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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 7. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Selfie – die Zeitgenossen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden Zeugen der Erschaffung einer neuen Instanz der menschlichen Psyche. Über-Ich, Ich, Es – das alles scheint in den Hintergrund zu rücken angesichts der Macht, das Selfie selbst zu konstruieren. Dabei stört es wenig, dass „Selfie“ linguistisch ein Diminutiv ist – also eine Verkleinerung des Selbst einschließt. Das selbstgemachte und erfundene Ich, das „Selfie“, ist bestenfalls niedlich, selbst wenn Coolness suggeriert werden soll. Das „Selfie“ offenbart nur zu schnell, dass die konstruierte Fassade nur mühsam das wahre Ich zu verschleiern vermag. Auch hier gilt: Hinter der Maske verbirgt sich das wahre Gesicht. Bleibt nur zu fragen, warum das wahre Gesicht sich eine Maske erschafft … Ist das Selbstbewusstsein tatsächlich so klein, dass es sich selbst hinter einem „Selfie“ verstecken kann?

Das Selfie soll etwas darstellen. Es ist eine tönerne Maske, in sich und an sich hohl – ein selbstreferentielles Spiegelbild eines identitären Konjunktivs: So könnte man sein, wenn es nur so wäre. Aber klingt hinter diese Maske wirklich eine Persönlichkeit?


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Verstörung ergreift nicht selten die Frommen, wenn sie feststellen, das Glauben aus Taten besteht. Für manch einen Frommen sind das bloße Eseleien. Man müsse doch erst seine eigene Christusbeziehung begründen, sagen sie dann. Da diese Beziehung aber entweder nie tief genug sein kann oder man sich nicht sicher ist, ob man Christus überhaupt schon gefunden hat, steht der privatisierende Rückzug in die Pflege einer individualistischen Spiritualität ganz oben auf einer Agenda, die eitel von den Niederungen weltlicher Herausforderungen abwendet, um sich ganz dem zu widmen, der sich nicht zu schade war, schnödes weltliches Fleisch zu werden.

In dem steten Bestreben, sich weltlicher Belange zu entledigen, besteht indes eine eigenartige Allianz mit denen, die den Glauben gerne aus anderen Gründen aus der Öffentlichkeit verbannen möchten. Humanisten, Atheisten und Kirchenkritiker werden nicht müde, den Glauben bestenfalls als Privatsache abzutun. Eine öffentliche Sichtbarkeit von und ein kritischer Diskurs über und mit Religion und Glaube ist unerwünscht. Offensichtlich berühren die metaphysischen Fragen, mit denen sich der Glaubende auseinandersetzt, tiefsitzende Zweifel, denen der eine wie der andere gerne aus dem Weg gehen möchte. Es ist also besser, die Begegnung mit diesen Fragen erst gar nicht zuzulassen.

Die Forderung nach einem öffentlich gezeigten, gelebten und vernünftig gegründeten Glauben ist eine Zumutung ebenso für manche Fromme wie für viele Glaubenskritiker. Allein die Tatsache, dass Glauben und Vernunft keine Gegensätze, sondern Komplemente sind, die sich gegenseitig ergänzen und gerade darin tiefere Erkenntnis und Aufklärung ermöglichen, verstört die einen wie die anderen. Lieber wäre es beiden, wenn die Sache mit der Religion privat bliebe; dann bliebe man wenigstens vor unangenehmen Auseinandersetzungen verschont.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 2. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Ein Spielzug in drei Stationen brachte den Sieg. Toni Kroos passt auf der Höhe der Mittellinie auf André Schürrle. Der läuft an der linken Seitenauslinie bis auf Strafraumhöhe und flankt den Ball gekonnt durch zwei argentinische Abwehrspieler in den Strafraum. Dort hatte sich Mario Götze, den eigentlich unerwartbaren Ball antizipierend in Position gebracht, legt ihn sich mit der Brust auf den linken Fuß und spitzelt den Ball an Torwart Romero vorbei ins Tor. „Der kommt an … Mach ihn, mach ihn … und er macht ihn“ – überschlägt sich der Kommentator. 1:0 gewinnt die Nationalmannschaft Deutschlands das WM-Finale 2016 gegen Argentinien, weil der eine nicht nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war, sondern auch das Richtige tat. Es ist die Fähigkeit zur Antizipation, die den Unterschied macht.

Wer die Fähigkeit der Antizipation besitzt, erkennt Dinge, die sich noch nicht ereignet haben; er erkennt Wege, die anderen noch verschlossen erscheinen; er nimmt wahr, was vielen verborgen bleibt. In diesem Sinn kann der Antizipator nie Agnostiker sein, denn er sieht hinter das bloß sinnlich Wahrnehmbare. Erfahrung und Intuition hingegen schärfen seinen Blick für die Tiefe des Seienden, das auf der Oberfläche des Materiellen bloß ist, während das eigentliche Wesen des oberflächlich Wahrnehmbaren wesentlich tiefer reicht.

Genau das ist die Haltung des Glaubens. Der Volksmund spricht vorlaut davon, dass Glauben nicht Wissen sei. Das ist vorschnell gesagt. Der Glaube kann ja nicht gegen das Wissbare stehen. Der Glaube setzt das Wissbare voraus. Das Wissbare ist der Grund, hinter den der Glaube blickt. Echter Glaube bedient sich dabei nicht eigener Wünsche und Illusionen, Befindlichkeiten und Begierden. Im Gegenteil! Echter und fester Glaube ist das Ergebnis vernünftiger, logischer Reflexion. Nicht ohne Grund erinnert Paulus die Korinther:


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Fest Taufe des Herrn, Lesejahr A

Jahresrückblicke jedweden Genres eignet häufig die Dynamik von Diaabenden, mit denen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts völlig neue Dimensionen des Phänomens der Langeweile erschlossen wurden. Man führte den eingeladenen Gästen meist die Fotos des letzten Urlaubs vor, Erinnerungen bestenfalls von Wert für diejenigen, die selbst dabei waren, deren wirkliche Tiefe aber durch das Betrachten laienhafter Knipsereien meist nicht wirklich reaktiviert wurden; für diejenigen aber, die das Erleben des blaustichig Konservierten nicht teilten meist nur eine Prüfung in Demut und Geduld in der Gewissheit, dass auch der längste Dia-Abend sein Ende finden wird. Diaabende, das war kultivierte Langeweile, die die Kreativität beflügelten, Ausreden zu finden, man auf entsprechende Einladungen entgegnen konnte.

Jahresrückblicke teilen das Schicksal postmoderner Diaabende – meist aber in didaktisch reziproker Weise. Während der Dia-Abend meist das Lob vergangener Erlebnisse und Heldentaten verkündete, neigen Jahresrückblicke nicht selten dazu, rückschauend Missstände und –verhältnisse aufzuführen, um dann daraus eine moralischen Apell zu formulieren. Viele gesellschaftliche und kirchliche Jahresrückblicke sahen deshalb das Jahr 2016 als Menetekel. Schockiert stellt man fest, dass zahlreiche Prominente in diesem Jahr durch das Tor des Todes in die Ewigkeit schritten – angefangen von David Bowie über Götz George, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle bis hin zu Leonhard Cohen. Die angestimmte Klage über dieses Massensterben Prominenter in den 16er Jahren lässt fragen, ob man der Ansicht war, dass Prominenten das Schicksal der Sterblichkeit ansonsten erspart geblieben war. Wahrscheinlich war auch daran wieder Merkel schuld, wie überhaupt die Bundeskanzlerin für jedes und alles Ungemach verantwortlich gemacht wurde – jedenfalls wenn man den vielen Hatern und Hasskommentatoren, die schneller tippen als denken können und darin noch Lucky Luke überlegen sind, der immerhin schneller als sein Schatten schießen kann. Auch das war ein Thema in den Jahresrückblicken: Hass und Unmut in dem, was euphemistische „soziale Netzwerke“ genannt wird. Über allem aber liegt der Schatten des feigen Mordes vom Breidscheidplatz wenige Tage vor Weihnachten, als ein extremistischer und radikalisierter Anhänger des Islam einen LKW in friedfertige und arglosen Menschen lenkte. Die Appelle ergaben sich da von selbst: Fürchtet euch nicht! rief man engelsgleich von Kanzeln, während andernorts staatstragend davon die Rede war, dass man nun Ruhe bewahren und Härte zeigen müsse.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Dritter Adventssonntag, Lesejahr A

Gerüchte haben Konjunktur. Sie wurden in diesen Tagen gar geadelt. Das Wesen des Gerüchtes ist auf den Begriff gekommen: „postfaktisch“ ist von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2016 gekürt worden. Eine noble Auszeichnung für ein Adjektiv, ein Beiwort, das das „Wie“ eines Bezugsbegriffes beschreibt. Ohne diesen Bezug hängt das Wort genauso in der Luft wie diejenigen, die den Verlockungen des Postfaktischen anheimgefallen sind.

Das Wort hat eine kurze, aber steile Karriere hinter sich. Felix Stephan stellt in der „Zeit“ fest:

„Im März dieses Jahres hat die Harvard-Historikerin Jill Lepore erstmals darüber nachgedacht, wie es kommt, dass bei der Kandidatenkür der republikanischen Partei in den USA die Wahrheit offenbar keine Rolle spielt. Während der Fernsehdebatten diskutierten verschiedene Kandidaten nicht etwa darüber, mit welchen politischen Strategien man den Problemen des Landes am besten begegnen sollte. Sie stritten darüber, wer überhaupt die Wahrheit sagte. Weil es keine Instanz gab, die von allen Beteiligten anerkannt wurde, war es ihnen unmöglich, eine gemeinsame Basis zu finden, auf der sie diskutieren konnten. So blieb ihnen nur, sich gegenseitig zu diskreditieren.“ (Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2016-12/postfaktisch-wort-des-jahres-post-truth-demokratie-jill-lepore [Stand: 10. Dezember 2016])

Das Postfaktische basiert also auf einem Konsensmangel, der sich nicht mehr der alten Pilatusfrage:

Was ist Wahrheit? (Johannes 18,38)

stellt. Die Frage des römischen Statthalters wird durch die Antwort Jesu im Verhör hervorgerufen, der auf die Frage, ob er doch ein König sei, antwortet:


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr A

Das Gute hat in diesen Zeiten seine Schuldigkeit getan. Gutes tut man nicht mehr, man will es höchsten empfangen. Ein Gutmensch zu sein, ist zu einem Schimpfwort derer geworden, die tolldreist allem Glauben schenken, was sie hören wollen. Der tolle Mensch von heute schmäht den Gutmenschen als naiv. Der tolle Mensch hat ja die Wahrheit für sich gepachtet. Er ist die Mitte seiner Welt, jene Mitte, von der er Oben und Unten definiert, Rückwärts und Vorwärts und Seitwärts. Der tolle Mensch der Gegenwart betreibt ständig jene Selbstapotheose, die ihn über die Dinge erhebt. Er erschafft sich Reiche eigenen Wissens. Einem Gott gleich definiert er sein selbstkonstruiertes Wissen als alleine verbindlich. Die Huldigungen, die ihm die gefilterten Rückmeldungen der sogenannten „sozialen Netzwerke“ offerieren, bestätigen ihn, der in einer Blase sitzend in der eigenen heißen Luft räkelt. Im heißen Stream werberelevant gefilterter Meinungen nimmt er nicht mehr wahr, dass die Welt außerhalb der sogenannten „sozialen Netzwerke“ kälter wird. Dunkel wird es im Land des Abends, dunkel im Land der ehemaligen Dichter und Denker.

Es ist die Angst vor der inneren und äußeren Leere, die den tollen Menschen in die Filterblase treibt. Dort ist er zu Hause. Dort findet er die, die seines Sinnes gleichgeschaltet sind. Die Komplexität des leeren Raumes erträgt er nicht. Der tolle Mensch braucht die Vereinfachung. Er organisiert seine unterkomplexe Welt überschaubar, indem er polarisiert. Wo nur zwei Pole sind, braucht es keine bunte Welt mehr. Auf dem einen Pol sitzt er ja selbst, der tolle Mensch. Und wer auf dem anderen Pol sitzt, ist automatisch gegen ihn. Er ahnt wohl, dass es gut ist, dass da auf dem anderen Pol noch welche sind, die das Gleichgewicht halten. Die Gutmenschen stabilisieren ihn. Weil er in ihnen sein Spiegelbild sieht, erschrickt er aber ständig. Denn was er sieht, gefällt ihm nicht, dem tollen Menschen. Er erkennt in ihnen sein eigenes Nichtverstehen. Er nimmt seine Lüge wahr, will sie aber nicht wahrhaben. Der tolle Mensch mag niemanden, der möglicherweise Recht haben könnte. Denn dann kommt der Zweifel. Und Zweifel mag der tolle Mensch nicht. Er ist der Gott seiner selbsterschaffenen Welt. Was kümmert ihn die Realität. Er ist Gott!


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 33. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

Endzeit ist eigentlich immer. Auch jetzt kommt das Ende wieder einmal näher – eigentlich wie immer. Es mag sein, dass dieses urmenschliche Empfinden alleine schon durch die Physiognomie bedingt ist. Die Augen des Menschen sind nach vorne gerichtet und damit auch seine Aufmerksamkeit. Das, was hinter ihm liegt, ist vergangen, nicht mehr zu ändern. Das Vergangene besitzt Gewissheit. Das aber, was er kommen sieht, liegt voraus – und der Mensch ist ein vorausschauendes Wesen. Das, was unmittelbar vor ihm liegt, übersieht er nur allzu schnell. Das aber, was aus der Ferne kommt, erregt seine Aufmerksamkeit, auch wenn er es nur in Schemen wahrzunehmen vermag. Da bekommt dann auch schon einmal eine Fata Morgana den Charakter einer Verheißung. Und so schaut der Mensch nur selten auf das Vergangene, das ihm gerade durch das Leben verflossen ist, das Ende aber sieht er beständig kommen.

Das Kommende fasziniert den Menschen. Das Kommende ist relevant. Das Kommende bestimmt die Zukunft. Dass und wie der Mensch gestern lebte, ist nur noch von mäßiger Bedeutung. Ob und wie er aber morgen leben wird, das ist für den Menschen von höchstem Interesse. Allerdings ist der Wahrnehmungshorizont des Menschen für das, was auf ihn zukommt, beschränkt. Es ist nur in gewissem Umfang möglich, morgens schon zu wissen, was abends geschehen wird. Es reichen schon geringe Störungen im gewohnten Trott, der die Sicherheit eines Tagesplans fundamental erschüttert. Gerade diese Unsicherheit kann der Mensch, der die Welt um sich herum vermisst, kategorisiert und ordnet, um seinen Platz im großen Ganzen bestimmen zu können, kaum ertragen. Die Unsicherheit liefert den Menschen seiner naturgegebenen Ohnmacht aus, die er nur allzu gern zu leugnen bereit ist. Und so schafft er sich die Illusion, die durch ein Heer selbsternannter Spezialisten aufrecht erhalten wird. Das fängt schon bei den Wettervorhersagen an, bei denen der Zuschauer von den Moderatorinnen und Moderatoren der Wetterberichte erwartet, dass sie ihm gefälligst schönes Wetter offerieren; dabei leiten sie lediglich aus Rechenmodellen statistische Wahrscheinlichkeiten ab, die durch einen unbeachteten Lufthauch nur allzu schnell unwahrscheinlich werden können.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 29. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

Volk – ein Wort, ein Gefühl, eine Macht. Das Volk ist souverän. Volkes Stimme will gehört werden, sonst wird das Volk trotzig wie ein kleines Kind. Wie in der Quengelzone an den Kassen der Supermärkt ruft es dann: Ich will aber! Wir sind das Volk! Keine Großtat kann das Volk besänftigen, wenn es Hunger hat, kein Wunder die Ängste nehmen, wenn ein Volk im Dunkel lebt. Es würde freilich genügen, wenn das Volk den Kopf aus dem Sand nehmen würde und der Wahrheit so erhobenen Hauptes ins Auge blicken würde. Ein solches Volk wäre von echter Erkenntnis aufgeklärt. Die Freiheit aber scheint die Befreiten zu ängstigen. Die Schwester der Freiheit ist die Verantwortung. Verantwortung aber ist ein Zeichen des Erwachsenenseins, bedeutet Arbeit und Anstrengung. Die Kinder in der Quengelzone wissen noch nichts vom Wert dessen, was sie erquengeln wollen. Sie ahnen noch nicht, dass jedes Stückchen Schokolade seinen Preis hat. Sie sind noch unfrei, gefangen in ihren Primärbedürfnissen, abhängig von der Sorge derer, gegen die sie sich ein paar Jahre später in einem Anflug pubertärer Revolution auflehnen werden, zu allem fähig, aber für nichts verantwortlich. Nur wenige schaffen es offenkundig, eine weitere entwicklungspsychologisch entscheidende Schwelle des Lebens zu überschreiten und erwachsen zu freien, souveränen, und sich selbst und anderen gegenüber verantwortungsbewussten Menschen. Erwachsene wissen, dass sie nicht alleine auf der Welt sind. Ein Volk hingegen, das nur auf die eigenen Bedürfnisse schaut, steckt den Kopf in den Sand – voller Angst, ohne Vertrauen auf die eigene Stärke, die es hätte, wäre es erwachsen. Kinder aber sind schwach. Sie quengeln statt zu gestalten. Ihr Bedürfnis ist die einzige Wahrheit, die sie anerkennen. Wie weiland Mose möchte man ausrufen:

Was soll ich mit diesem Volk anfangen? (Exodus 17,4)


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 28. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

Worte werden erst im Hören wirksam. Das Wort allein ist nur Laut. Erst wenn es gehört und interpretiert wird, sich in der Hörerin und dem Hörer inkarniert, Fleisch wird, also neu Gestalt annimmt, kommt das Wort zu sich selbst und wird, was es ist: Wort!

Es liegt im Wesen des Wortes, dass es wirkt. Wort sind performativ. Sie ändern und verändern. Sie erzeugen neue Haltungen oder bestätigen alte. Sie stellen in Frage und festigen. Das ist die schöpferische Kraft der Worte. Der Mensch bedeutet die Laute. Erst die Bedeutung erhebt das Wort aus dem Geräusch und macht aus weißrauschendem Gebrabbel wirksame Botschaft. Sprechen, Hören, Deuten sind die Dimensionen der Worte. In diesen drei Dimensionen wirkt sich das Wort zur gestaltenden Botschaft aus. Ohne Sprecher keine Worte; ohne Hörer keine Wirkung; ohne Deutung keine Verinnerlichung.

Das Wort ist komplex; noch komplexer ist die Wirkung der Worte. Auf dem Weg vom Mund zum Ohr kann viel passieren und noch mehr schiefgehen. Konflikte haben hier ihre Ursache. Ein uneindeutiges Wort ist offen für viele Interpretationen. Auch bei klaren Botschaften ist noch lange nicht gesagt, ob der Hörer das Gesagte auch im Sinn der Sprecherin versteht. Und selbst wenn Gemeintes und Verstandenes in großer Nähe zueinander sind, ist noch lange nicht gesagt, ob die Hörerin im Sinne des Sprechers handelt. Die Macht der Worte ist schwer zu beherrschen. Es ist eine göttliche Macht, die dem Menschen gegeben ist. Vielleicht tut der Mensch sich gerade deshalb schwer mit der Macht der Worte, weil sie eigentlich zu groß für ihn ist. Der Mensch erschafft mit seinen Worten nur allzu oft Wirklichkeiten, derer er nicht mehr Herr wird. Er sollte vorsichtiger mit der Macht der Worte umgehen, kann aber nur selten der Versuchung widerstehen.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 25. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

Zeit ist ein Phänomen des Lebens. Tote haben keine Zeit mehr. Sie brauchen keine Zeit mehr. Lebende hingegen unterliegen dem Paradox der Zeit, jenem Phänomen, das aus der unendlichen Fülle der Möglichkeiten doch nur je eine realisiert werden kann. Es ist der Schein, den Eltern manchmal ihren Schützlingen motivierend mit auf dem Weg geben, dass einem alle Möglichkeiten offen stünden, wenn man sich denn nur genügen anstrengen würde. Tatsächlich aber kann immer nur eine Möglichkeit Wirklichkeit werden. Die Entscheidung für diese Möglichkeit ist so irreversibel wie das Leben selbst. Sie ist getroffen und determiniert von nun an alle anderen Lebensentscheidungen und –varianten. Selbst wenn sich die zuerst ergriffene Variante als falsch herausstellt und selbst wenn ein Mensch den Mut besitzt, diese Sackgasse seines Lebens durch Umkehr zu verlassen – die ursprünglich getroffene Entscheidung ist geschehen und zum Fakt geworden. Und so begrenzt der Mensch in jeder Sekunde seines Lebens die unendliche Fülle der Möglichkeiten auf immer nur eine tatsächlich vollzogene, der er in seinem Leben im Gelingen wie im Nichtgelingen, im Guten wie im Schlechten Gestalt gibt.

Wahrlich: Die Zeit birgt in sich das Geheimnis des Lebens. Zeit ist Werden und Vergehen, Erstehen und Untergehen. Erst im Tod kommt die Zeit zu sich selbst, wird erfüllt in die Zeitlosigkeit hinein, in jene letzte Unumkehrbarkeit des Lebens, wenn alle Entscheidungen getroffen sind. Es ist jene Zeitlosigkeit, die die Zeit umfängt, in sich aufnimmt, erfüllt. Alles Seiende kommt letztlich aus der Zeitlosigkeit, nimmt Zeitgestalt an, wird, vergeht und übergibt sich wieder der Zeitlosigkeit. Niemand hat den Anfang gesehen, keiner wird das Ende schauen. Die Zeit ist ein vergängliches Phänomen.

Für den Menschen erscheint die Zeit selbst als Kontinuum. Sein Bewusstsein ist zeitbesessen. Er wird hineingeboren in eine zeitliche Realität, die vor ihm beginnt; und er schafft durch seine zeitliche Existenz Realitäten, die die ungefragten Voraussetzungen für später Geborene schaffen. Die Freiheit der zeitlichen Existenz wird auf diese Weise merkwürdig paradox determiniert. Des Menschen Freiheit ist nicht absolut, sondern zeitgebunden. Es sind die vorgefundenen Realitäten anderer und die selbsterschaffenen Realitäten, die – in steter Wechselwirkung miteinander verbunden – den Rahmen des Lebens schaffen, innerhalb derer sich der einzelne Mensch interaktiv verwirklicht.


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