Dies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis, Lesjahr B
Hört man den Lesungen unseres Sonntags aufmerksam zu, so singen sie das Hohelied der Unvernunft. Es fängt schon mit der ersten Lesung an: Der Prophet Elija spricht eine völlig verarmte Witwe an und erwartet ein selbstgebackenes Brot von ihr. Das lehnt sie ab, weil sie selbst nichts mehr hat und aus der Handvoll Mehl und einem wenig Öl, das noch da ist, ihrem Kind und sich selbst die letzten Bissen zubereiten will, bevor sie verhungert. Ja, ja, meint der Prophet, mach das, aber
„mache zuerst ein kleines Gebäck für mich und bring es zu mir heraus.“ (1 Kön 17,13)
Unverschämt von dem Kerl, einer armen Witwe noch den letzten Brotkrumen abzuverlangen. Trotzdem tut sie wie verlangt und der Erfolg?
„So spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leerwerden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet.“ (1 Kön 17,14)
Und so geschieht es. Märchenhaft, aber leider auch recht unglaubwürdig.
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Dies Domini – 21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Das Zeitalter der Verschleierung werden die Historiker der Zukunft die Zeiten der Gegenwart rückblickend wohl nennen. Verschleiert sind Blick und Verstand von einer diffusen Hysterie, die dem Verständigen schleierhaft erscheint. Selbst manch ein hartgesottener Humanist, der sonst beim leisesten Hauch von Religion bereit ist, die Masken fallen zu lassen, beruft sich jetzt gerne auf die christlichen Wurzeln des Abendlands: Die Burka gehört nicht nach Deutschland.
Unabhängig von der Notwendigkeit einer kritischen Diskussion, was denn die Burka überhaupt bedeutet, ob sie überhaupt religiös begründbar ist und was hinter ihr für ein Frauenbild steckt, das zweifelsohne nicht mit den hart errungenen und keinesfalls von sich aus selbstverständlichen Werten des Abendlandes kompatibel ist, wird die Forderung eines Burkaverbotes zum Kollektivsymbol, hinterm man sich nun mutig verschanzen kann. Da hilft auch nicht der an den gesunden Menschenverstand appellierende Hinweis, dass es in Deutschland so gut wie keine Burkaträgerinnen gibt und man eine Fata Morgana bekämpft: Die edlen Ritter, die in der Neuzeit die Nachfolge von Don Quichotte angetreten haben, lieben immer noch die heiße Luft, die die Gerüchtemühlen ohne Unterlass erzeugen. Ihre wahre Unkenntnis offenbarend wird da manches durcheinandergeworfen. Ganzkörperbadanzüge – die sogenannten Burkinis – sollen gleich mit verboten werden, womit am Badestrand Frauen quasi genötigt werden, endlich einmal Haut zu zeigen. Und auch juristisch dürfte ein Burkaverbot schwer durchzusetzen sein. Man müsste ja genau definieren, welche Art von Kleidung verboten ist. Von einem Verschleierungsverbot wären sonst in der Tat – wie es der nordrhein-westfälische Innenminister mutmaßt – auch Nikolauskostüme und manche karnevalistische Verkleidung betroffen. Eine engere Definition, welche Art von Verhüllung denn nun von einem Burkaverbot betroffen ist, eröffnet hingegen unmittelbare Weg, das Verbot zu unterlaufen. Kleinere Veränderungen am textilen Gewebe – und die Burka wäre keine Burka mehr im Sinne des Gesetzes.
Man kann es also drehen und wenden wie man will: Die gegenwertige Diskussion wird nicht mehr von einer Vernunft und Verstand geleitet, sondern von einer Rhetorik des Heulens und Zähneknirschens. Das Abendland steht offenkundig an eben jenem intellektuellen Scheideweg, an dem auch die Festgäste aus dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl im Matthäusevangelium stehen (vgl. Matthäus 22,1-14): Unverhofft und unerwartet werden sie aus dem Alltag heraus zu königlichen Hochzeitsmahl geladen. Als der König den Hochzeitssaal betritt, sieht er einen, der kein Hochzeitsgewand anhat. Offenkundig hatten also alle anderen trotz der alltäglichen Einladungssituation trotzdem festlich gewandet; sie waren bereit und vorbereitet gewesen für das Unerwartbare. Der eine aber wird vom König zur Rede gestellt, kann aber noch nicht einmal einen Grund dafür angeben, warum er kein Hochzeitsgewand hat.
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Dies Domini – 5. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr C
Es ist Zeit. Mehr als der Raum beeinflusst die Zeit das Sein des Menschen. Er ist ihrem Lauf ausgeliefert. Im Laufe eines Tages vollzieht sich die Veränderung unmerklich. Über Wochen, Monate und Jahre hinweg ist die Veränderung aber nicht zu übersehen. Der Mensch ist ein zeitliches Wesen. Und seine Zeit ist begrenzt.
Gerade der Begrenzung wegen ist Zeit ein hohes Gut. Dabei kann man Zeit nicht besitzen. Sie ist nicht speicherbar. Man kann sie noch nicht einmal sparen. Die Zeit fließt, des Menschen Zeit verrinnt. Als Lebender allerdings hat er Zeit. Das Leben vollzieht sich in der Zeit. Tote haben keine Zeit mehr.
Das Leben und die Zeit sind also auf das Engste miteinander verbunden. Das Leben vollzieht sich in der Zeit. Es waren Naturläufe, die den Lauf der Zeit bestimmten. Sonnenunter- und -aufgang prägten das Geschehen des Tages. Der Mensch lebte im und mit dem Lauf der Jahreszeiten. Er lernte, die Lauf der Gestirne zu deuten für die Zeit der Aussaat und der Ernte. Frühere Generationen wussten noch um die Lebensqualität der Zeit. Zeit zu haben, Muße zu tun, ja Müßiggang zu treiben, galt als Ausweis des Reichtums. Reich war, wer Zeit hatte.
Heute hingegen gilt als clever, wer seine Zeit effizient nutzt. Zeitfenster werden im Minutentakt gefüllt. Ein Tag, der früher durch Sonnenunter- und -aufgang begrenzt war, ist nun in 86.400 Miniatureinheiten eingeteilt, deren Länge exakt dem 9.192.631.770-fachen der Periode einer Mikroschwingung entspricht, die mit einem bestimmten Übergang des Niveaus innerhalb eines Caesiumatoms in Resonanz ist. Und Max Planck geht noch weiter, wenn er die Planck-Zeit definiert, jenes kleinstmögliche Zeitintervall von 5,391×10-44 Sekunden, in denen die bekannten Gesetze der Physik gelten. Jenseits dieser Grenzen greifen sie nicht mehr. Der Zwischenraum zwischen diesen kleinsten Einheiten entzieht sich dem Zugriff, er ist unverfügbar wie die Ewigkeit.
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Dies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr A
Der Glaube ist eine Herausforderung, die mit Verstand bewältigt werden will. Wer die frohe Botschaft nicht bloß nachplappern, sondern verkünden will, der muss überzeugen können. Man kann aber nur dann überzeugen, wenn man selbst von dem überzeugt von dem ist, was man redet und tut. Überzeugung hingegen ist eine Haltung der Erkenntnis, eines Verstehens, das ohne Verstand nicht möglich ist.
Zu einer solchen Haltung gehört eine prinzipielle Offenheit für das Neue, das Kommende, das Streben nach tieferer Erkenntnis, die letztlich nichts anderes ist als ein Fortschreiten des Verstehens. Ein Glaubender, der nicht damit zufrieden ist, katechetische Sätze einfach auswendig zu lernen und phonetisch korrekt zu rezitieren, auch wenn das was der Mund spricht weder das Herz und noch weniger den Kopf erreicht haben, kann nicht anders als sich selbst immer wieder zu relativieren. Die Relativierung nimmt die Relation, also die Beziehung eines zu betrachtenden Gegenstandes zum Betrachter ernst. Mag auch der Gegenstand unveränderlich sein – der Betrachter ist es nicht. Er ist allein schon aufgrund seiner irdischen, raum-zeitlichen Existenz dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen. Erfahrungen, die er in jungen Jahren noch nicht hatte, verändern seinen Blick. Ängste, die die Jugend noch nicht kennt, können ihn trüben, ein aus Geben und Nehmen gewachsenes Vertrauen in das Leben können ihn weiten. Erkenntnis hat man daher nicht, Erkenntnis wächst. Selbst die Erkenntnis der absoluten Wahrheit ist also relativ, wird sie doch vom Blickwinkel, von der Haltung des Erkennenden, seinen Vorerfahrungen, seinen Ängsten und Hoffnungen bestimmt. Die Wahrheit bleibt, die Methode, der Weg, sie zu finden, ist hingegen relativ.
Es ist also wenig verwunderlich, wenn in der vergangenen Woche zu lesen war, Papst Benedikt XVI habe einen Aufsatz, den er 1972 geschrieben hatte, über vierzig Jahre später mit anderen Augen sieht. Der Vorgang allerdings erregt deshalb großes Aufsehen, weil er sich mit der Frage der Unauflöslichkeit der ehe befasst. Josef Ratzinger wagt 1972 den Versuch,
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November – Totenmonat. Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag. Liebevoll werden Gräber geschmückt und winterfest gemacht, Kerzen aufgestellt, die die Dunkelheit wenigstens etwas heller machen sollen. Dieser Monat ist voll von Gedenken und Tod, von Niedergang, Abschied und einer kleinen Hoffnung darauf, dass es doch irgendwie weitergehen könnte. Der Tod ist kein Weltuntergang – oder doch?
Und auch der Evangelist Lukas scheint in dieser ohnehin dunklen Zeit im Evangelium des 33. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C zunächst wenig Hoffnung zu geben – mehr noch: Es kommt noch schlimmer! Der Tempel Jerusalems, DAS Heiligtum Israels, „mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt“, wird zerstört werden, so die Prophezeiung Jesu, „kein Stein“ wird „auf dem andern bleiben“. Und mit der Zerstörung des Tempels ist das Ende gekommen – das ist der Weltuntergang! Schlimmeres kann dem jüdischen Volk in ihrer Vorstellung kaum mehr wiederfahren. Das Ende der Zeit ist nah.
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Die Älteren kennen noch den Klang des Hymnus‘ „Dies irae“, der als Sequenz in der Totenmesse gesungen wurde. Der „Tag des Zornes“, an dem sich das Gericht ereignet und Jesus als rex tremendae maiestatis, als König schrecklicher Gewalten, Recht sprechen wird. Gleichzeitig erinnern die, die im Angesicht des Todes diesen Hymnus anstimmten, Jesus an seine Milde, denn er kam doch um der Menschen willen.
Das Dies irae ist mehr als ein mittelalterlicher Hymnus. Es ist ein bedeutendes Stück Musikgeschichte, das in zahlreichen Variationen in zahlreichen Werken der Klassik (erinnert sei nur an die Parodie des Dies irae im 5. Satz der Symphonie fantastique von Hector Berlioz) bis hin zur modernen Filmmusik (etwa die Filmmusik zum „Herrn der Ringe“ von Howard Shore).
Das jüngste Gericht, der Tag der Wiederkunft Christi, wurde seit dem Mittelalter als Tag des Schreckens und des Zornes gefürchtet. Es war der Tag, an dem Gericht gehalten wurde; der Tag, an dem der Mensch sein Innerstes zu entblößen hatte und sein irdisches Leben abgewogen wurde. Niemand konnte sicher sein, ob er heil aus diesem Gericht kommen würde.
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Der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hat in seinen Gedanken zum Evangelium vom 26. Sonntag im Jahreskreis B (Markus Markus 9, 38-43.45.47-48) das Verhältnis von Höllenangst und Gottesfurcht erörtert.
Kardinal Schönborn stellt zu Recht fest, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass Jesus selbst immer wieder von Teufel und Hölle gesprochen wird. Gleichzeitig warnt er allerdings vor drei populären Fehldeutungen:
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