Wenn je ein Krieg vernünftig wäre, hätte man ihn nie geführt. Sie finden nicht auf begrenzten Spielfeldern statt, wie es Gesellschaftsspiele suggerieren. Der Krieg bricht in den Alltag ein, nimmt das Leben Unschuldiger, dröhnt, lärmt und traumatisiert diejenigen, die überleben – oft über Generationen hinweg. Die lebende Generation ist direkt betroffen, die Generation der Kinder auch; beide werden ihre lebendigen Erinnerungen an die Enkelgeneration weitergeben. Erst in der vierten Generation wird das Trauma langsam im Nebel der Geschichte und der Hass aus den Herzen verschwinden. Was auch immer die Mächtigen als Rechtfertigung für einen Krieg anführen: Ihr Handeln spielt mit dem Leben gegenwärtiger und zukünftiger Generationen. Nichts, aber wirklich nichts rechtfertigt das Töten. Das Helmut Schmidt zugeschriebene Wort, es sei besser 1000 Stunden zu verhandeln, als eine Minute zu schießen, ist richtig. Warum also hat der russische Präsident den Pfad des Verhandelns nicht beschritten und die tödliche Gewalt der Waffen freigelassen? Was glauben Sie denn?
Nun wurde der Krieg in der Ukraine entfesselt. Es ist unstrittig, dass das Land völkerrechtswidrig überfallen wurde. Strittig ist die Frage, wie die, die nicht unmittelbar Kriegspartei sind, reagieren sollen. Sollen Waffen geliefert werden oder nicht? Ist Unterwerfung um eines lieben, letztlich aber trügerischen Friedens willen wirklich eine Verhandlungsoption? Niemand, der mit Verantwortung auf den Konflikt blickt, kann sich dem Dilemma entziehen. Da kluge, letztlich aber zynische Ratschläge ohne wirkliche Übernahme von Verantwortung zu geben, macht aus einem existentiell bedrohlichen Konflikt ein Gesellschaftsspiel: „Ich überlasse Dir die Schlossallee, wenn ich dafür die Turmstraße behalten darf.“ Dabei gehört den Unbeteiligten weder die Turmstraße noch die Schlossallee. Wir stehen nur da und sehen das Sterben und das Leid der Menschen – und es gruselt uns, dass uns das selbst passieren könnte. Immerhin hat Russland Atomwaffen – und die Raketen sind in wenigen Minuten in Berlin und London. Das schürt Ängste, selbst betroffen sein zu können. Sollen die Angegriffenen also stillhalten und sich unterwerfen, damit bei uns alles so bleibt, wie es ist? Dafür probt man den Schulterschluss und veröffentlicht Manifeste, die ebenso wenig zum Frieden führen werden, wie gut gemeinte Gebete.
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Dies Domini – 14. Sonntag im Jahrekreis, Lesejahr B
Wer auf den Mund gefallen ist, ist immer auch tief gebeugt. Man braucht sich bloß die damit verbundene Körperhaltung vorstellen, um zu erkennen, dass Aufrichtigkeit das Gegenteil einer solch scheinbar demütigen Duldsamkeit ist. Ist es ein Zufall, dass diejenigen, die den Glaubenden immer wieder das betende Knien anempfehlen auch jene sind, die bisweilen lautstark das Lob des Schweigens predigen? Eine hörende Kirche sei immer eine gehorsame Kirche heißt es dann, wobei sich nicht selten die Frage stellt, wem der so geforderte Gehorsam geschuldet wird. Gott selbst kann es offenkundig nicht sein – zumindest nicht, wenn man die Worte der ersten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B ernst nimmt. Dort widerfährt dem Propheten Ezechiel eine Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn. Seine natürliche Reaktion ist die Niederwerfung.
So ist es immer, wenn in den Heiligen Schriften davon die Rede ist, dass die Herrlichkeit Gottes in die alltägliche Gewöhnlichkeit der Menschen hineinbricht. So mit dem Urgrund des Seins konfrontiert werden die Maßstäbe der Welt, ja wird der so herausgeforderte Mensch selbst verrückt. Das muss bereits Mose erkennen, der die Herrlichkeit des Herrn sehen möchte und Gott selbst ihm antwortet:
Ich will meine ganze Güte vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Ich bin gnädig, wem ich gnädig bin, und ich bin barmherzig, wem ich barmherzig bin. Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht schauen; denn kein Mensch kann mich schauen und am Leben bleiben. Dann sprach der HERR: Siehe, da ist ein Ort bei mir, stell dich da auf den Felsen! Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in den Felsspalt und halte meine Hand über dich, bis ich vorüber bin. Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht kann niemand schauen. (Exodus 33,19-23)
Diese Erfahrung zeigt, warum Gott in den Erzählungen der Heiligen Schrift den Menschen meist nur in vermittelter Weise begegnet. Er verbirgt sich dann hinter Engeln oder offenbart sich in Visionen. Selbst dann ist das Hereinbrechen des Ewigen in die raum-zeitlichen Wirklichkeit der Menschen offenkundig so groß, dass die, denen diese Begegnung zuteil wird, in Furch und Schrecken geraten und dermaßen außer sich sind, dass ein Großteil dieser Begegnung mit der Grußformel „Fürchte dich nicht!“ eröffnet wird. Es besteht kein Zweifel: Furcht und Schrecken sind der Lackmustest, ob eine Begegnung mit Gott echt oder doch nur die autosuggestive Halluzination einer ersehnten Außergewöhnlichkeit des eigenen Selbst ist.
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Dies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr A
Der kleine Glauben findet seinen Ausdruck im sehnsüchtigen Gebet um Erlösung. Es erscheint fast, als wolle man mit Kerzen, Kniefall, Kollektenopfer sichergehen und sich seinen Platz in der Nähe Gottes reservieren. So ist es menschlich, so kennt man es: Eine Leistung berechtigt zu einer Gegenleistung. Und so ist das, was der Mensch auf Erden wohl für Gott tut, doch eine sicherere Bank als die feste Burg Gottes, von der Psalm 46 singt:
Gott ist uns Zuflucht und Stärke, als mächtig erfahren, als Helfer in allen Nöten. (…) Mit uns ist der Herr der Heerscharen, der Gott Jakobs ist unsre Burg. (Psalm 46,2.8)
In diesem Vertrauen bewältigt der Psalmist sogar die schwierigsten Herausforderungen, die das Leben bereithält:
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Dies Domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Der moderne Mensch schätzt Regeln. Zumindest solang sie ihm und seinen persönlichen Befindlichkeiten entgegen kommen. Dann pocht er auf seine Rechte und fordert deren Erfüllung ein. Steht aber das Recht und die Regel gegen seine persönlichen Vorlieben, dann erklingt schnell die Klage der Einschränkung persönlicher Freiheiten. Alles, was der Erfüllung individueller Befindlichkeiten entgegensteht, wird dann verurteilt. Das „Ja, aber …“ ist zum Fanal der Gegenwart geworden. Sich selbst auf nichts festlegend fordern die Überlebenden der Postmoderne, die in der Religion und ihren intellektuellen Folgen und Forderungen nur die Ausgeburt menschlicher Phantasien sahen, einen Sinn, den sie längst über Bord geworfen haben. In ihrer Sehnsucht nach Halt beschränkt sich ihr Horizont auf den eigenen Vorgarten, in dem sie sich eine kleine Welt basteln, die – bitte schön – nicht nur nicht angetastet werden darf, sondern auch wie von einem Weihnachtsmann ohne eigenes Mühen mit all dem bestückt werden soll, was das eigene kleine und infantile Herz begeht.
Rechtschaffenheit und Aufrichtigkeit, Anstand und Solidarität sind in der Gesellschaft der Gegenwart keine selbstverständlichen Werte mehr. Um in den eigenen Spiegel sehen zu können, konstruieren sich viele moderne Zeitgenossen ein Pseudo-Ich, das sie hinter dem „Ja, aber …“ verstecken können. Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat die Mechanismen, die sich hinter dieser Strategie verbergen, in deinem Facebook-Posting vom 29. August 2015 mit Blick auf die Reaktionen Flüchtlingen gegenüber auf den Punkt gebracht:
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