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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 12. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Selten verbreiteten sich Gerüchte schneller als in diesen Tagen. Was früher von Mund zu Ohr und von Mund zu Ohr geflüstert würde, das zwitschern heute die digitalen Spatzen aus dem virtuellen Äther in die Welt. Und wie es sich für ein Gerücht gehört, reicht es, dass es den Geruch des Möglichen verbreitet. Und dieser Geruch ist hartnäckig, denn das Mögliche ist beständiger als das Wahre. Wahr ist immer nur eine Möglichkeit, möglich aber ist vieles. Die Wahrheit zu finden, ist mühsam. Die Wahrheit ist scheu. Wer die Wahrheit sucht, muss Licht ins Dunkel bringen. Wahrheit braucht Aufklärung und Erkenntnis. Das Gerücht hingegen entlastet von den Anstrengungen der Wahrheitssuche, denn was viele gehört haben, muss doch irgendwie auch wahr sein. Der und die haben es doch auch schon gehört. Und so haftet der Geruch der Gerüchte lange in den Kleidern; gegen ihre Ausdünstungen, die schwer in der Welt liegen, kann sich der leichte und lichte Duft der Wahrheit nur schwer durchsetzen.

Gleichwohl lebt auch das Gerücht von der Lust der Wahrheitsfindung. Es verbreitet sich ja gerade aufgrund der Illusion, man würde etwas Wahres, was nur wenigen zugänglich ist, meist unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfahren. Und weil man vor Stolz in den Kreis einiger weniger Eingeweihter zu gehören platzen könnte, muss man sich natürlich mitteilen. Der Stolz der so Illuminierten lebt ja davon, dass sie vor der Welt leuchten wollen. Die eigene Eitelkeit überstrahlt dabei die Frage, ob an einem Gerücht überhaupt etwas dran ist. Denn die Aufdeckung, dass an einem Gerücht nichts dran ist, würde doch bedeuten, dass man einer Illusion aufgesessen sei. Der Illuminierte würde sich als kleines Licht offenbaren, die Einweihung als Betrug. Zu einer solchen Selbsterkenntnis sind wohl nur wenige fähig. Und so weicht die scheue Wahrheit allzu oft der Lust an einer selbstreferentiellen Relevanz.


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kath 2:30 Dies DominiZu den unzweifelhaften Helden meiner Kindheit gehörte Lefty, jener geheimnisvolle Verkäufer aus der Sesamstraße, der in der deutschen Fassung auch Schlemiehl heißt. Unvergessen die Szene, wie er dem seinerzeit nicht minder verehrten Ernie ein unsichtbares Eis verkaufen möchte. Natürlich ist das alles ganz geheim, und Lefty möchte kein großes Aufsehen um das unsichtbare Eis machen. Ernie aber, der ob der Kenntnis um dieses Geheimnis vor Glück platzen könnte, schreit es immer wieder hinaus: EIN UNSICHTBARES EIS!? – Genau … haucht Lefty, und mahnt Ernie zum Stillschweigen.

Diese Szene will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen, wenn man sich manche zeitgenössische Entwicklung ansieht. Da wird ein Fall eines Bundestagsabgeordneten bekannt, der sich offenkundig moralisch zweifelhafte Fotos über das Internet besorgt hat. Mal ist von Kinderpornographie die Rede, mal von Fotos, die zwar legal aber doch sittlich fragwürdig seien. Da der Politiker angesichts der fortgeschrittenen Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition vor einem möglichen Karrieresprung stand und als Staatsekretär in Frage kam, informierte der Innenminister den nicht zu seiner Partei gehörenden Parteivorsitzenden des potentiellen Koalitionspartners, um größeren Schaden abzuwenden. Eine Dilemmasituation, wie sie nur die griechische Tragödie kennt: Sagst du nichts, handelst du rechtlich einwandfrei – aber du wirst einen möglichen Schaden nicht verhindern können. Sagst du etwas, brichst du dein Dienstgeheimnis. Der Innenminister wählte – moralisch verständlich – den ersten Weg, bat sich aber aus, die Angelegenheit vertraulich zu behandeln.

Auf welchen Wegen auch immer: Das Geheimnis bliebt nicht das, was es sein sollte. Allzu viele wussten schließlich davon und irgendwie verlor nicht nur das Geheimnis seinen Charakter. Wo zu viele Ernies sind, da wir eine Geheimnis seines innersten Wesens beraubt und hört auf, Geheimnis zu sein. Schwatzhaft rühmen sich viele, eine Geheimnis zu kennen. Das Wissen um ein Geheimnis ist offenkundig so schön, dass einige schier vor Stolz zu platzen scheinen und der Welt mitteilen müssen, sie wüssten etwas Geheimes. … Genau! Geheim! Kannst Du schweigen? Ich nicht!


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