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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis/Weihetag der Lateranbasilika, Lesejahr A

Vorbei ist die Zeit, in der man Kathedralen baute. Gekommen ist die Zeit der Eigenheime. Gegangen ist die Zeit, in der Menschen nicht Kosten und Mühen scheuten, um dem Glauben an einen Gott, der den Himmel auf die Erde kommend verließ, in lichtdurchfluteten Hallen Gestalt zu geben. Genaht ist die Sehnsucht nach kuscheliger Gemütlichkeit. Gewichen ist die Generationen übergreifende Opferbereitschaft und Mühsal, die zu schier übermenschlicher Leistung anspornende Kraft eines Glaubens, der noch Jahrhunderte später mit seinen für eine erhoffte Ewigkeit steingewordenen Zeugnissen Staunen hervorruft; gewichen ist sie einer Berufung auf die eigene Glückseligkeit, die sich an der Illusion einer Berufung berauscht, deren Exklusivität sich in der Zugehörigkeit einer immer kleiner werdenden Herde erweist, die sich in frommem Selbstbetrug als heiliger Rest eines einstmals auserwählten Volkes verstehen möchte – und doch nicht kann. Denn die Angst dieser kleinen Herde erweist sich in der Abschottung einer Welt gegenüber, die voller Gefahren für das eigene kleine Glaubensleben ist. My home ist my castle – König ist im Käfig des selbstgebauten Eigenheims selbst der Fromme, der der Welt gegenüber die Rechenschaft für seinen Glauben schuldig bleiben muss; einen Glauben, der eben keine Kathedralen zu schaffen vermag.

Die Welt wartet nicht auf die Kirche – das ist die Erfahrung, die vor kurzem eine Delegation des Dekanates Paderborn bei einem Besuch der Katholischen Citykirche Wuppertal machte. Sie war mit auf die Straße gegangen, wie es üblich für die Katholische Citykirche Wuppertal ist. Wenn die Kirche auf die Straße geht und der Welt begegnet, vergegenwärtigt sie auch heute noch die Erfahrung, die im Johannesprolog fast lapidar zum Ausdruck gebracht wird:

Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Johannes 1,10f)

Wer sich in der Nachfolge Jesu, des fleischgewordenen Logos, in die Welt begibt, wird diese Erfahrung teilen. Wer die kuschelige Gemütlichkeit der Kirchenkreise mit gestalteter Mitte verlässt, um mitten unter die Menschen zu gehen, der macht diese urtypische Erfahrung des Logos neu: Die Welt wartet nicht auf die Jüngerinnen und Jünger des Auferstandenen.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 31. Sonntag im Jahreskeis/Allerseelen, Lesejahr A

Es scheint so, als wohne dem Universum eine tiefgehende Sehnsucht nach dem Leben inne. Der Drang nach Leben gewinnt überall dort die Oberhand, wo sich nur die geringsten Möglichkeiten dazu bieten. Jede noch so kleine Ritze im Asphalt wird nach kurzem mit Leben gefüllt. Und jeder Hobbygärtner weiß, dass der Kampf gegen das Grün in den Fugen der fein säuberlich verlegten Pflasterplatten ein aussichtsloses Unterfangen ist. Archaeen, Bakterien und Eukaryoten bevölkerten die Erde, lange – sehr lange – bevor das Leben im Menschen sich seiner selbst bewusst wurde. Gerade die Archaeen, jene einzelligen Organismen mit einem in sich geschlossenen DNA-Molekül, entwickeln sich als Keimzellen des Lebens an den unwirtlichsten Orten. Sie wachsen selbst dort, wo kein Sauerstoff existiert. Die Macht des Lebens setzt sich offenkundig immer durch, wenn nur die geringsten Möglichkeiten gegeben sind. Es dürfte also nicht verwundern, wenn außerhalb unseres Planeten Leben existiert. Das Universum, die Schöpfung, in der wir leben, ist auf Leben ausgerichtet. Leben scheint das Prinzip der Schöpfung zu sein.

Das mag angesichts der lebensfeindlichen Umwelt, des Vakuums, das im Weltall herrscht, verwundern. Der Tod scheint doch die eigentliche Macht zu haben. Rein quantitativ gesehen sind die sogenannten habitablen Zonen, also die Regionen des Weltalls, in denen Leben überhaupt annähernd möglich ist, äußerst gering. Es müssen schon optimale Bedingungen herrschen, damit sich Leben entwickelt. Das Leben aber setzt sich durch. Und der Aufwand ist groß, den das Leben betreibt. Leben entsteht aus dieser Verschwendung. Leben ist die Effizienz der Verschwendung. Ein Weltall existiert für das Leben – vielleicht nicht nur, vor allem aber sicher auf unserem Planeten Erde.

Das Leben scheint für die Lebenden eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man ist halt da. Man existiert. Ist da nicht der Tod der eigentliche Skandal? Der Tod als Vernichtung der eigenen Existenz ist eine Verstörung, die dem Menschen nicht nur seine letztliche Ohnmacht vor Augen führt. Er ist auch eine Kränkung des menschlich eingebildeten Stolzes, Herr über die Welt zu sein. Der Tod ist nicht beherrschbar. Der Tod ist – allen Unkenrufen nach Selbstbestimmung zum Trotz – letztlich der menschlichen Verfügbarkeit entzogen. Man mag den eigenen Tod mit eigener Hand selbst herbei führen; eine Garantie, dass das gelingt, gibt es letztlich nicht. Zuviel kann angesichts des Überlebenstriebes der Organismen schiefgehen. Man stirbt eben nicht einfach. Das Leben ist mit Macht wirksam. Es bewusst zu zerstören, bedarf immer eines fundamental gewalttätigen Handelns. Das Leben beugt sich eben nicht einfach dem menschlichen Willen, zu sterben.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 28. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Das Leben schreibt Geschichten, Erzählungen, die ein Leben überdauern können. Von manchen Menschen erzählt man noch, wenn die letzten Reste ihrer physischen Existenz längst zerfallen sind und in neue Formen irdischen Daseins aufgegangen sind. Auch wenn das Leben wird und vergeht – jeder Mensch schreibt seine Geschichte ein in das kollektive Gedächtnis der Menschheit. Und so, wie in komplexen Räderwerken die Veränderung eines noch so kleinen Parameters den Lauf der Dinge ändert, so prägt jedes Leben die Geschichte selbst. Das kollektive Gedächtnis der Menschheit bewahrt sie auf – oft unbewusst, manchmal bewusst, immer aber wirksam und wirklich.

Es ist daher kein Wunder, dass man über Generationen Geschichten erzählt. Kaum ein Familientreffen vergeht, ohne dass jemand mit den Worten „Wisst ihr noch …“ anhebt, eine der alten und allen bekannten Erzählungen vorzutragen – oft mit Worten, die die Zuhörer längst internalisiert haben, so dass jeder schon weiß, was als nächstes kommt und die Pointe trotzdem jedes Mal wie eine Erlösung Lachen oder Weinen auslöst. Die alten Geschichten der Ahnen schaffen Identität. Man vergewissert sich seiner Herkunft und Zugehörigkeit. Und auch, wenn mancher am Tisch die Augen ob der alten Kamellen rollt – sie gehören dazu, weil man ohne sie seine Geschichte verliert und nicht mehr weiß, warum man überhaupt zusammen gekommen ist. Es ist die Geschichte, die kollektive Erzählung, die die Menschen zusammenführt – eine Geschichte, die von Vergangenem berichtet, im Erzählen aber weiter geschrieben wird, auf dass man noch in Generationen etwas zum Reden und Weitertragen hat. Es ist die Geschichte, die dem Leben Bewusstsein verleiht.

Das Erzählen gehört zu den primären Formen menschlicher Existenz. Geschichten zu erzählen ist ein Teil des menschlichen Wesens. Es ist daher kein Wunder, dass das Wort Gottes von Anfang an Botschaft, weniger Lehre war. Das Wort Gottes wird in Kapiteln und nicht in Paragraphen erzählt. Das Wort Gottes ist erzählte Lebensgeschichte, eine Geschichte, in der Menschen Gott selbst entdeckt haben.

Man kann aus diesen Geschichten Gottes mit den Menschen sicher Folgerungen ziehen, wie der Mensch leben soll. Fängt man aber an, das lebendige Wort Gottes selbst in Regeln zu fassen, beraubt man es seines Wesens, nämlich der lebendigen Weitergabe. Das Wort Gottes kann man nicht regulieren, wohl aber erzählen und weitergeben.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 27. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Zu den Errungenschaften der Neuzeit gehören literarische Erzeugnisse, die den vielversprechenden Titel „Bedienungsanleitung“ tragen. Nicht selten sind sie der Gattung der Realsatire zuzuordnen. Manche dieser Kunstwerke sprachlicher Sparsamkeit lassen den Leser zwischen Verzweiflung und Erheiterung schwanken – vor allem dann, wenn kultur- und sprachraumübergreifend Übersetzungen zum Tragen kommen, die – damit das neu erworbene Gerät nicht durch den Einsatz menschlicher Dolmetscher verteuert wird – von einer willfährigen und allzeit bereiten Maschine mit dem viel versprechenden aber doch etwas übertriebenen Namen „Sprachcomputer“ oder „Übersetzungsprogramm“ erstellt wurde. Manch eine sprachliche Blüte entsteht auf diese Weise, lässt aber erkennen, dass die „Bedienungsanleitung“ bestenfalls ein fiktionales Gerät beschreibt, das jedenfalls nicht mit dem identisch ist, dass der gerade noch stolze Besitzer frisch ausgepackt vor sich stehen hat.

„Bedienungsanleitungen“ sind wie kaum sonst ein literarisches Erzeugnis geeignet, das Unvermögen der menschlichen Sprache aufzudecken. Man kann noch so viele Worte machen: das Eigentliche bleibt ungesagt. Es ist die Intuition des Menschen, die ein Gerät dann doch noch nutzbar macht. Es verwundert daher nicht, dass viele Produzenten mittlerweile auf die Herausgabe von Bedienungsanleitungen verzichten. Stattdessen machen sie ihre Geräte intuitiv bedienbar. Im Entdecken und Erleben erschließt sich der Gebrauch. Das Erleben geht vor der Beschreibung des Erlebens. Noch so viele Worte können das Leben selbst nicht beschreiben, sondern stellen immer nur ein unvollkommenes Abbild dar.

Die frühen Christen wussten um dieses Phänomen. Sie hatten keinen Zweifel daran, dass man nicht über das Heil reden kann; man musste Heiliges erleben und erfahren, um dadurch verändert heilig leben zu können. Die Erfahrung ging der Lehre voraus, das Sakrament stand vor der Katechese. Man war sich bewusst, dass man nicht über etwas reden kann, was man nicht erlebt hatte. Über die Bedeutung der Taufe etwa kann man viele Worte verlieren. Dass sie ein Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus ist, wurde denen, die in der frühen Kirche getauft wurden, im Erleben der Taufe selbst unmittelbar deutlich: Das Ablegen des alten Menschen im Ablegen der Kleidung, das Hineinsteigen in das Taufbecken, das Untertauchen in das Wasser – besser: das dreimalige Untergetaucht- und Unter-Wasser-Gehalten-Werden – bis einem fast die Luft wegblieb, das dreimalige Heraufgehoben-Werden, bei dem man begierig die Luft wie neues Leben einsog, und schließlich das Anlegen der weißen Gewänder machten deutlich, dass man aus dem Taufbecken neu Geborener stieg – all das machte auf eine unmittelbare, mit Worten nicht sagbare Weise deutlich:


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Nein, es hatte keine Änderung seiner Substanz gegeben. Es war immer noch von kristalliner, mineralischer Klarheit. Es hatte sein Innerstes bewahrt auf dieser langen Reise. Äußerlich hatte es sich wohl verändert, war abgeschliffen worden von den Gewalten des Wassers, geschmirgelt von den zahlreichen großen und kleine Kollisionen auf dem Weg vom Berg ins Meer. Es hatte gelagert in den Untiefen des Flusses, war mitgerissen worden von den Fluten des Schmelzwassers, hatte in der Strömung der Flussmitte Geschwindigkeit aufgenommen, die sie an den Rand gespült wieder eingebüßt hatte. In den Zeiten niedriger Pegel hatte es sogar die Sonne gesehen. Kinder hatten aus ihm Burgen gebaut. Man konnte etwas mit ihm anfangen. Und jetzt, jetzt sank es – nicht Staub, nicht Stein – als Sediment zu Boden, um irgendwann durch die Gewalten des Erdinnern wieder emporgehoben zu werden. Vielleicht wurde aus ihm das, was es schon einmal war: ein Fels – scheinbar unerschütterlich. In seinem Innern hatte es das Wissen um seine Bestimmung aufbewahrt: Fels zu sein. Und jetzt, zermahlen zu einem Korn von  0,063 bis 2 mm Größe, war es immer noch, was es sein sollte: ein Fels. Vom Fels genommen und zum Fels bestimmt. Was war ein Fels anders als fester, gepresster Sand.

Wer je die Erhabenheit gebirgiger Felsen betrachtet hat, vermag sich kaum vorzustellen, dass die vor Augen stehende Unerschütterlichkeit vorläufig ist. Kein Fels, der nicht zu Sand werden wird. Es ist gerade die unerschütterliche Festigkeit, die ihm zum Verhängnis wird. Er kann den Gewalten, die an ihm zerren, nicht ausweichen. Wind und Wetter verändern ihn. Und doch bewahrt seine mineralogische Struktur die Festigkeit auf.

Sand zu werden ist die Bestimmung des Felsen, sein Schicksal, dem er nicht ausweichen kann. Man mag Häuser besser auf Felsen bauen, als auf Sand. Aber diese Sicherheit ist nur vorläufig. Das Innere des Felsens kann morsch sein. Risse können seine Stabilität gefährden. Eindringendes und gefrierendes Wasser wird ihn sprengen. Wer aber ein Haus auf einen Felsen baut, beschützt auch den Felsen. Fels, bedenke also, was du bist und wozu du werden wirst: Sand.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 20. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Die Welt ist voll von schönem Schein. Verpackungen gaukeln großen Inhalt vor, wo nur kalte Luft ist. Die Behaglichkeit des eigenen Heims vermittelt Sicherheit in einer komplexen Welt. Mit Betroffenheitsaktionismus kaschiert man angesichts der vielen Konflikte in der Welt die eigene Ohnmacht. Und nicht selten vernebeln wohlfeile Worte eine unliebsame Wirklichkeit – und das nicht nur in der Politik.

Der Mensch neigt offenkundig dazu, das Unliebsame, das Gefahrvolle, das Unschöne auszublenden. Das ist in gewissem Sinn sogar existentiell notwendig. Die Gefahr bedroht die eigene Existenz. Die Wahrnehmung der Gefahr war für die frühen Menschen lebensnotwendig. Diese Gefahren waren aber unmittelbar und real gegenwärtig. Sie erforderten eine sofortige Reaktion. Der Körper setzt Adrenalin frei, das entweder Flucht oder Angriff ermöglicht.

Der technische Fortschritt bringt es nun mit sich, dass die Krisen der Welt, von denen die Altvorderen möglicherweise nie, bestenfalls nach Wochen oder Monaten Kunde erhalten haben, in Echtzeit über Glasfaserkabel die Wohnzimmer erreichen. Der Genius des modernen Menschen mag die Technik beherrschen, nicht aber die von der Amygdala gesteuerten archaischen Reaktionsschemata, die immer noch im Zentrum des menschlichen Gehirns die ehemals existenzerhaltenden Funktionen steuert. Und so lösen die verstörenden Bilder und Nachrichten Reaktionen der Angst aus. War diese Angst früher segensreich, weil sie den Menschen in Stand setzte, auf eine real gegenwärtigen Gefahr angemessen zu reagieren, so geht sie heute ins Leere. Die eigentliche Bedrohung ist zu weit weg. So wächst die Angst, weil sie nicht abreagiert werden kann. Die Angst ist virtuell. Wer nicht fliehen kann, weil er nicht zu fliehen braucht, und wer nicht kämpfen kann, weil er nicht zu kämpfen braucht, muss andere Kanäle finden, seine Ängste abzuleiten. Und so entwickelt der Mensch virtuelle Abwehrstrategien, um die Angst fernzuhalten. Der schöne Schein ermöglicht das moderne Leben; das moderne Leben braucht den schönen Schein.

Der schöne Schein treibt manchmal skurrile Blüten. Gerade die medialen Sommerlöcher schwemmen sie nach oben, um die eigene Hohlheit zu füllen. Stammtische leben von den Architekten potiemkinscher Dörfer ohne Fundament. Und auch in den viel gelobten sozialen Netzwerken und Kommentarfunktionen von Online-Zeitungen wird deutlich, wohin die Segnungen modern-digitaler Kommunikation führen: Jeder darf – Gott lob! – sagen, was er denkt. Leider zeigt nicht jeder in dem, was er sagt, dass er gedacht hat.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 7. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A

Der Alltag ist der Feind des Außergewöhnlichen. Nichts scheint der moderne Mensch mehr zu fürchten als die Tristesse des Alltäglichen. Bunt soll es sein das Leben und harmonisch, frei von Not, Kampf und Auseinandersetzung. Und wo man früher das Brot im Schweiße seines Angesichts zu verdienen hatte, da hält der Supermarkt des Lebens nun allerlei Zerstreuung bereit. Und immer schwebt über allem die Außergewöhnlichkeit der eigenen kleinen Existenz, die von nichts in Frage gestellt werden soll.

Vielleicht ist das das Geheimnis all der Katholiken und Kirchentage, der Parteikongresse und neuerdings auch Bloggerkonferenzen wie etwa re:publica. Unter Gleichgesinnten kann man sich ohne Gefahr die Köpfe heißreden und sich der Außergewöhnlichkeit der eigenen Gemeinschaft versichern. Wir sind besonders, weil wir wir sind. Sonst erkennt es ja keiner.

Aber auch der bunteste Kirchentag und die aufregendste Konferenz geht ihrem Ende entgegen. Und wer auf dem Katholikentag eben noch ein jubilierendes Halleluja gesungen hatte wird – wie der aus den Medien bekannte Franziskaner Bruder Paulus Terwitte twitterte – schon am Bahnschalter der gastgebenden Stadt schnell in die Realität zurückgeholt:

Kann http://ow.ly/i/5KuRa #bahn sagen, das in Rgbg #kt14 ist? Nur 2 von 5 Schaltern offen. (Quelle: Tweet Br. Paulus Terwitte)

Es ist schon bitter, wenn der Mülleimer zu Hause darauf wartet, entleert zu werden, wo man doch eindeutig zu Höherem berufen ist. Und so dürften nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Katholikentages 2014 in Regensburg in wenigen Tagen den Kirchenkater verspüren, wenn sie feststellen, dass der Sonntagsgottesdienst in der Heimatgemeinde ist wie immer.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 5. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A

Manch eine Beziehung leidet unter der zur Gewohnheit gewordenen Vertrautheit. Jede Geste, jedes Wort wird vorhersehbar. So braucht man einander gar nicht mehr wahrzunehmen oder zuzuhören. Man weiß doch, wie es ausgeht. Aus vollstem Vertrauen entsteht das Gefühl der Langeweile. Manch einer Liebe, die abenteuerlich begann, blüht in Ödnis. Weil die Vertrautheit keine Verheißung mehr bereit hält, geht dann manch einer auf der Suche nach Leben seine eigenen Wege.

Wer dieser Falle entgehen möchte, darf das Vertraute eben nicht zur Gewohnheit werden lassen. Das Vertraute immer neu zu entdecken die Herausforderung. Das Vertraute mit unvertrauten Augen anzusehen, so als würde man es eben zum ersten Mal sehen, die Aufgabe.

Es gibt nicht nur Menschen, die der Ödnis der Vertrautheit erliegen. Auch Texte teilen dieses Schicksal. Wie ein Reflex weiß man schon nach wenigen Worten, worum es geht. „Hat der alte Hexenmeister …“ – und schon klingt im Ohr „Walle! Walle!“ Und auch wenn manch einer bei Herrn Ribbeck an einen sakkotragenden Fußballtrainer denkt, die Birne werden viele trotzdem nicht aus dem Kopf bekommen.

Zu den Texten, bei denen man im allgemeinen schon weiß, worum es geht, gehört auch die erste Lesung vom 5. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr A. Es ist ein Text, der nicht nur dem Schicksal der Vertrautheit anheim fällt; auch die traditionelle Interpretation verhindert, ihn genauer zu betrachten, weil doch eigentlich schon alles bekannt ist. Es ist der Text von der Wahl der Sieben, die landläufig als die sieben Diakone beschrieben werden. Und genau an diesem Punkt erliegt der Leser bzw. die Hörerin dem Gift der Gewohnheit, mit dem man versucht, den Text zu zähmen.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Fünfter Fastensonntag, Lesejahr A

Am Anfang des Theologiestudiums steht für manche Studentin und manchen Studenten eine handfeste Desillusionierung. Die kritische Auseinandersetzung mit den biblischen Quellen und des frühchristlich-philosophischen Ringens um ein Verstehen des in Kreuz und Auferstehung begründeten Christusereignisses, die auf Vernunftgebrauch beruhende und wissenschaftlichen Anspruch erhebende Reflexion des Glaubens in Dogmatik und Fundamentaltheologie sowie die sich aus diesen Überlegungen ergebenden Überlegungen zu den Fragen, wie ein christliches Leben aussehen soll, wie die Verkündigung zu gestalten und der Gottesdienst zu feiern ist, lassen manchen über die Jugendzeit hinweggeretteten Kinderglauben schnell in sich zusammen fallen. Das ist gut und richtig so; denn eine Theologie, die Wissenschaft sein will und muss, kann und darf sich nicht mit dem einfachen „das muss man glauben“ zufrieden geben. Als Wissenschaft muss sie forschen und begründen, nicht spekulieren und vermuten. Und da erweist sich manches, was in frommem Jugendeifer als unumstößlich geglaubt wurde, bei näherem Hinsehen als poröser Fels, der bei etwas härterem Anfassen zu Sand zerfällt.

Diese reinigende Krise muss durchgestanden werden, damit auf dem freigewordenen Baugrund ein festes Gebäude entstehen kann, das auf theologischer Forschung und Reflexion besteht. Da die Zeit die Eigenschaft einer prozesshaften Weiterentwicklung mit sich bringt, ist auch die Theologie nie fertig mit ihrer Reflexion. Neue Zeiten werfen neue Fragen auf, und was eben noch als sicher beantwortet galt, erscheint heute in einem neuen Licht. Dieses Schicksal teilt die Theologie mit allen anderen Wissenschaften. Als Wissenschaft muss sich die Theologie ihren kritischen Geist bewahren. Dazu gehört im Wesentlichen die Fähigkeit der kritischen Reflexion – wobei das Wort „kritisch“ im wissenschaftlichen Sinn das auf Argumentation und Begründung beruhende Urteilen meint. Der Theologe soll denken, nicht bloß auswendig lernen. Er muss urteilen und nicht spekulieren.

Wie wichtig diese Fähigkeit zum kritischen Urteil ist, konnten in der vergangenen Woche Fachabiturientinnen und -abiturienten der Berliner Oberschule für Informations- und Medizintechnik erleben, die im Rahmen des Politikunterrichtes die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfang Schäuble bekamen. Dem Gespräch folgten auch einige inkognito anwesende Journalisten, die offenkundig


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Erster Fastensonntag, Lesejahr A

die Eintönigkeit des Lebens ist unübersehbar. Alljährlich geben Psychologen kurz vor Weihnachten über Presse, Funk und Fernsehen Tipps, wie man das Fest der Liebe streitminimierend überstehen kann. Zu Karneval ist der Äther voll von Empfehlungen, wie der Kater derjenigen zu bekämpfen ist, die wissen, dass man nicht auf Knopfdruck lustig wird, sondern durch die Kenntnis und physische Anwendung der richtigen Formel, die in der Sprache der Chemiker C2H6O lautet. Und wenn sich dieser Dunst verflüchtigt hat, gilt das mediale Interesse alle Jahre wieder dem Thema Fasten in all seinen Facetten: Heilfasten, Entschlacken, Kopfdruck und Mundgeruch – der Überfluss all dessen verstopft die Ohren. Und wer es hier noch nicht gehört hat, wird sicher von seinen näheren Bekannten über deren Fastenziele informiert. Es gelingt dem Menschen offenkundig nicht, den Mund leer zu bekommen. Wer auf die Aufnahme von Nahrung verzichtet, muss diesen Verzicht offenkundig mit der Anhäufung von Worten kompensieren. Es ist eben nicht leicht, wirklich frei zu werden.

Viele von denen, die in dieser oralen Phase – Fasten hin, Fasten her – hängen geblieben zu sein scheinen, verknüpfen dann auch die genussvolle Aufnahme leiblicher Speise mit der Sünde. Zugegeben: Das geschieht meist mit scherzhaftem Unterton. Und doch ist die Häufigkeit, mit der dieses Spiel der Worte verwendet wird, geeignet, den Genuss im Laufe der Zeit als Sünde zu diskreditieren. Worüber lange genug geredet wird, das schafft eben auch ein Bewusstsein. Nicht umsonst sind die wortvergeudenden Zeitschriften mit den Frauennamen über das Jahr gefüllt mit Abnehmratgebern und Diättipps; in der Fastenzeit aber wird auch dort gefastet. Erstaunlich, wie wenigstens in diesem Bereich die christliche Tradition die säkulare Sphäre durchsäuert wie Sauerteig.


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