Dies Domini – 2. Fastensonntag, Lesejahr C
Menschenfischer sind keine Architekten. Das Streben nach stabilen Verhältnissen ist menschlich verständlich, erweist sich faktisch aber als Illusion. Alles Planen und Bilden von Theorien bleibt schöner Schein wenn die Wirklichkeit des Lebens nicht in Rechnung gestellt wird. Auch das theologische System der Kirche ist ein fein austariertes Gerüst, das vor allem durch die feine Firnis theologischer Axiome zusammengehalten wird, deren Hinterfragung auf Allgemeingültigkeit in sich schon unter dem Verdacht defätistischer Destabilisierung steht. Jede pastorale Planungsstrategie, jeder sitzungsreich beschworene Aufbruch, jeder Leitbildprozess und jede ekklesiale Zukunftskonferenz der letzten Jahre und Jahrzehnte stand unter dem Signum, dass sich innerkirchlich letztlich nichts ändern wird. Auch im mit wohlwollender Aufmerksamkeit aufgenommenen Fastenhirtenbrief des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki aus dem Jahr 2016 findet sich dieses Dilemma: Es wird viel von der Verantwortung der Getauften und Gefirmten geredet, die man jetzt eben nicht mehr missverständlich als „Laien“ bezeichnet, weil es unter den Getauften und Gefirmten eben auch eine stattliche Anzahl hochqualifizierter Profis gibt; es wird auch – seit den 1970er Jahren zum wiederholten Mal – das Paradigma beschworen, dass man endlich von einer versorgten zu einer mitsorgenden Kirche werden muss. Das alles klingt nach Aufbruch und viele wittern nicht zu Unrecht Morgenluft. Doch dann wird bei allem Streben nach Dezentralisierung der Aufbruch doch wieder an die alte Kette des hierarchischen Priestertums genommen:
1 Kommentar
Dies Domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr A
In diesen Tagen bekommen viele Hauptamtliche, die im pastoralen Dienst stehen, Post von einer interdisziplinären Forschungsgruppe. Diese Forschungsgruppe führt eine unabhängige und anonyme Fragenbogenstudie mit dem Titel „Wie es mir als Seelsorger/in heute geht …“ durch. Der Fragebogen erhebt Angaben zur Spiritualität und Gesundheit, zur Zufriedenheit und zur privaten Lebenssituation, zum „Stress“ (die Anführungszeichen befinden sich – warum auch immer – tatsächlich auf der Frontseite des Fragebogens), zum Engagement im Dienst, zur Wertschätzung der eigenen Tätigkeit und vielem anderen mehr. Ziel ist laut Auskunft der Befrager „die Bereitstellung von aktuellem Grundlagenwissen zur Förderung (…) der Gesundheit und (…) Zufriedenheit im Dienst.“ Motivierend wird hinzugefügt:
Es geht um Sie und Ihr Wohlergehen! (aus den Hinweisen zum Ausfüllen des Fragebogens)
Das ist eine interessante Motivation für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Nicht dass der Umgang mit eigenen Ressourcen gelernt werden muss. Nicht dass es notwendig wäre, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu kennen. Nicht dass es für alle, die das Wort Gottes in Wort und Tat verkünden sollen, wichtig ist, dies in der Authentizität des eigenen Lebens zu bezeugen. Nicht dass es wünschenswert wäre, wenn das auch noch Spaß macht. Die Selbstfixierung, die hinter der motivierenden Ansage steht, findet sich allerdings schon seit vielen Jahren in den Äußerungen pastoraler Dienste, seien es geweihte oder ungeweihte, die eine zunehmende Meisterschaft der Abgrenzung entwickelt haben und Könner im Nein-Sagen geworden sind. Nein, es geht hier nicht um das Lob der Selbstausbeutung. Der Auftrag, den hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger haben, besteht allerdings nicht in der eigenen Seelenpflege, sondern in der Sorge um die Seelen anderer. Nicht das Ich sollte im Vordergrund stehen, sondern das Du.
Das ist tatsächlich angesichts der gegenwärtigen Umbruchsituationen von Bedeutung. Die Kirchengeschichte kennt viele solcher Umbruchsituationen. Bei näherem Hinsehen kann man sogar die Frage stellen, ob es überhaupt einmal eine ruhige Phase in der Kirchengeschichte gegeben hat. Das Axiom „ecclesia semper reformanda“ (die Kirche ist ständig zu erneuern) lässt demgegenüber eher darauf schließen, dass Veränderung und Umbruch geradezu Wesenseigenschaften der Kirche sind. Ihr Auftrag besteht in der ständigen innovativen Inkulturation der frohen Botschaft in die jeweiligen Zeiten und Kulturen hinein. Bleibt der Inhalt der ihre anvertrauten Botschaft auch gleich, die Form ist doch in ständigem Wandel. Es gilt daher nicht die Alternative Bewahrung oder Entwicklung, sondern das Ineinander von Bewahrung und Entwicklung. Tradition ist kein Zustand, sondern ein Prozess!
3 Kommentare
„Es war einmal“ – so fangen gewöhnlich Märchen an. Jedem, der sie hört oder liest, ist klar: Das, was jetzt kommt, ist so nicht geschehen; aber das was erzählt wird, besitzt trotzdem Wahrheit. Es ist eine Wahrheit, die tiefer liegt als das bloß Sicht- und Messbare. Es ist die Moral von der Geschichte. Es ist eine ethische Wahrheit. Märchen sind wahr und wirklich. Sie wirken, weil Geschichten mehr erinnert werden können als Lehren.
„Es war einmal“ – mit diesen Worten beginnt auch das Evangelium des 26. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahrs C nach der Einheitsübersetzung. Wörtlich übersetzt müsste der Anfang heißen: „Es war ein gewisser Mensch.“ Die Einheitsübersetzung liegt trotzdem auf der richtigen Linie. Denn die Geschichte, die Jesus erzählt, ist eingebettet in einen Dialog, den er mit den Pharisäern im Anschluss an seine Mahnung führt, man könne nicht zwei Herren dienen, Gott oder dem Mammon. Von denen, mit denen Jesus spricht, wird gesagt, sie hingen am Geld und lachten über Jesus (vgl. Lukas 16,14). Jesus hält ihnen ihr bigottes Verhalten entgegen:
Ihr redet den Leuten ein, dass ihr gerecht seid; aber Gott kennt euer Herz. Denn was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel. (Lukas 16,15)
Daran schließt sich ein kurzer Exkurs über die Gültigkeit des Gesetzes an, dessen Zeit mit Johannes – gemeint ist Johannes, der Täufer – zu Ende ging; jetzt ist die Zeit des Reiches Gottes. Das Gesetz aber vergeht nicht. Die, die sich auf das Gesetz berufen und glauben, ihr Wohlstand zeige an, wie sehr Gott sie für das Befolgen des Gesetzes belohne, werden die Folgen des Gesetzes zu tragen haben.
0 Kommentare