Dies Domini – Zwangzigster Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Es sind herausfordernde Zeiten. Wieder einmal. Klimawandel, Kriege, Katastrophen – die Welt ist unübersichtlich geworden. Wieder einmal. Das Private scheint der letzte Rückzugsraum zu sein, in dem man sich sicher wähnt. My home is my castle – ein feste Burg ist mein zu Hause. Wenn da nicht diese modernen Medien wären, durch die man die Herausforderungen der Gegenwart nicht nur in der Hosentasche mit sich führt und so immer auch griffbereit in der heimischen Burg zur Hand hat. Die heimische Burg hat auch keine Zugbrücke mehr, die Verführer und Feinde auf Abstand halten könnte. Über die sogenannten sozialen Medien dringen sie alle in die Sphäre des Privaten mit ihren einfachen Antworten ein. Was waren das noch für Zeiten, in denen man sich mühen musste, um an Informationen zu gelangen und in denen Gatekeeper, redaktionelle Türwächter Informationen aufbereiteten, gewichteten, prüften und dann präsentierten. Jetzt aber sind die Mauern gefallen. Die heimische Burg liegt blank und bloß, offen für jeden Sturm der Desinformation, der noch jede Mühe nach echter Information hinweggefegt hat. Einfache Antworten schlagen halt immer das Ringen um echte Lösungen für komplexe Phänomene. Was hilft schon Wägen und Prüfen, wenn irgendjemand irgendetwas auf Youtube gesagt oder im Internet geschrieben hat. Die neuen Naseweisen haben die Weisheit längst vertrieben, als sie der Torheit Tür und Tor öffneten. Es sind herausfordernde Zeiten. Wieder einmal.
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Dies Domini – 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Wer sich empört, hört meist nicht mehr zu. Die Gegenwart liefert genug Belege, dass es sich bei dieser These um mehr als um einen Erfahrungswert handelt. Den Kopf hochrot, der Kragen geschwollen, die Adern voller Adrenalin – da verkrampft das Trommelfell nur allzu schnell bei all dem Geschnatter und Getuschel das die vorgehaltenen Hände überwindet und zum Grundrauschen wird, dass jede Differenzierung in feine Töne als Zumutung erscheinen lässt. Die Emotion verdrängt dann nicht nur die Pflicht zur Information; sie stilisiert sich selbst als eigentliche Information. Die eingebildete Phantasie wird zur Ikone verklärt – und es gibt immer genügend Menschen, die sie verehren, weil endlich jemand ihre Neurosen ernst und dafür bare Münze nimmt. Die Unheilspropheten aller Zeiten sind Meister in der Schaffung solcher Wirklichkeiten, in denen selbst das Surreale und Irreale zu wirken beginnt und Gestalt annimmt. Die Angst alleine wird dann beschworen. Die Empörung regt sich, ohne das eine echte Alternative benannt wird. Selbst im Bereich derer, die sich auf vermeintlich christlich-sozialem Boden wähnen, ist das Gift blanker Empörung wirksam. Der böse Wolf ist und bleibt ein Phantom, das gerade diejenigen beißt, die fest an ihn glauben.
Sich zu empören, verhindert das hören – dieser Gegensatz steht auch am Beginn des Evangeliums vom 24. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C. Hören und Empören erscheinen auch dort als diametral entgegengesetzte Handlungen, die nicht nur einander auszuschließen scheinen; sie sind auch mit bestimmten Personengruppen verbunden. Auf der einen Seite stehen die Zöllner und Sünder, die extra zu Jesus kommen, um ihn zu hören; auf der anderen Seite die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich gerade darüber empören:
Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. (Lukas 15,2)
An diesem Setting scheint sich über Jahrhunderte hinweg nichts geändert zu haben. Die Arrivierten – oder zumindest diejenigen, die sich dafür halten – empören sich darüber, dass den Randständigen Aufmerksamkeit zuteil wird. Wem die Welt offen steht, bestimmen die Arrivierte immerhin noch selbst. Wo käme man da hin, wenn jeder auf die Welt auf die Idee käme, die offene Tür auch zu nutzen. Die Weltoffenheit der Empörten ist offenkundig eine Einbahnstraße, ein Boulevard der Adeligen, die die Welt als Museum nimmt, durch das man in verzückter Empörung über das ganze Elend schlendert ohne den Elenden Gehör zu schenken.
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