der Lesung aus Jesaja in den heutigen Schriftlesungen:
Denn so spricht der Herr: Wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr, Jerusalem. Da jubelt der Prophet über das Wohlergehen der Stadt Jerusalem (Jes 66,12).
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Dies Domini – 13. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Es sind die Töne zwischen den Pausen, die Musik entstehen lassen. Aus dem Weißrauschen der Stille erstehen sie – ein Geräusch, das zum Klang wird und im Wechselspiel von Harmonie und Dissonanz jene eigentümliche Macht entfaltet, die den Menschen im Innersten zu treffen im Stande ist. Musik lebt von der Spannung zwischen Ruhe und Klang, von Tempo und Rhythmus, von Kopf und Geist und Seele und Leib. Gerade die die Harmonie störende Dissonanz in Klang und Rhythmus verleiht der Musik jene Spannung, die sie lebendig werden lässt. Eine unabänderliche stehende Harmonie ist nicht nur todlangweilig, sie ist auch keine Musik mehr, weil ihr die Veränderung fehlt. Der eingefrorene Klang gleicht einem Fossil, das bestenfalls Zeugnis von einem lebendigen Wesen gibt, aus Fleisch aber zu Stein geworden ist.
Die zu Stein gewordenen Glaubenszeugnisse der Kirche bezeugen in ähnlicher Weise eine ehemals glaubenslebendige Vergangenheit. Die Kathedralen dieser Welt lassen erahnen, aus welcher transzendentalen Überzeugung ihre Baumeister gehandelt haben – weit entfernt von den technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit. Ihr Tun hatte eine Perspektive, die oft weit über die eigene Generation hinausreichte. Das waren wahrhaftig Projekte, die auf die Ewigkeit ausgerichtet waren. Wohl nur mehr als selten dürften diejenigen, die den Grundstein für eine Kathedrale gelegt hatten auch den Schlussstein eingesetzt haben. Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen darüber. Und doch bezeugte jede Generation, dass sie auf eine je eigene Weise an der Kirche weiterbaute. Die Kathedralen als Stein gewordene Glaubenszeugnisse lassen diese Lebendigkeit der Tradition, der Weitergabe der Botschaft in Wort und Tat noch heute erahnen. Sie gleichen grandiosen Resonanzkörpern, die den Klang der Ewigkeit erahnen lassen – ein Klang, der in der Dissonanz zwischen Zeit und Ewigkeit eine Spannung aufbaut, die in den großen Zeiten der Theologie die hellsten Köpfe und Geister anspornte, dem Urgrund allen Seins immer wieder neu auf die Spur zu kommen.
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Dies Domini – 12. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Der Blick in die Welt ist immer parteiisch. Der Mensch kann nicht anders. Er ist verdammt dazu, die Welt um sich herum von seinem eigenen Standpunkt aus zu betrachten. Er ist immer der Mittelpunkt seines eigenen selbstgemachten Weltbildes. Die Verführung der solipsistischen Verabsolutierung der eigenen Sichtweise ist groß; jede andere Wahrnehmung könnte die eigene Definition der Wahrheit in Frage stellen. So schafft der Mensch sich eigene Räume, in denen der Horizont auf das eigene Sichere Unhinterfragbare verengt wird. Einer Makuladegeneration gleich wird so aber auch der Blick auf die Umwelt zunehmend verengt, bis man schließlich den selbstgestalteten Raum für das Eigentlich hält. Was wahr ist, ist dann schon längst keine Frage eines annähernd objektiven Diskurses mehr. Wahr ist das, was der Einzelne für wahr halten möchte. Wahrheit ist keine Herausforderung mehr, sondern ein wohliges Befinden in dem, was man sich als schön zurechtgemacht hat. Nichts darf darin stören. Nichts darf in Frage stellen. Der Zweifel, jener Freund der Wahrheit, der zur Selbstvergewisserung drängend penetrant zur tieferen Erforschung ihrer selbst antreibt, wird im psychedelischen Schein bunter Lampen und leicht wabernder Tücher in pastellenen Farben erstickt. Es ist kein Wunder, dass die behauptete Schönheit längst an die Stelle errungener Wahrheit getreten ist.
Auch die Kirche ist von dieser sich epidemisch verbreitenden Haltung nicht verschont geblieben. Wo einst die Nachfolgerinnen und Nachfolger des vom Kreuzestod Auferstandenen zu Apologeten heranreiften, die sich in hartem Ringen und klarer Sprache mit den Strömungen ihrer Zeit auseinandersetzen, sich verteidigen mussten und gerade darin Profil und Haltung gewannen, wird das harte Licht heute gedimmt bis die Augen vom Spiel der LED-erzeugten Farbenspiele irritiert nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden können. „Räume der Stille“ nennt man sie nicht selten, diese Ausgeburten einer spirituellen Autosuggestion, die Gott zwingen möchte, sich in der Lautlosigkeit zu Wort zu melden – aber bitte nicht zu laut, weil die Stille sonst ja nicht mehr still wäre. Ob Gott wirklich so still sein kann, wie es der selbstverliebte Mensch gerne hätte – jener Gott, von dem es in der Heiligen Schrift heißt:
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