Wunder sind des Glaubens liebstes Kind … und des Zweiflers auch. Was für die einen ein vordergründiger Ausweis göttlichen Wirkens in der Welt ist, ist für die anderen, die mit unverhohlenem Stolz auf die vermeintliche Aufgeklärtheit ihrer Vernunft verweisen, geradezu der Ausweis der Unvernunft des Glaubens. Letztere begründen also mit der vermeintlichen Unvernunft der Wunder, die eigenen Zweifel, währende Erstere ihren Glauben in den Wundern erwiesen sehen. Das ist vor allem an einem Fest wie Christi Himmelfahrt, das Christen am vergangenen Donnerstag feiern, der Fall: Dort wird doch verkündet, dass der auferstandene Jesus vor den Augen seiner Jünger emporgehoben, von einer Wolke aufgenommen und ihren Blicken entzogen wurde (vgl. Apg 1,9). Fast hat man den Eindruck, noch die Fußabdrücke der Sandalen des zum Himmel aufgefahrenen Jesus sehen zu können. Für die einen ein Ausdruck der Göttlichkeit Jesu, für die anderen ein nachgerade lächerliches Märchen, über das man vernunftstolz lacht. Wie aber halten sie es mit dem Glauben? Was glauben Sie denn?
Beiden, den naiv Glaubenden und den vorschnell Skeptischen, ist eine merkwürdige Zweifellosigkeit zu eigen. Beide bleiben aber nur an der Oberfläche und lassen sich vom Schein des vermeintlich Außergewöhnlichen blenden. Beide bauen auf diesem dünnen Eis eigene Luftschlösser. Sie ähneln darin den Jüngern, die zum Himmel emporschauen. Beide sehen Wolken. Die einen wähnen Jesus im Nebel, die anderen sehen natürlich nichts. Das ist schon in der Bibel so. Nachdem Jesus von der Bildfläche verschwindet, heißt es dort:
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Das Leben ist kein Videospiel. In der virtuellen Illusion können fatale Fehlentscheidungen einfach durch neue Leben kompensiert werden. Im analogen Leben geht das nicht so ohne Weiteres. Wer hier sein Leben verliert, hat keines mehr. Es ist auf ewig ausgelöscht, getilgt, vernichtet. Es gibt dann keine Zeit mehr, die Kindeskinder heranwachsen zu sehen, sich des Lebens zu freuen und die Früchte der eigenen Arbeit zu genießen.
Die deutsche Geschichte ist geprägt von Erfahrungen der sinnlosen Vernichtung von Leben. Der dreißigjährige Krieg verheerte ganze Landschaften, der erste Weltkrieg industrialisierte das Sterben, der zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft totalisierten das Töten mit perverser Perfektion. Das kollektive Gedächtnis unserer Gesellschaft hat über Jahrzehnte und Jahrhunderte internalisiert, dass der Tod ein Meister aus Deutschland ist. Der Ruf nach dem „Nie wieder!“, der auch am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung von der Naziherrschaft, wieder zu hören sein wird, hat hier seinen existentiellen Grund. Dem stimmt man doch gerne zu! Was glauben Sie denn?
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Der Krieg ist monströs. Jeder Krieg ist eine Verachtung des Lebens. In der Ukraine wird die Sinnlosigkeit des Krieges mit Wucht vor Augen geführt, wenn Städte, die gestern noch vor Leben strotzten und pulsierten, dem Erdboden gleich gemacht werden. Wofür? Warum? Fragen, die keine Antwort finden und die Ohnmacht nur noch größer erscheinen lassen. Die Folgen des Krieges, den Putin entfesselt hat, sind auch hier spürbar – zumindest scheint es so. Die Mehl- und Sonnenblumenölregale sind leer. Sind das schon Kriegsfolgen? Wohl kaum. Was glauben Sie denn?
Sicher ist die Ukraine ein Hauptexporteur für Weizen und Sonnenblumenkerne – aber die ausbleibende Ernte, die zu spürbaren Einbußen führen würde, findet erst dieses Jahr statt. Die Krise kommt erst noch. Das gilt auch für die Preise für Energieträger, deren Erhöhung nahezu alle betrifft. Noch sind die Lager voll. Noch ist Zeit zu handeln. Und trotzdem ist die existentielle Angst in der Gesellschaft mit Händen greifbar. Hamsterkäufe haben wieder Konjunktur – und verstärken die sich anbahnende Hysterie noch. Der moderne Mensch westlicher Prägung kann mit leeren Regalen kaum leben.
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Es war schon leichter, katholisch zu sein. Nicht erst seit der Veröffentlichung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising ist der Rechtfertigungsdruck groß. Bereits die sogenannte MHG-Studie im Jahr 2018 hatte den Missbrauch von mindestens 3677 Kindern und Jugendlichen durch 1670 Kleriker zutage gefördert. Sie war der Anlass für weitere Untersuchungen auf der Ebene der (Erz-)Bistümer. In Aachen, Köln, Berlin und nun in München wurden erste Studien veröffentlicht. Das Ausmaß an Leiden, das Betroffenen zugefügt wurde und das offenbar wird, ist erschreckend. Erschreckend ist vor allem aber auch, wie klerikale Täter von klerikalen Vorgesetzten – Bischöfen, Generalvikaren, Personalchefs und Offizialen (so die Bezeichnung für die obersten Kirchenrichter in einem Bistum) – geschützt wurden, während die von Missbrauch Betroffenen oft bis heute darum kämpfen müssen, überhaupt Gehör zu finden. Die römisch-katholische Auffassung, dass Männer durch die Weihe eine „seinsmäßige Erhöhung“ (die sogenannte ontologische Superiorität) empfangen, erweist sich in dieser Krise als fatal. Führt ein solches Übermaß an Heiligkeit nicht zu jener sakralen Sepsis, die ein Eingeständnis des eigenen Versagens, der eigenen Verantwortung und der möglichen eigenen Schuld so schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht? Was glauben Sie denn?
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Am Sonntag war es wieder so weit: Im Stadion an der Hafenstraße wurde wieder ein Hochfest des Fußballs zelebriert. Derby, Topspiel, Traditionsduell: Der Wuppertaler SV traf auf Rot-Weiss Essen. Ich muss gestehen, dass auch mich dieses Spiel nicht kalt lässt, schlagen doch zwei Herzen in meiner Brust: Als gebürtiger Essener habe ich die Hafenstraße schon in Kindertagen kennengelernt und als jemand, der aus Überzeugung in Wuppertal seine Wahlheimat gefunden hat, lässt mich auch der WSV nicht kalt. Zwei Vereine, die sich nichts schenken; Spiele, in denen jedes Tor umkämpft und bejubelt wird; Fans, die an der Grenze zur Totalidentifikation mit dem eigenen Verein manchmal vergessen, dass alles eigentlich nur ein Spiel ist – im besten Fall voller Spannung und Leidenschaft. Ohne sie verkommt das Spiel zum müden und langweiligen Gekicke, ohne Fairness und Respekt vor dem Gegner aber wird es einfach nur schäbig, unsportlich und unansehnlich. Als Fans genießen wir doch die sportlichen Siege, in denen die Gegner an die Wand gespielt und nicht umgeholzt wurden. Die andere Mannschaft ist kein Feind, sondern ein Gegner. Was glauben Sie denn?
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Wie ein Windhauch ist auch dieses Jahr vergangen. Höhen und Tiefen, Siege und Niederlagen – alles ist nur noch Erinnerung. Das Jahr hat seine Zeit gehabt und in diesem Jahr haben viele, allzu viele ihre Zeit verloren. Zwar ist die Festlegung eines Jahreswechsels eine einigermaßen willkürliche Angelegenheit. Die ganz alten Römer begingen ihn am 1. März im Frühjahr, orthodoxe Christen feiern Neujahr am 1. September, dem Tag der Schöpfung der Welt. Christen der lateinischen Tradition feierten Neujahr im Lauf der Geschichte wahlweise am 25.12., dem Weihnachtsfest, dem 25.3., dem Hochfest Verkündigung des Herrn oder auch am 1. Advent, mit dem heute noch das Kirchenjahr beginnt. Dass man Neujahr am 1. Januar begeht, geht wieder auf die Römer zurück. Das Datum war der traditionelle Amtsantritt der römischen Konsuln und wurde von Julius Cäsar mit der Einführung des julianischen Kalenders im Jahr 45 v.d.Z. zum Datum des Jahresanfangs proklamiert. Nun feiern wir also als am 31.12. Silvester und am 1. Januar Neujahr. Wechselzeiten sind Bilanzzeiten. Es wird Inventur gemacht, die Bestände werden prüft, Gewinne und Verluste dokumentiert – das gilt wohl im geschäftlichen wie im privaten Leben. Vor allem aber gilt es eben im Leben, denn nur Lebende haben Zeit. Tote haben keine Zeit mehr. Was glauben Sie denn?
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Gaudete! – so nennt die Tradition der Kirche den dritten Adventssonntag.
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4)
– so lautet der namensgebende Eröffnungsvers der römisch-katholischen Liturgie. In der Tat dürfte bei vielen selbst in diesen pandemischen Zeiten die Vorfreude auf das Weihnachtsfest steigen. Weihnachten ist ein eigentümliches, heimeliges Fest, dem sich niemand so ganz entziehen kann. Oder hat man je gehört, dass handfeste Nichtglaubende an Weihnachten nichts schenken würden? Was glauben Sie denn?
Wie auch immer man zum Glauben an die Menschwerdung Gottes stehen mag, die in zwei Wochen gefeiert wird, – so richtig kalt lässt sie niemanden. Dabei haben die historischen Umstände damals wohl wenig mit den romantischen Bildern gemein, die heute das Fest der Heiligen Nacht prägen. Nach dem Lukasevangelium soll ein kaiserlicher Erlass die Ursache dafür gewesen sein, dass sich der Handwerker Josef mit seiner schwangeren Frau Mirjam von Nazareth auf den Weg nach Bethelehm machen muss. Der Eintrag in Steuerlisten steht an. Dass es solche Zählungen tatsächlich gegeben hat, ist mittlerweile durch einen Papyrus aus dem Archiv der Jüdin Babatha archäologisch belegt. Auch sie muss sich römischen Steuerschätzung beteiligen, für die sie im Jahr 127 n.d.Z. mit ihrem Mann Judanes von Maoza in der Provinz Arabia nach Rabbath reist. Aus gleichem Grund haben sich auch Josef und Maria auf den Weg nach Bethlehem gemacht. Fünf bis sechs Tagesmärsche brauchte man wohl für die etwa 150 Kilometer lange Strecke von Nazareth nach Bethlehem. Dort war dann kein Platz in der Herberge. Dort kam das Paar unter – der Rest ist Geschichte.
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Der menschliche Geist ist auf vielfältige Weise abgründig. Das mag daran liegen, dass in ihm stetig widerstreitende Kräfte am Werk sind. Soll man mutig zur Tat schreiten? Das kann bemerkenswerte Innovationen bewirken, aber auch dazu führen, dass man Kopf und Kragen riskiert. Die BUGA ist da ein bemerkenswertes Beispiel. Wenn sie kommt (Wenn!), dann wird man erst im Nachhinein erkennen, ob die vielen Versprechungen Verheißungen oder Verführungen waren.
Der menschliche Geist wird aber auch von der eigenen Befindlichkeit regiert. Natürlich macht es zufrieden, anderen zu helfen; den meisten ist jedoch das eigene Hemd näher als die Hose der anderen. Die Beantwortung Frage, ob man sich nun gegen das Corona-Virus impfen lassen soll oder nicht, hat so längst den Pfad der Rationalität verlassen. Im Unterholz der Bedürfnisse verirren sich die einen wie die anderen. Alle wollen, dass es endlich aufhört. Während die einen dafür aber eine Impfpflicht fordern, tönen die anderen, dass alle sich stets testen lassen sollen. Ohne eine Verpflichtung für alle wird es also so oder so nicht gehen. Wen interessieren schon Fakten, wenn es die Fiktion eines Mittelpunktes gibt, in dem man sich wähnt. Was für ein Irrtum! Sie glauben, Sie seien der Mittelpunkt der Welt. Wie unverschämt – das bin doch ich! Was glauben Sie denn?
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Die Freiheit ist billig geworden. Wenigstens scheint es so, wenn man die Diskussion um die Corona-Pandemie verfolgt. Deren Ende wird mit „Freedom Days“ gefeiert. Dann fallen die Masken, man verzichtet wieder auf Abstand (hoffentlich nicht auch auf den Anstand) und braucht endlich nicht mehr Hände waschen. Für manch einen scheinen das der bisher größte Freiheitsentzug des Lebens gewesen zu sein. Sicher: die Lockdowns haben vor allem für die Kreativen und Gastronomen herbe Einschränkungen und Verluste mit sich gebracht. Trotzdem konnte man sich frei bewegen, reden, seine Meinung äußern und sich – gerichtlich festgestellt – frei versammeln. Schon die kleinste Vorschrift, die zum gegenseitigen Schutz erlassen wurde, brachte aber bei manchen ein großes Protestbedürfnis zum Vorschein, das freilich frei und ungezwungen zum Ausdruck gebracht wurde. Was glauben Sie denn?
Viele erwarten jedenfalls die viel beschworene „Rückkehr zur Normalität“. Zwar weiß niemand so genau, wie „Normalität“ definiert ist. Sicher ist nur, dass man seine Freiheit wiederhaben möchte. Die Freiheit scheint eine Art Besitz geworden zu sein. Deshalb monieren ja viele, man hätte ihnen in den pandemischen Zeiten etwas gestohlen, was jetzt wieder restituiert, also wiederhergestellt werden soll. Dabei wird gerne übersehen, dass Vergangenes nicht wiederkommt. Wir können die Vergangenheit nicht wiederherstellen. Die, die am lautesten nach der Wiederherstellung ihrer geraubten Freiheit rufen, vergessen, dass etwas, das in den Dimensionen von Raum und Zeit im wahrsten Sinn des Wortes vergangen ist, nicht wiedererlangt werden kann. Es wird nicht mehr werden, wie früher. Nie mehr. Ist also alles verloren? Wurde die alte Freiheit wirklich geraubt?
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Die Tage sind kurz geworden. Der Herbst führt dem Menschen seine Zeitgebundenheit vor Augen. Dem Aufbrechen des Lebens im Frühjahr folgen die Sommermonate, in denen dieses Leben pulsiert. Nach den Ferien, Festen und Feiern an Tagen, an denen es lange hell ist, fällt die immer früher hereinbrechende Dunkelheit umso stärker auf. Die welkenden Blätter und kahler werdenden Bäume sind Teil des jährlichen Kreislaufes. Sie sind aber eben auch Zeichen einer Vergänglichkeit, der der Mensch nicht fliehen kann. Im Kreislauf des Lebens vollzieht sich ein unaufhaltsam lineares Älterwerden. Sicher: Im nächsten Jahr wird ein neuer Frühling sein. Die Früchte dieses Jahres aber sind vergangen. So ist es auch mit den Menschen: Ausgespannt zwischen Geburt und Tod pulsiert der Hauch des Lebens. Vorher und nachher aber hat er keine Zeit mehr. Was glauben Sie denn?
Das Leben pulsiert immer schneller – und damit auch die Zeitalter, die der Mensch prägt. Vor drei Millionen Jahren begannen die ersten unserer Vorfahren mit Steinwerkzeugen zu hantieren, vor 300.000 Jahren lernte der Mensch das Feuer zu beherrschen. Vor 30.000 Jahren entwickelte sich die Fähigkeit, mithilfe von Sprache Informationen auszutauschen. Vor 3.000 Jahren begannen Menschen mit der Landwirtschaft die Oberfläche des Planeten Erde zu verändern. Vor 300 Jahren erfand er Maschinen, mit denen er die Kräfte der Natur zu kontrollieren begann. Vor gut 30 Jahren schließlich begann mit der Digitalität das Zeitalter künstlicher Welten. Es ist der Beginn jener virtuellen Ära, in der sich der Mensch zunehmend von der Natur trennt – und das mit fatalen Folgen, denn der Mensch ist dem Wesen nach Teil der Natur. Er kann sie kulturieren. Er kann Wüsten fruchtbar machen, Meere bezwingen, die Elektronen und Protonen in von ihm gewollte Richtungen lenken. All das kann er – aber immer nur um den Preis des Ringens. Letztlich bleibt und ist er Teil der Natur.
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