Dies Domini – Palmsonntag, Lesejahr B
Plärrend laut ist das Gekreisch der Ereignisdeuter in diesen Tagen. Man kann sich der Kakophonie selbsternannter Experten kaum entziehen. Man weiß auch Tage nach der Katastrophe des Absturzes einer Germanwings-Maschine in den französischen Alpen nur wenig. 150 Menschen sind ums Leben gekommen. Der Pilot hat kurz das Cockpit verlassen und konnte nicht zurückkehren, weil die Tür verschlossen blieb. Viele der Toten kommen aus Deutschland, 18 Verstorbene werden alleine in der kleinen westfälischen Stadt Haltern betrauert – eine halbe Schulklasse wurde hier aus dem Leben gerissen. Auch nach zahlreichen ARD-Brennpunkten und ZDF-Spezialsendungen, Interviews mit sogenannten Experten in Radio und Presse weiß man immer noch nicht mehr. Und doch schwillt das Stimmengewirr immer wieder an. Jede noch so kleine Mitteilung wird – ungeachtet ihres Wahrheitsgehaltes – zum Anlass für neue Spekulationen. Es scheint fast so, als seien manche Nachrichtenmacher von heute mehr Spekulanten als Informanten. Emotion scheint vor Information zu gehen. Betroffenheit sells! Und um die Wahrheit ist es geschehen.
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Dies Domini – Fünfter Fastensonntag, Lesejahr B
Im heutigen Sonntagsevangelium spricht der Herr den großen Satz:
„Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,23)
Welcher Anspruch spricht aus diesem Wort. Der so schmählich gescheiterte Christus, verspottet, verlassen und ermordet – von Gott im Stich gelassen, der will alle an sich ziehen? Also nicht der nachösterliche, auferstandene und verherrlichte Gottessohn, sondern gerade das Gegenteil, der machtlose Leidensknecht? Hier verdeutlicht Johannes mit einem mythologischen Bild das Untere als den Ort des Herrschers der Welt, des Bösen, der aber schon gerichtet ist, weil Christus alle an sich, an sein Kreuz und weiter in sein Heil und seine Gottesherrschaft zieht. An die Stelle der versklavenden Herrschaft des Bösen ist die befreiende Herrschaft Christi getreten (Joachim Gnilka). Und hier liegt der Kern auch für unser heutiges Verständnis: nicht Macht und Sklaverei, sondern Freiheit und Liebe werden das letzte Wort behalten und gerade in seiner vollkommenen äußeren Machtlosigkeit verkörpert sich die umfassende Herrschaft des Gottesreiches: nicht durch Unterdrückung, durch Gebote und Gewalt, sondern durch Hinwendung und liebevolles „Ansichziehen“.
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Dies Domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr B
Der digitale Stammtisch der sozialen Netzwerke ist nicht der beste Ort, um das Innerste der eigenen Seele zu offenbaren. Die Vertrautheit der kleinen Stammtischwelt barg früher immerhin die Chance, dass sich manche nebulöse Halbwahrheit und vorschnelle Parole im bierseligen Dunst verflüchtigte und das Tageslicht erst gar nicht erblickte. Der Raum war oft so klein wie die Gedanken, die darin geäußert wurden und sie blieben dort, schadeten meistens niemandem und hatten im besten Fall einen gewissen Unterhaltungswert, wenn sich die Stammtischbrüder und -schwestern in ihren eigenen Vorurteilen bestätigt selbstgenügsam auf die Schenkel klopfen konnten. Auch eine Gemeinschaft kleiner Geister stärkt das eigene Gemüt. Und im Alltag am nächsten Morgen konnte man unbelastet und höflich ans Tagewerk gehen. Die Spielregeln waren klar, die Münder wie die Herzen offen und die Gedanken frei wie sonst nur selten im Leben. Selbst der krudeste Blödsinn und das vernunftbefreite Vorurteil konnten hier straflos geäußert werden. Die Stammtische der Vergangenheit säuberten die Seelen, sie waren eine Katharsis der Gesellschaft, die so ihren Seelendreck geschützt entsorgen konnte. Der alte Stammtisch war ein Schutzbezirk, der die, die sich um ihn versammelten bisweilen auch vor sich selbst schützte.
Die Welt hat sich weitergedreht, Wissen und Technik sind fortgeschritten – nur der Mensch ist geblieben, was er ist: Ein Wesen voller Vorbehalte und Ängste, die ihn umtreiben und antreiben, die ihm die Ruhe rauben, weil das Leben das ist, was es ist: unsicher. Die Gefahren lauern überall, und vor allem das Fremde ist gefährlich. Unstet treibt es ihn durch die Welt. Sein Innerstes drängt ihn. Allein ihm fehlt ein Ziel, denn die alte Stammtischrunde gibt es nicht mehr. Die rituelle Katharsis des großen Jammerns und Zeterns, der gegenseitigen Selbstvergewisserung und -bestätigung bleibt aus. Dem eichentischernen Schutz beraubt, irren viele nun unbehaust und angstbesetzt durch die Welt. Was raus muss, muss aber raus – sonst zerreißt es den Menschen. Und so findet so mancher Erlösung in den Discus-Foren, Kommentarspalten und Social-Media-Postings der digitalen Welt.
Freilich hat das Internet wenig gemein mit der Vertrautheit der Eckkneipe. Es ist kein geschützter Raum, es ist ein Marktplatz, eine Agora, auf der man seine Botschaften hinausposaunt. Wie in Marmor gemeißelt bleiben sie nun in der Welt und wird wie digitaler Fliegendreck noch in Generationen Zeugnis von einer Diskussionskultur ablegen, in der das Reden das Hören besiegte. Hatern, Trollen und anderen Agitatoren geht es dabei wohl weniger um Sinn, Verstand und Wahrheit. Es werden meist auch keine Argumente benannt. Die Emotion siegt über die Vernunft. Die innere Zerrissenheit braucht ein Ventil. In Ermangelung eines echten Gegenübers, das als Faktum in sich bereits widerständig ist, geht die Aggression ins Leere. Es fehlt die Grenze. Die Katharsis bleibt aus – und so steigert sich manche hashtag-stimulierte Hysterie zu einem Shitstorm im Second Life, die den armen Tropf im First Life, dem wahren Leben nicht nur hilflos und einsam zurücklässt. Weil er sich außerdem auf dem virtuellen Marktplatz echauffiert hat, haben auch alle mitbekommen, wie er denkt. Die Gedanken sind heutzutage nicht mehr frei, sie sind nackt – mit unabsehbaren Konsequenzen. Oh Mensch, würdest du doch wieder dichten und denken, statt in der Timeline des Second Screen eine Welt zu kommentieren, die du doch gar nicht erleben und verstehen kannst, weil du zwischen dich und sie irgendwas mit Medien geschoben hast. Zur Aufrichtigkeit warst du gerufen, der jetzt mit technikinduziertem Nackenschmerz den Kotau vor einem Artefakt des sogenannten Fortschritts macht.
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Dies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr B
Geld und Kirche – das ist für viele offenkundig ein Widerspruch in sich. In den Köpfen ist ein mächtiges Bild wirksam: Der besitzlose Gottessohn wandert heilend durch das Land und verkündet das Reich Gottes. Er segnet Kinder, erzählt schöne Gleichnisse und wendet sich den Armen zu, denen er, weil er ja selbst besitzlos ist, auch nicht wirklich helfen kann. Dieser Jesus, dessen Schattenbild die Köpfe nicht nur der Frommen besetzt, ist ein eher harmloser Zeitgenosse, so dass rasch die Frage entsteht, warum denn ein so guter Mensch am Kreuz endet. „Wegen der bösen Menschen, die sich über das Gute des guten Menschen ärgern“ – so lautet dann die einfache und ein wenig infantil-naive Antwort, die man immer wieder hört, angefangen vom Religionsunterricht bis zu den Katechesen in Familiengottesdiensten.
Dass das irgendwie unlogisch ist, scheint wenig zu stören. Wer angesichts soviel böswilliger Abwehr des Guten selbst gut sein möchte, muss da schon ziemlich dumm sein. Vielleicht liegt hier der Grund, warum sich das christliche Abendland zu einer veritablen Ellenbogengesellschaft gewandelt hat. Die Verharmlosung Jesu und sein brutales Todesschicksal am Kreuz sind ein guter Nährboden für die Entwicklung von Selbsterhaltungsstrategien: Wenn das harmlos Gute zum Tod führt, dann bedarf das Leben offenkundig anderer Wege …
Selbstgemalte Bilder liegen dem Urheber erfahrungsgemäß fest am Herzen. Sie sind dem eigenen Können entsprungen. Jeder kennt die Schmach, wenn das eigene Werk der kritischen Betrachtung nicht standhält. Der liebe Jesus, der den vielen in vielen Andachtsbildern vor Augen gehalten und von dort in Hirn und Herz getreten ist, ist allerdings nicht der Jesus der Bibel. Aber wer möchte sich das eigene Bild vom fleischgewordenen Wort Gottes durch das Wort Gottes schon korrigieren lassen. Es könnte sich ja möglicherweise herausstellen, dass dieser Jesus gar nicht so naiv-lieb war, wie man ihn gerne hätte. Und wenn er nicht so naiv-lieb war, dann könnte das auch Folgen für die haben, die sich in seiner Nachfolge wähnen …
Man weiß nicht viel über diesen Jesus von Nazareth. Und das Wenige, was man weiß, steht im Neuen Testament. Und manche Frage, die man heute – nicht selten auch polemisch – an die Nachfolger Jesu stellt, beantwortet sich schnell, wenn man weniger vagen Gerüchten, der Oberflächlichkeit des Hören-Sagens oder den eigenen Phantasiewünschen folgte, sondern einfach einen konkreten Blick in die verschriftlichte Überlieferung des Wortes Gottes schauen würde. Und da kommt Erstaunliches zutage.
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Dies Domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr B
Ausgezogen – so fühlt sich mancher, der sich in der Hoffnung auf einen schnellen Gewinn auf einen Hütchenspieler eingelassen hat. Geködert durch zwei, drei rasche Gewinne wähnte er sich schon auf dem Gipfel des Glücks. In der suggerierten Gewissheit der eigenen schnellen Auffassungsgabe wird der Einsatz immer höher. Die Versuchung, den ganz großen Gewinn für sich alleine einzuheimsen, trübt aber schließlich die Wahrnehmung und führt zum Absturz. Die Hütchen sind leer und der Hütchenspieler hat nicht nur die Kugel verborgen in der Hand, sondern auch den Willen des so Betrogenen. Wenn die Emotion über die Information siegt, bleibt eben nicht nur der Verstand auf der Strecke; auch das wohlige Gefühl des Sieges weicht der schrecklich kalten Leere des Verlustes.
Geiz und Gier sind mächtige Triebe der menschlichen Existenz. Sie sichern auf ihre Weise das Überleben. Der Mensch neigt von Natur aus nicht zur Opferbereitschaft. Eigensicherung geht vor. Das ist nur zu verständlich. Das kollektive wie das individuelle Bewusstsein aber neigt zu nackter Existenzangst. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Zu haben ist besser als zu hoffen. Und die Bitte um das heutige Brot (vgl. Matthäus 6,11) wird schon in der Bibel selbst zu einer Bitte um das tägliche Brot (vgl. Lukas 11,). Und weil sicher sicher ist, lohnt es sich auf jeden Fall zu beten:
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Das Gefühl des Außergewöhnlichen stellt sich bei soviel Sicherheitsstreben üblicherweise nicht ein. Die Erkenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit lastet schwer auf dem Menschen, der doch die Krone der Schöpfung sein möchte. Einmal Sieger sein, einmal über den anderen stehen, einmal auserwählt sein, einmal das Gefühl des Gipfelstürmers erleben – das ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis.
Die Sucht nach dem Auserwähltsein treibt nicht nur in der Welt ihre eigenen Blüten. Castingshows leben von den Süchtigen, die sich dann meist zum Zwecke der Unterhaltung der Massen vor laufender Kamera selbst entwürdigen. Auch in der Kirche kann man das Streben nach Besonderheit entdecken. Wer einigermaßen glaubhaft machen kann, den Ruf Gottes persönlich vernommen zu haben, darf sich der Bewunderung derer sicher sein, die sich nach einer solchen Anrufung sehnen. Dass auch sie längst gerufen wurden, spielt dabei keine Rolle. Denn der Ruf Gottes gilt jedem, den er, indem er seinen Lebensatem einhaucht, ins Leben gerufen hat. Das aber ist so selbstverständlich, dass es schon das Besondere braucht, das Außergewöhnliche, eine besondere Berufung, eine besondere Christusbeziehung – wobei meist ungeklärt bleibt, welchem Christus die Beziehung gilt: dem historischen, dem verkündeten oder dem, den man gerne hätte.
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Dies Domini – Erster Fastensonntag, Lesejahr B
Der Fluch der Freiheit lastet schwer auf dem Menschen. Zur Freiheit ist er geboren. Die Aufgabe der Freiheit ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht. Nicht wenige schaffen sich die Illusion einer absoluten Freiheit, des Tun-und-Lassen-Könnens nach eigenem Gusto. Dabei sind der Freiheit natürliche Grenzen gesetzt. Das Phänomen der Zeit alleine begrenzt das menschliche Streben nach absoluter Freiheit. Wenn überhaupt, dann ist ein Mensch nur bei seiner ersten Entscheidung absolut frei. Mit dieser Entscheidung aber setzt er einen irreversiblen Akt, zumal dann, wenn diese freiheitliche Entscheidung auch in eine Tat umgesetzt wird. Aber sowohl der bloße Gedanke wie auch die ausgeführte Tat setzen ein Faktum in die Welt, eine Tatsache, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die fortlaufende Zeit verhindert eine Rückkehr zum Status ante quo. Man kann weder den gedachten Gedanken noch die ausgeführte Tat rückgängig machen. Sie sind geschehen. Man kann sie korrigieren, wiedergutmachen, ausnutzen, weiterverfolgen – aber ungeschehen machen kann man sie nicht. Der fortschreitende Lauf der Zeit verhindert das. Jede freiheitliche Entscheidung zeitigt so unmittelbar Konsequenzen, die den Rahmen für alle folgenden Entscheidungen bilden. Jede folgende Entscheidung ist nie mehr absolut frei, sondern beeinflusst vor den vorhergehenden Entscheidungen. Und das ist allein die Betrachtung aus der Perspektive des Individuums. Nimmt man die soziale Dimension des Menschsein hinzu, dann wird das Streben nach Freiheit noch weiter eingegrenzt. Denn jede individuelle Entscheidung hat ihre mehr oder weniger großen Auswirkungen auf die Entscheidungen anderer Individuen.
Die Freiheit ist ein wahrhaft hohes Gut. Sie ist kostbar, gerade weil sie begrenzt ist. Freiheit ist nicht unbegrenzt verfügbar. Ein Mensch, der sich absolut frei im Sinne einer „Freiheit von Zwängen“ wähnt, erliegt deshalb einer Illusion. Gerade weil die eigenen freiheitlichen Entscheidung korrelierend auf die freiheitlichen Entscheidungen anderer einwirken, kann Freiheit eigentlich nicht im Sinn einer „Freiheit von“ verstanden werden. Die Freiheit als kostbares Gut gedeiht nur auf einem Boden, der mit Verantwortung gedüngt ist. Wahre Freiheit setzt die Übernahme von Verantwortung voraus.
Eine Freiheit ohne vorausgehendes Verantwortungsbewusstsein trägt den Keim der Vernichtung in sich. Der Einzelne setzt sich selbst ohne Verantwortung den Mitmenschen gegenüber absolut. Er ist keinem Rechenschaft mehr schuldig, keinem Menschen, keinem Gegenüber, Gott schon gar nicht. Das Böse, die die Ordnung der Welt zerstörende Kraft gewinnt dann die Oberhand. In der Bibel wird diese Macht auch als שָׂטָן (hebräisch: Satan) bezeichnet. שָׂטָן/Satan bedeutet übersetzt „Gegner“. Der Begriff bezeichnet eine dem Willen Gottes gegenläufige Macht, die die Ordnung der Welt durcheinander bringt. Sie ist wahrhaft diabolisch (vom griechischen διάβολος – sprich: diábolos – wörtlich: der Durcheinanderbringer).
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Dies Domini – 6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Jedem Geheimnis wohnt ein Zauber inne, eine Magie, dessen Energie manchen Geheimnisträger so mitreißt, dass der Mund überfließt, wovon das Herz voll ist. Manche Nachricht verbreitet sich um so schneller, je höher man sie zum Geheimnis stilisiert. Auch Kirche und Politik sind nicht vor der Macht des Geheimnisses gefeit. Und selbst da wo ein Geheimnis tatsächlich geheim bleibt, breiten sich die Gerüchte aus. Die stets gut informierten Kreise zeigen dabei stets aufs Neue, dass Narziss stärker ist als Sokrates: Obwohl sie wissen, dass sie nichts wissen, siegt das Bedürfnis der Selbstdarstellung über das Eingeständnis, eigentlich nicht zum Kreis der auserwählten Entscheidungsträger zu gehören. Und so wähnt sich mancher berufen, bei anstehenden Personalentscheidungen, aus ausgeworfenen Brocken einen Brei angeblich hochbrisanter Interna zusammen zu brauen, der im Innersten immer noch das ist, was er war: Erbrochenes Nichtwissen.
Der geradezu mythische Prototyp dieser Spezies ist Ernie aus der Sesamstraße. Kaum vertraut man ihm ein Geheimnis an, muss er es laut hinausposaunen. Ernie ist der Schutzpatron aller Gerüchteverbreiter und Geheimnisverräter, die nur deshalb vor Verfolgung geschützt sind, weil sie das eigentliche Geheimnis gar nicht kannten. Die Erniesierung von Kirche und Politik selbst allerdings ist mächtig. Noch heute behaupten manche Journalisten standhaft, sie hätten Kenntnis über die Liste der Kandidaten, die für die letzte Wahl zum Kölner Erzbischof in Frage kamen. Man muss sich das klar machen. Die Liste ist nur den Mitgliedern des Domkapitels bekannt, die zum strengsten Schweigen verpflichtet sind. Entweder ist also Ernie Mitglied des Kölner Domkapitels oder einer der Herren ist eidbrüchig geworden, was ihn für das vertrauensvolle Amt sofort diskreditieren würde. Wie könnte man da noch zusammenarbeiten?
Die menschliche Lust am Geheimnis bleibt aber ungebrochen. Wonne- und lustvoll werden hinter vorgehaltener Hand die neuesten Nichtigkeiten ausgetauscht, denn wer eine Geheimnis hat, gehört doch dazu. Wen interessiert es da schon, ob das Geheimnis überhaupt wahr ist. Wen interessiert schon die Wahrheit, wenn man einen interessante Neuigkeit hat?
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Dies Domini – 5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Der Mensch ist seinem inneren Wesen nach ein unsteter Wanderer. Sein Habitus ist auf Bewegung ausgelegt. Die frühen Menschen waren Nomaden, die den Herden nachzogen und so von Afrika aus über die Levante nach Europa und Asien, schließlich über die in der Frühzeit vorhandenen Landbrücken auch nach Amerika gelangten. Fünf Kilometer, so haben Forscher herausgefunden, wanderte jede Generation im Schnitt weiter und nahm so den Planeten langsam aber sicher in Besitz.
Das stete Fortschreiten war überlebensnotwendig. Veränderungen des Klimas, der daraus resultierende Wandel der Landschaften und die Auswirkungen auf die Ernährung machten den Menschen zu einem gehenden Wesen. Stillstand konnte den Verlust der existentiellen Grundlagen bedeuten. Jäger und Sammler können nicht bleiben. Sie müssen weiterziehen, weitergehen, weitersuchen. Die damit verbundene Anpassungsfähigkeit hat dem Menschen schließlich das Überleben gesichert.
Der Mensch ist nicht von sich aus sesshaft geworden. Es war die Verknappung von jagbarem Wild, dass eine Neuorientierung notwendig machte. Das Entstehen der Landwirtschaft vor rund 17.000 Jahren diente vor allem der Sicherung der Nahrungsgrundlage. Acker- und Viehwirtschaft entstanden, der Mensch wurde von einem naturverbundenen zu einem kulturschaffenden Wesen. Er begann, die Natur zu gestalten und in sie einzugreifen. Wälder wurden in Acker- und Viehland umgewandelt. Das mittelfristige Verschwinden der Wälder und die landwirtschaftliche Nutzung der Böden führte zu deren Erosion. Und wieder musste der Mensch weiterziehen, in Bewegung bleiben, nach neuen Möglichkeiten des Lebens suchen.
Der Mensch kann nicht still stehen; er darf nicht still stehen. Der Mensch ist ein bewegter Beweger. Er verändert die Welt in dem er auf die Veränderungen der Welt reagiert. Welt und Mensch interagieren. So entsteht Geschichte. Nicht selten erliegt der Mensch dabei der Illusion, er könne den Lauf der Dinge beeinflussen. Tatsächlich ist er den Mächten der Natur heute so ausgesetzt wie zu allen Zeiten. Wer da stehen bleibt, kommt tatsächlich nicht mehr mit – und muss nicht selten für die auf Illusion gebaute Bequemlichkeit einen hohen Preis zahlen. So manches Reich, das sich dekadent im Glanz einer untergegangenen Vergangenheit sonnte, wurde von wandernden Völkern, die auf der Suche nach einer neuen Existenz waren, überrollt. Rom, das ewige Rom, kann davon wahrlich ein Lied singen.
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Dies Domini – 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Wer sich dieser Tage in den Leserbriefspalten unserer Zeitungen umtut, findet sehr häufig teils umfangreiche Auseinandersetzungen mit religiösen Themen, vor allem mit dem Wahrheitsanspruch der Religionen. Was soll man als Christ auch machen, schließlich waren die Menschen schon ganz am Anfang des Neuen Testaments sehr betroffen von der Lehre Jesu, denn
„er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ (Mk 1,22)
Oft erheben wir diesen Wahrheitsanspruch nicht mehr sehr deutlich. Aber mit diesem Wahrheitsanspruch sind wir bei den andern oft massiv konfrontiert: den Moslems wie den Hindus und allen anderen Religionen, bis hin zum religiös motivierten Kampf gegen die Ungläubigen.
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Dies Domini – 3. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
In den Zeiten sozialpädagogischer Ganztagsbetreuung gerät langsam aber sicher in Vergessenheit, was man früher en passant erlernte: das eigene Selbst, das sich in im Spiel mit anderen maß und im Austeilen und Einstecken entdeckte, die eigenen Grenzen kennen lernte und so seinen Platz in der Gemeinschaft fand. Das war nicht immer einfach. Vor allem die Niederlagen schmerzten, waren aber auch eine Lehre. Das Selbstbewusstsein konnte wachsen in diesen Niederlagen. Es entwickelte sich auch eine Frustrationstoleranz, die einen später davor bewahrte, bei kleinen Schwierigkeiten vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen. Wie in allen Gruppen gab es auch damals schon diejenigen, die am Rand der Gruppe standen. Hänseleien und Mobbing sind sicher keine Erfindungen der Neuzeit. Die Welt der Erwachsenen aber ließ das Spiel auf dem Platz des Lebens meist gewähren und schritt nur dann ein, wenn die Grenzen von Respekt und Anstand vor allem den Schwachen gegenüber überschritten wurden. Man lernte noch, dass man Schwächere nicht übervorteilt. Man lernte vor allem aber auch, dass man Kontakt aufnehmen musste, wenn man dazu gehören wollte. Von selbst passierte eigentlich nichts. Das Kinderleben war durchaus ein Kampf, aber ein spielerischer. Im Sandkasten lernte man spielerisch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, mit Tränen und Lachen – und manche Schramme erinnert den Erwachsenen noch heute an diese Lehrzeit, die ihn an seinen heutigen Platz gebracht hat.
Der Spielplatz, das war ein Ort höchst lebendiger Kommunikation. Wer mit wem gerade was machte, musste immer wieder neu ausgehandelt werden. Und im Gewimmel der Kinderstimmen hörte man immer wieder, wie Mütter und Väter die Namen ihrer Kinder riefen. Meist ließ der Tonfall keinen Zweifel daran, dass er ernst gemeint war. Dem Ruf war Folge zu leisten. Der Tonfall alleine signalisierte schon: Komm! Sofort!
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