Es war schon leichter, katholisch zu sein. Nicht erst seit der Veröffentlichung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising ist der Rechtfertigungsdruck groß. Bereits die sogenannte MHG-Studie im Jahr 2018 hatte den Missbrauch von mindestens 3677 Kindern und Jugendlichen durch 1670 Kleriker zutage gefördert. Sie war der Anlass für weitere Untersuchungen auf der Ebene der (Erz-)Bistümer. In Aachen, Köln, Berlin und nun in München wurden erste Studien veröffentlicht. Das Ausmaß an Leiden, das Betroffenen zugefügt wurde und das offenbar wird, ist erschreckend. Erschreckend ist vor allem aber auch, wie klerikale Täter von klerikalen Vorgesetzten – Bischöfen, Generalvikaren, Personalchefs und Offizialen (so die Bezeichnung für die obersten Kirchenrichter in einem Bistum) – geschützt wurden, während die von Missbrauch Betroffenen oft bis heute darum kämpfen müssen, überhaupt Gehör zu finden. Die römisch-katholische Auffassung, dass Männer durch die Weihe eine „seinsmäßige Erhöhung“ (die sogenannte ontologische Superiorität) empfangen, erweist sich in dieser Krise als fatal. Führt ein solches Übermaß an Heiligkeit nicht zu jener sakralen Sepsis, die ein Eingeständnis des eigenen Versagens, der eigenen Verantwortung und der möglichen eigenen Schuld so schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht? Was glauben Sie denn?
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