Dies Domini – 6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Jedem Geheimnis wohnt ein Zauber inne, eine Magie, dessen Energie manchen Geheimnisträger so mitreißt, dass der Mund überfließt, wovon das Herz voll ist. Manche Nachricht verbreitet sich um so schneller, je höher man sie zum Geheimnis stilisiert. Auch Kirche und Politik sind nicht vor der Macht des Geheimnisses gefeit. Und selbst da wo ein Geheimnis tatsächlich geheim bleibt, breiten sich die Gerüchte aus. Die stets gut informierten Kreise zeigen dabei stets aufs Neue, dass Narziss stärker ist als Sokrates: Obwohl sie wissen, dass sie nichts wissen, siegt das Bedürfnis der Selbstdarstellung über das Eingeständnis, eigentlich nicht zum Kreis der auserwählten Entscheidungsträger zu gehören. Und so wähnt sich mancher berufen, bei anstehenden Personalentscheidungen, aus ausgeworfenen Brocken einen Brei angeblich hochbrisanter Interna zusammen zu brauen, der im Innersten immer noch das ist, was er war: Erbrochenes Nichtwissen.
Der geradezu mythische Prototyp dieser Spezies ist Ernie aus der Sesamstraße. Kaum vertraut man ihm ein Geheimnis an, muss er es laut hinausposaunen. Ernie ist der Schutzpatron aller Gerüchteverbreiter und Geheimnisverräter, die nur deshalb vor Verfolgung geschützt sind, weil sie das eigentliche Geheimnis gar nicht kannten. Die Erniesierung von Kirche und Politik selbst allerdings ist mächtig. Noch heute behaupten manche Journalisten standhaft, sie hätten Kenntnis über die Liste der Kandidaten, die für die letzte Wahl zum Kölner Erzbischof in Frage kamen. Man muss sich das klar machen. Die Liste ist nur den Mitgliedern des Domkapitels bekannt, die zum strengsten Schweigen verpflichtet sind. Entweder ist also Ernie Mitglied des Kölner Domkapitels oder einer der Herren ist eidbrüchig geworden, was ihn für das vertrauensvolle Amt sofort diskreditieren würde. Wie könnte man da noch zusammenarbeiten?
Die menschliche Lust am Geheimnis bleibt aber ungebrochen. Wonne- und lustvoll werden hinter vorgehaltener Hand die neuesten Nichtigkeiten ausgetauscht, denn wer eine Geheimnis hat, gehört doch dazu. Wen interessiert es da schon, ob das Geheimnis überhaupt wahr ist. Wen interessiert schon die Wahrheit, wenn man einen interessante Neuigkeit hat?
0 Kommentare
Dies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr A
Der Glaube ist eine Herausforderung, die mit Verstand bewältigt werden will. Wer die frohe Botschaft nicht bloß nachplappern, sondern verkünden will, der muss überzeugen können. Man kann aber nur dann überzeugen, wenn man selbst von dem überzeugt von dem ist, was man redet und tut. Überzeugung hingegen ist eine Haltung der Erkenntnis, eines Verstehens, das ohne Verstand nicht möglich ist.
Zu einer solchen Haltung gehört eine prinzipielle Offenheit für das Neue, das Kommende, das Streben nach tieferer Erkenntnis, die letztlich nichts anderes ist als ein Fortschreiten des Verstehens. Ein Glaubender, der nicht damit zufrieden ist, katechetische Sätze einfach auswendig zu lernen und phonetisch korrekt zu rezitieren, auch wenn das was der Mund spricht weder das Herz und noch weniger den Kopf erreicht haben, kann nicht anders als sich selbst immer wieder zu relativieren. Die Relativierung nimmt die Relation, also die Beziehung eines zu betrachtenden Gegenstandes zum Betrachter ernst. Mag auch der Gegenstand unveränderlich sein – der Betrachter ist es nicht. Er ist allein schon aufgrund seiner irdischen, raum-zeitlichen Existenz dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen. Erfahrungen, die er in jungen Jahren noch nicht hatte, verändern seinen Blick. Ängste, die die Jugend noch nicht kennt, können ihn trüben, ein aus Geben und Nehmen gewachsenes Vertrauen in das Leben können ihn weiten. Erkenntnis hat man daher nicht, Erkenntnis wächst. Selbst die Erkenntnis der absoluten Wahrheit ist also relativ, wird sie doch vom Blickwinkel, von der Haltung des Erkennenden, seinen Vorerfahrungen, seinen Ängsten und Hoffnungen bestimmt. Die Wahrheit bleibt, die Methode, der Weg, sie zu finden, ist hingegen relativ.
Es ist also wenig verwunderlich, wenn in der vergangenen Woche zu lesen war, Papst Benedikt XVI habe einen Aufsatz, den er 1972 geschrieben hatte, über vierzig Jahre später mit anderen Augen sieht. Der Vorgang allerdings erregt deshalb großes Aufsehen, weil er sich mit der Frage der Unauflöslichkeit der ehe befasst. Josef Ratzinger wagt 1972 den Versuch,
0 Kommentare
Dies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis/Weihetag der Lateranbasilika, Lesejahr A
Vorbei ist die Zeit, in der man Kathedralen baute. Gekommen ist die Zeit der Eigenheime. Gegangen ist die Zeit, in der Menschen nicht Kosten und Mühen scheuten, um dem Glauben an einen Gott, der den Himmel auf die Erde kommend verließ, in lichtdurchfluteten Hallen Gestalt zu geben. Genaht ist die Sehnsucht nach kuscheliger Gemütlichkeit. Gewichen ist die Generationen übergreifende Opferbereitschaft und Mühsal, die zu schier übermenschlicher Leistung anspornende Kraft eines Glaubens, der noch Jahrhunderte später mit seinen für eine erhoffte Ewigkeit steingewordenen Zeugnissen Staunen hervorruft; gewichen ist sie einer Berufung auf die eigene Glückseligkeit, die sich an der Illusion einer Berufung berauscht, deren Exklusivität sich in der Zugehörigkeit einer immer kleiner werdenden Herde erweist, die sich in frommem Selbstbetrug als heiliger Rest eines einstmals auserwählten Volkes verstehen möchte – und doch nicht kann. Denn die Angst dieser kleinen Herde erweist sich in der Abschottung einer Welt gegenüber, die voller Gefahren für das eigene kleine Glaubensleben ist. My home ist my castle – König ist im Käfig des selbstgebauten Eigenheims selbst der Fromme, der der Welt gegenüber die Rechenschaft für seinen Glauben schuldig bleiben muss; einen Glauben, der eben keine Kathedralen zu schaffen vermag.
Die Welt wartet nicht auf die Kirche – das ist die Erfahrung, die vor kurzem eine Delegation des Dekanates Paderborn bei einem Besuch der Katholischen Citykirche Wuppertal machte. Sie war mit auf die Straße gegangen, wie es üblich für die Katholische Citykirche Wuppertal ist. Wenn die Kirche auf die Straße geht und der Welt begegnet, vergegenwärtigt sie auch heute noch die Erfahrung, die im Johannesprolog fast lapidar zum Ausdruck gebracht wird:
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Johannes 1,10f)
Wer sich in der Nachfolge Jesu, des fleischgewordenen Logos, in die Welt begibt, wird diese Erfahrung teilen. Wer die kuschelige Gemütlichkeit der Kirchenkreise mit gestalteter Mitte verlässt, um mitten unter die Menschen zu gehen, der macht diese urtypische Erfahrung des Logos neu: Die Welt wartet nicht auf die Jüngerinnen und Jünger des Auferstandenen.
0 Kommentare
Dies Domini – 19. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Das Auge gehört sicher zu den komplexesten Organen, die die Evolution hervorgebracht hat. Die Komplexität dieses Organs, die Umwandlung photonisch-physikalischer Impulse in elektrische Signale, die das Gehirn als Bilder wahrnimmt, ist für sich genommen schon eine Herausforderung. Der Mensch ist zwar in der Lage, die optischen Signale als solches in Film und Foto zu fixieren. Die vitale Qualität des Reiz-Reaktions-Schemas und die menschliche Fähigkeit, die optischen Reize mit Bedeutung zu versehen, ist bisher nicht künstlich zu reproduzieren. Nicht selten ist es daher gerade die Komplexität des Auges, die angesichts dieses Meisterwerkes der Evolution vor die Frage führt, ob ein solches Organ wirklich nur ein Produkt des Zufalls sein kann.
Das Auge versetzt den Menschen in die Lage, die Farben und Formen der Welt wahrzunehmen. Er erkennt die Vielfalt und Buntheit der Welt, in der er seinen Platz finden muss. Sehen und Erkennen werden nicht umsonst in der deutschen Sprache synonym verwendet. Allein der Aspekt des Erkennens zeigt schon, dass „Sehen“ nicht nur ein optisches Phänomen ist. Man muss nicht physikalisch sehen können, um Erkenntnis über die Vielfalt der Welt zu erlangen.
Um so erstaunlicher ist es, dass viele Menschen – nicht nur in der Gegenwart – offenkundig nur zu einem Denken in Schwarz-Weiß-Mustern in der Lage sind. Grauabstufungen und Buntheit sind wohl zu komplex und überfordern das eigene, selbstgestrickte Weltbild. Eine Welt, die in Freunde und Feinde aufgeteilt ist, ist leichter zu beherrschen als eine differenzierte Welt, in der man seinen eigenen Standpunkt immer wieder selbst in Frage stellen muss. Eine bunte Welt fordert intensive Kommunikationen, ständige neue Selbstvergewisserungen, weil nichts so scheint, wie es eben noch aussah. Eine bunte Welt fordert ständige Evolution, Weiterentwicklung des Selbst. Das ist anstrengend und herausfordernd. Manch einer möchte da doch lieber weiter bei seinen einfachen Denkmustern bleiben.
0 Kommentare
Dies Domini – Pfingsten, Lesejahr A
Ein Kindergarten ist ein Abbild des Lebens. Wer immer begreifen möchte, wie Gesellschaften funktionieren, braucht nur einen Tag im Kindergarten zu verbringen. Die gruppendynamischen Gesetze sind hier unverstellt und in Reinform zu beobachten. Nach vorsichtigem Abtasten formen sich schnell typgerechte Rollenzuweisungen aus. Da ist das stille Kind, das aus der Distanz – manchmal mit dem Neid der Sitzengebliebenen – beobachtet, wie die anderen herumtollen. Dann gibt es das laute Kind, das nach Aufmerksamkeit lechzt. Dann gibt es das Konstrukteurskind, das die höchsten Türme baut, und das altkluge Kind, das immer eine Antwort hat und redet wie die Erwachsenen. Es gibt aber auch das Forscherkind, das das Terrain, das erst vor drei Jahren von der letzten Forschungsexpedition erschlossen wurde, kurz vor dem Kindergartenzaun hinter der Hecke neu entdeckt. Und das wehleidige Kind gibt es auch, das selbst nach kleinen Remplern ein Pflaster braucht. Es gibt auch das Chefkind, das der Bande vorsteht und bestimmt, was getan wird. Vor allem aber gibt es das liebe Kind, das die Leitung der Gruppe so mag. Darauf sind die anderen neidisch. Denn alle wollen geliebt werden. Alle wollen das liebe Kind sein. Für die Aufmerksamkeit der Erzieherin oder des Erziehers, für dieses eine öffentliche Lob, da geben die Kinder alles: Das hast du gut gemacht!
Zu den Gesetzmäßigkeiten eines Kindergartens gehört, dass selbst das Chefkind eigentlich nichts zu sagen hat. Die Gruppenleiterin bzw. der Gruppenleiter hat das Sagen. Und was er bzw. sie sagt, ist Gesetz. Sonst wird geredet. Geredet und besprochen, dass das so nicht geht, weil die anderen dann traurig sind. Es wird geredet, bis die Worte die Ohren verstopfen und der kleine, gerade erwachte Verstand unter dem Torf sozialpädagogischer Konfliktbewältigung erstickt. Vielleicht hören Kinder gar nicht auf das, was man ihnen sagt; vielleicht kapitulieren sie einfach vor der Macht der Worte, damit sie endlich wieder Kind sein und spielen gehen dürfen. Wenn der Preis heißt: Sei lieb! – dann muss es wohl sein. Wenigstens jetzt. Irgendwann, wenn die Kinder groß sind, ja dann werden sie es allen zeigen.
15 Kommentare
Dies Domini – 5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Worte können die Welt verändern. Und manches Wort ist schärfer als ein Schwert. Wer mit Worten umzugehen weiß, ist mächtig. Und dass Worte gefährlich sein können, erfahren gerade in der letzten Zeit viele Wortgewandte ganz gewaltig. Es ist nicht nur die unschickliche Bemerkung eines scheidenden Erzbischofs über die Bedeutung der Religionszugehörigkeit für den Wert von Familien, die vor kurzem für rechten Unbill und heilige Entrüstung sorgte. Auch andere, für die das Wortführen geradezu existentielle Bedeutung hat, haben erfahren müssen, dass gewandte Worte sich gegen den wenden können, der sie verwendet: Publizistinnen und Politiker, Politikerinnen und Publizisten setzen eben manchmal nicht nur schneidige verbale Attacken, sondern drehen mit Worten auch an der Wirklichkeit. Zuletzt waren es die Feministin und Publizistin Alice Schwarzer und der ehemalige NRW-Landesfinanzminister und CDU-Schatzmeister Helmut Linssen, die durch ihr Finanzgebaren die eigene Glaubwürdigkeit verschacherten.
Glaubwürdigkeit ist das eigentliche Kapital all derer, die mit Worten und vom Wort leben. Das Wort allein ist ein Nichts. Das Wort ist lediglich eine semantische Hülle für etwas, das es bezeichnet. Worte können solche Wirklichkeiten schaffen. Worte können wirken. Damit das gelingt bedarf es der Übereinstimmung von dem, was als Wort gesagt wird, und dem, was gemeint ist. Erst diese Kongruenz macht das Wort scharf und wirkmächtig. Fehlt diese Kongruenz, erweist sich ein gesprochenes Wort als hohl und gebrochen.
Die Macht des Wortes erweist sich erst in der Tat. Selbst die Schöpfungsmacht des göttlichen Wortes erweist sich erst darin, in dem die Schöpfung wirklich wird. Wahre Worte stehen in einer unauflösbaren Korrelation mit einer Tat, die dem Wort entspricht. Erst indem das Wort Fleisch wird, erweist es seine Wirkmächtigkeit. So erweist sich in der unüberbietbaren Fleischwerdung des göttlichen Wortes in Jesus Christus, dass Gottes Verheißungen mehr als hohle Wort sind: Gott ist treu!
0 Kommentare
Der Glaube an einen dreifaltigen Gott stellt eine Herausforderung dar. Nicht nur der modern aufgeklärte und naturwissenschaftlich konditionierte Mensch stößt sich an der Gleichung „1=3“. Auch der interreligiöse Dialog mit den anderen monotheistischen Religionen steht angesichts des trinitarischen Dogmas immer wieder vor Kommunikationsschwierigkeiten.
Es liegt im ureigensten Ansatz und Auftrag der Katholischen Citykirche Wuppertal, neue Wege zu den Menschen zu suchen. Dazu gehen wir an die Orte, an denen die Menschen leben – eben auch auf die Straßen und Plätze der Stadt. Nicht selten kommt es dabei auch zu Begegnungen und Gesprächen mit Muslimen. Hin und wieder werden wir dabei auch nach diesem aus muslimischer Sicht eigenartigen Glauben an einen Gott in drei Personen gefragt. Mit einem jungen Muslim entspann sich so eine interessante Diskussion. Die Erklärung, dass Christen an einen Gott glauben, der sich in einer dreifachen Weise zeigt – als schöpferischer Vater, als menschgewordener Sohn und als im Menschen Wohnsitz nehmender Heiliger Geist, wurde mit der Frage gekontert, wie das den sein könnte, dass Gott an drei Stellen gleichzeitig sei.
2 Kommentare