Die Freiheit steht auf dem Prüfstand. Es sind nicht die pandemiebedingten Einschränkungen, die vorübergehend notwendig sind, um die Verbreitung eines für nicht wenige tödlichen Virus einzudämmen. Es ist die Freiheitsdefinition der einzelnen, die mitunter dazu angetan ist, eine Freiheit für sich zu reklamieren, die man anderen nicht gönnt. Wie anders ist es zu erklären, dass – wie die Westdeutsche Zeitung am vergangenen Dienstag berichtete – es zu Sitzstreiks in Arztpraxen kommt oder man eine Pflegebedürftigkeit naher Verwandter konstruiert, um in den Genuss eines schnelleren Impftermins zu kommen. Die Politik ist daran nicht ganz schuldlos, verheißt sie doch jetzt schon für Geimpfte einen guten Sommer mit der Möglichkeit in Urlaub zu fahren. Da ist es schon erstaunlich, dass das urlaubswillige Volk seine spontane Solidarität mit den zahlreichen pflegebedürftigen Mitmenschen entdeckt, die die Pflegekassen sicher erschrecken lässt: Wer soll die ganzen vulnerablen Gruppen nur schützen, wenn die, die jetzt vor lauter Sorge um eine vorzeitige Impfung betteln, in Urlaub fahren? Was glauben Sie denn?
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Das Paradies – eine Utopie, ein Nicht-Ort, ein sehnsuchtsvoll erstrebter Zustand der Nichtverantwortung. Menschen zu allen Zeiten träumen von diesem Urzustand vollkommenen Glücks. In der abendländischen Tradition ist sicher jenes orientalische Bild vom Garten Eden prägend geworden, in den der Mensch hineingeschaffen wird – und doch nicht glücklich sein kann. Ihm fehlt das Gegenüber. Einsamkeit ist nicht paradiesisch. Im Gegenteil: Ohne Begegnung erscheint selbst ein Paradies als Ort des Mangels. Wo soll er hingehen in einem Paradies im Lockdown? Was glauben Sie denn?
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Es ist Schabbat, Samstag, der siebte Tag, Zwischenzeit. Die europäische Kultur hat es verlernt, am siebten Tag zu ruhen. Der Sonntag ist zum Wochenende geworden. Dabei ist er eigentlich der Wochenbeginn, der erste Tag, der Tag der Schöpfung, der Tag, an dem alles begann. Es war wohl Kaiser Konstantin, der den Tag der Sonne zum freien Tag erklärte. Schließlich wurde am ersten Tag der Woche nach christlicher Überlieferung die Auferstehung Jesu offenbar. Am Karfreitag sah alles noch anders aus. Der große Aufbruch, die Erneuerung, die Botschaft vom nahen Reich Gottes – all das schien gescheitert. Der Rabbi aus Nazareth endete am Kreuz – verflucht und gottverlassen. Kein Wunder, dass seine Leute das Weite suchten. Was glauben Sie denn?
Nach der Überlieferung stirbt er an einem Rüsttag, also dem Tag vor dem Schabbat – wohl in der neunten Stunde, also etwa um 15. Als sicher kann gelten, dass sein Tod im Umfeld des Pesachfestes eintritt. Es ist Frühjahr. Das Äquinoktium, die Tag- und Nachgleiche ist nicht fern. Die Sonne wird also etwa gegen 18 Uhr untergehen. Es wird der Beginn eines neuen Tages sein, heißt es doch in der ersten Schöpfungserzählen: „Es ward Abend, es ward Morgen, ein Tag“. Mit dem Sonnenuntergang also wird der Schabbat beginnen, der Tag der Ruhe.
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Nur ein Klick … alles ist nur ein Klick entfernt. Die nächste Schulstunde, die nächste Konferenz, das nächste Shoppingerlebnis, ja, sogar der Gottesdienst – alles ist nur einen Klick entfernt. Click and collect, click and meet, click and pray! Man kann wirklich froh sein, dass wir im digitalen Zeitalter leben. Manch ein Kirchenvertreter berichtet ja auch schon euphorisch von den hohen Klickzahlen. Man würde so viel mehr Leute erreichen, als sonst zu den Gottesdiensten kämen. Wenn das mal nicht täuscht, denn ein bloßer Klick sagt ja noch nichts darüber aus, wie nachhaltig der Klick gewirkt hat. Haben die Leute da wirklich die ganze Zeit den Gottesdienst mitverfolgt? Oder waren sie nach ein paar Sekunden schon wieder weg? Geklickt hat man schnell – und weitergeklickt oft noch schneller. Was glauben Sie denn?
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Kann man fasten, wenn der Verzicht zur Normalität geworden ist? Die Corona-Pandemie hält weiter an. Das Land befindet sich im zweiten Lockdown. Gastronomie und Einzelhandel – alles geschlossen. Kultur und Schulen – alles dicht. Die Fastenangebote der letzten Jahre erscheinen da als reiner Luxus. Erinnern Sie sich noch, wie da zu Heilfasten, Autofasten und Digitalfasten aufgerufen wurde? Das alles erscheint in Zeiten, in denen die Restaurants geschlossen haben, Fernreisen virusbedingt nicht angesagt sind und die digitale Kommunikation das Gebot der Stunde ist, unwirklich. Im Überfluss lässt es sich leicht fasten. Aber wenn der Verzicht nicht mehr freiwillig, sondern allgemein verordnet ist, dann kann man mit Fasten niemanden beeindrucken. Es ist ja nichts Besonderes mehr. Ist dieser Verzicht womöglich die neue Normalität, von der so viel gesprochen wird? Was glauben Sie denn?
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Die Pandemie ist abstrakt. Sie erscheint als Spiel von Zahlen und Variablen. R-Werte, Exponentielles Wachstum, Inzidenzen, Viruslasten, Übersterblichkeiten – die Pandemie ereignet sich in Zahlen, Tabellen und Statistiken. Bereits in den Frühnachrichten im Radio wird man mit den neuesten Tageswerten der lokalen Pandemiesituation geweckt. Zahlen machen eine Pandemie begreifbar – glauben jedenfalls manche. Was glauben Sie denn?
In der Corona-Pandemie ist mathematisches Wissen hilfreich, um das Infektionsgeschehen erfassen und bewerten zu können. Sinkende Werte der Virusreproduktion (der R-Wert) sind an sich gut, aber nicht immer positiv. Alles, was über „1“ ist, ist eigentlich negativ, weil das ein exponentielles Wachstum bedeuten würde. Wenn ein Infizierter mehr als eine Person ansteckt, steigt die Infektion. Erst wenn der Wert unter „1“ ist, kann sich die Situation entspannen – und das um so schneller, je weiter der Wert unter „1“ ist.
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Nichts ist normal, wenn Normalität zur Verheißung wird. Seit fast einem Jahr befindet sich das Land im Zustand des Nicht-Normalen. Das Corona-Virus befällt nicht nur Rachen, Lungen und innere Organe von Menschen; es verändert auch die Gesellschaft. Lockdowns, Distanzgebote und Kontaktregeln, Homeoffice und -schooling – all das sind mittlerweile „normale“ Zustände, die wohl niemand will Aber sie sind Realität. Was ist also gemeint, wenn Politikerinnen und Politiker von einer Rückkehr zu einer verantwortungsvollen Normalität reden? Was glauben Sie denn?
Zweifelsohne gehört die Corona-Pandemie zu den größten Herausforderungen, denen sich die gegenwärtige Generation ausgesetzt sieht. Anders als frühere Generationen sind ihr größere und anhaltende Krisen bisher erspart geblieben. Es fehlen Erfahrungswerte. Stattdessen ist der Wohlstand zunehmend gewachsen. Viele haben sich einen ansehnlichen Lebensstandard erarbeitet, konnten mehrere Male im Jahr in Urlaub fahren, ein Eigenheim und ein Auto kaufen. Viele andere blieben derweil auf der Strecke. Auch das gehört eben zur „alten“ Normalität, dass der Gartenzaun zum Wohlstand gehört und diesen sichert, während andere nichts zum Sichern haben.
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Ein Traum wird wahr. Über Jahre haben die Kirchen sich gegen den adventlichen Kitsch und den weihnachtlichen Kommerz gewehrt und gegen Weihnachtsmärkte gewettert, wo in der Adventszeit schon „O du fröhliche“ und „Stille Nacht“ aus den Lautsprechern dröhnte. Man bepredigte mit großer Erfolglosigkeit das sture und verstockte Volk, das schon seit November die heimischen Fenster beleuchtete und mit dem 1. Advent jene Tannenbäume aufstellte, die am Heiligen Abend ihre grünen Nadeln leise rieseln ließen – ein Vorgang, der vor dem Klimawandel dem Schnee zukam. Der darf dann einige Tage später schon an die frische Luft. Weihnachten ist halt am 26.12. vorbei. Sylvester kann kommen. Da kann die Kirche so viel reden, wie sie will! Was glauben Sie denn?
In diesem Jahr aber ist alles anders. Corona sei Dank! Immerhin: Im Radio wird wieder „Last Christmas“ von Wham! gespielt. Es gibt halt auch in der Krise Kontinuitäten des Kitsches, die Halt geben. Das Land entdeckt seine christlichen Wurzeln wieder. Natürlich wird Weihnachten gefeiert. In den letzten Jahren ließ man ab dem dritten Advent in den Medien Psychologinnen und Familientherapeuten Ratschläge für ein friedliches Fest des Friedens erteilen. Auch das ist in diesem Jahr anders: Die Sehnsucht nach Familienbesuch stellt selbst die größten Krisen in den Schatten. Hurra, so locker war Weihnachten nie! Die Familie kann feiern. Gut verteilt kann man es da vom Heiligen Abend bis zum 2. Weihnachtstag auf dreißig intensive Begegnungen bringen (Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt!). Selbstredend halten alle Abstand, lüften und tragen bei Gänsebraten, Kartoffelsalat und Christstollen Maske. Alles safe, alles sicher! Glauben Sie das etwa nicht?
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Die Pandemie macht das Selbstverständliche zum Außergewöhnlichen. Der Espresso im Lieblingseiscafé, die herzlichen Begrüßungen, die Familienfeiern – was selbstverständlich war, ist mittlerweile nicht nur außergewöhnlich, sondern vieles sogar unmöglich geworden.
An das Selbstverständliche gewöhnt man sich schnell. Freiheit, Reisen, Gesundheit – all das ist für die gewöhnlich, die genug davon haben. Erst wenn es knapp wird mit der Freiheit, den Möglichkeiten zu reisen oder der Mensch erkrankt, wird das Selbstverständliche zum Besonderen. Das gehört für viele, die immer schon am Rand der Gesellschaft stehen, zum Selbstverständlichen ihres Lebens. Wer von Grundsicherung oder Hartz IV lebt, freut sich schon über den Kaffee beim Stadtspaziergang, für den man vorher die letzten Cent zusammenkramen muss. Was für die einen selbstverständlich ist, ist für viele jetzt schon außergewöhnlich. Was glauben Sie denn?
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Es ist wieder so weit. Die politischen Entscheidungsträger in Stadt, Land und Bund mussten angesichts der in die Höhe schnellenden Zahlen von Menschen, die sich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert haben, Entscheidungen treffen. Ob die Entscheidungen die wirklich richtigen sind, wird man in einigen Wochen sehen. Wenn die Infektionszahlen sinken, haben die Entscheiderinnen und Entscheider alles richtig gemacht. Wenn sie nicht sinken, waren sie falsch. Das Land und die Stadt jedenfalls werden vorläufig zumindest in Teilen ruhig gestellt. Weihnachtmärkte werden nun endgültig abgesagt. Theater, Kinos, Gastronomie schließen. Auch der Hl. Martin wird nicht so reiten, wie es einmal geplant war. Es bleibt die Hoffnung, dass seine Botschaft, Licht ins Dunkel zu bringen, trotzdem aufscheinen wird. Es gibt immer eine Hoffnung wider alle Hoffnung … Was glauben Sie denn?
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