Dies Domini – 3. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Zeit kennt kein Comeback. Sie ist nicht reproduzierbar. Vergangene Zeit ist unwiederbringlich verloren. Zeit ist deshalb ein mehr als wertvolles Gut. Zeit ist Leben und Leben ist Zeit. Jemandem die Zeit zu stehlen ist zwar nicht justiziabel; gleichwohl wird dem so betrogenen Menschen ein Stück seines Lebens genommen. Der scheinbare Überfluss an Zeit ist da nur ein Täuschung.
Einmal verlebte Zeit ist verbraucht. Es ist gerade die Gewissheit des Todes, die früheren Generationen den Wert der Zeit vor Augen führt: Carpe diem – Hüte den Tag, das erweist der Zeit in dem Bewusstsein des memento mori, des „Bedenke, dass du sterben wirst“, eine besondere Ehre. Was jetzt verlebt wird, ist unwiederholbar gelebt, verlebt, genutzt oder verloren. Wer sich dessen bewusst ist, hat keine Zeit mehr zu verlieren. Jetzt (!) muss gehandelt, geliebt und gelebt werden. Die Zeit ist jenes Paradigma, das der Freiheit die Grenze der Beliebigkeit setzt.
Vielleicht sind gerade die in Gefahr, die in ständigem Kontakt mit dem Ewigen sind, zu denken, sie hätten alle Zeit der Welt. Wie sonst redeten gerade die Verantwortlichen der Kirche permanent von Zukunftsprozessen, selten bis nie aber vom heute. Die Zukunft liegt ja immer voraus. Wenn sie kommt, ist sie schon wieder vorbei. Die Zukunft ist unkonkret, das Jetzt aber der Ort des Lebens.
Deshalb wird, wer nur auf die Zukunft schaut, das Leben heute verpassen. Hier liegt doch der tiefere Sinn der Verheißung Jesu:
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Dies Domini – Dritter Adventssonntag, Lesejahr B
Ist es eine feindliche Übernahme, wenn die Welt einfach Weihnachten feiert, ohne die Kirche zu fragen? Den Eindruck kann man gewinnen, wenn man den belehrenden Ton wahrnimmt, mit dem eifernde Kirchenmänner und -frauen bisweilen auf die Art und Weise reagieren, mit der die modernen Zeitgenossen den Advent als fröhliche Vorweihnachtszeit begehen. Während in den Kirchenräumen das bußfertige Violett vorherrscht, dass am 3. Adventssonntag hier und da als „Halbzeitgabe“ in ein helles rosa aufgelockert wird, und man die eigene, gegenwärtig kaum erfahrene Menschennot besingt, erklingt draußen an den Glühweinständen schon in vorweihnachtlicher Freude das „O du fröhliche“ oder „Jingle Bells“. Mit ingrimmig erhobenem Zeigefinger wird dann in Predigten, Twitternachrichten und Facebook-Postings darauf hingewiesen, dass der Advent gefälligst eine Zeit der Erwartung, vor allem aber der Besinnung und – begreift es endlich! – stillen (!!!) Zeit sei. Das Weltenvolk indes scheint sich an den lautstark vorgetragenen Mahnungen zu Stille nicht mehr zu stören, sondern freut sich einfach weiter auf das Weihnachtsfest.
Vorfreude ist schließlich die schönste Freude. Vielleicht hat die Kirche genau das verlernt – sich vorzufreuen. Wenn sie genau hinschauen würde, dann könnte sie entdecken, dass Volkes Geist und Stimme wohl noch sehr genau die Heiligkeit der Weihnacht spürt. Auch wenn nicht mehr jede und jeder die theologische Tiefe der Menschwerdung Gottes bekennen kann, so ergreift das Weihnachtsfest doch von der Gesellschaft als Ganzer Besitz. Wer am Heiligen Abend nach Einbruch der Dunkelheit durch Stadt und Land fährt, kann unmittelbar und geradezu körperlich spüren, wie die Welt den Atem anhält. Es ist, als synchronisiere sich die Gesellschaft in dieser Nacht. Ob man glaubt oder nicht – in dieser Nacht sitzen alle unter dem Weihnachtsbaum – die Christen und viele Nicht-Christen – beschenken sich, freuen sich, essen gemeinsam. Alles läuft auf das Weihnachtsfest zu. Es ist der Höhepunkt dieser Jahreszeit – ein wahrhaft heiliger Höhepunkt, an dem die Welt für einen kurzen Moment den Atem anhält, um kurz darauf wieder in den Alltag mit all seinen unterschiedlichen Herausforderungen zurückzukehren.
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Dies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Die neutestamentliche Lesung und in gewisser Weise auch das Evangelium dieses Sonntags stellen uns ein Thema vor Augen, dass jeder und jedem von uns zwangsläufig in seinem Leben, genauer -spätestens am Ende seines irdischen Lebens, begegnet wird: den Tod. So formuliert es auch das Handblatt der Katholischen Kirche, herausgegeben vom Erzbistum Köln „Angesichts des Todes“:
„Zum Leben gehört der Tod – natürlich und unausweichlich.“
Und damit verbunden stellt sich dann auch unweigerlich die Frage ob und wie es nach dem Tod weitergeht. So heißt es weiter:
„Die christliche Antwort auf diese Frage ist die Hoffnung, die Zuversicht, dass Gott dem Menschen, den er geschaffen hat, treu ist – auch über den Tod hinaus.“
Die Fürbitte, die bei jeder Beerdigung gesprochen wird, zeigt die Verbindung zwischen der Aufforderung des Evangeliums
„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13),
was im biblischen Zusammenhang den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi und damit der Vollendung der Welt meint und dem Lesungstext, der sich mit der Perspektive auf ein Leben nach dem Tod befasst, auf, wenn es heißt:
Wir beten für den aus unserer Mitte, der dem Verstorbenen/der Verstorbenen zuerst vor das Angesicht Gottes folgen wird.
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Dies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr A
Der Glaube ist eine Herausforderung, die mit Verstand bewältigt werden will. Wer die frohe Botschaft nicht bloß nachplappern, sondern verkünden will, der muss überzeugen können. Man kann aber nur dann überzeugen, wenn man selbst von dem überzeugt von dem ist, was man redet und tut. Überzeugung hingegen ist eine Haltung der Erkenntnis, eines Verstehens, das ohne Verstand nicht möglich ist.
Zu einer solchen Haltung gehört eine prinzipielle Offenheit für das Neue, das Kommende, das Streben nach tieferer Erkenntnis, die letztlich nichts anderes ist als ein Fortschreiten des Verstehens. Ein Glaubender, der nicht damit zufrieden ist, katechetische Sätze einfach auswendig zu lernen und phonetisch korrekt zu rezitieren, auch wenn das was der Mund spricht weder das Herz und noch weniger den Kopf erreicht haben, kann nicht anders als sich selbst immer wieder zu relativieren. Die Relativierung nimmt die Relation, also die Beziehung eines zu betrachtenden Gegenstandes zum Betrachter ernst. Mag auch der Gegenstand unveränderlich sein – der Betrachter ist es nicht. Er ist allein schon aufgrund seiner irdischen, raum-zeitlichen Existenz dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen. Erfahrungen, die er in jungen Jahren noch nicht hatte, verändern seinen Blick. Ängste, die die Jugend noch nicht kennt, können ihn trüben, ein aus Geben und Nehmen gewachsenes Vertrauen in das Leben können ihn weiten. Erkenntnis hat man daher nicht, Erkenntnis wächst. Selbst die Erkenntnis der absoluten Wahrheit ist also relativ, wird sie doch vom Blickwinkel, von der Haltung des Erkennenden, seinen Vorerfahrungen, seinen Ängsten und Hoffnungen bestimmt. Die Wahrheit bleibt, die Methode, der Weg, sie zu finden, ist hingegen relativ.
Es ist also wenig verwunderlich, wenn in der vergangenen Woche zu lesen war, Papst Benedikt XVI habe einen Aufsatz, den er 1972 geschrieben hatte, über vierzig Jahre später mit anderen Augen sieht. Der Vorgang allerdings erregt deshalb großes Aufsehen, weil er sich mit der Frage der Unauflöslichkeit der ehe befasst. Josef Ratzinger wagt 1972 den Versuch,
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