Dies Domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr A
Das Gute hat in diesen Zeiten seine Schuldigkeit getan. Gutes tut man nicht mehr, man will es höchsten empfangen. Ein Gutmensch zu sein, ist zu einem Schimpfwort derer geworden, die tolldreist allem Glauben schenken, was sie hören wollen. Der tolle Mensch von heute schmäht den Gutmenschen als naiv. Der tolle Mensch hat ja die Wahrheit für sich gepachtet. Er ist die Mitte seiner Welt, jene Mitte, von der er Oben und Unten definiert, Rückwärts und Vorwärts und Seitwärts. Der tolle Mensch der Gegenwart betreibt ständig jene Selbstapotheose, die ihn über die Dinge erhebt. Er erschafft sich Reiche eigenen Wissens. Einem Gott gleich definiert er sein selbstkonstruiertes Wissen als alleine verbindlich. Die Huldigungen, die ihm die gefilterten Rückmeldungen der sogenannten „sozialen Netzwerke“ offerieren, bestätigen ihn, der in einer Blase sitzend in der eigenen heißen Luft räkelt. Im heißen Stream werberelevant gefilterter Meinungen nimmt er nicht mehr wahr, dass die Welt außerhalb der sogenannten „sozialen Netzwerke“ kälter wird. Dunkel wird es im Land des Abends, dunkel im Land der ehemaligen Dichter und Denker.
Es ist die Angst vor der inneren und äußeren Leere, die den tollen Menschen in die Filterblase treibt. Dort ist er zu Hause. Dort findet er die, die seines Sinnes gleichgeschaltet sind. Die Komplexität des leeren Raumes erträgt er nicht. Der tolle Mensch braucht die Vereinfachung. Er organisiert seine unterkomplexe Welt überschaubar, indem er polarisiert. Wo nur zwei Pole sind, braucht es keine bunte Welt mehr. Auf dem einen Pol sitzt er ja selbst, der tolle Mensch. Und wer auf dem anderen Pol sitzt, ist automatisch gegen ihn. Er ahnt wohl, dass es gut ist, dass da auf dem anderen Pol noch welche sind, die das Gleichgewicht halten. Die Gutmenschen stabilisieren ihn. Weil er in ihnen sein Spiegelbild sieht, erschrickt er aber ständig. Denn was er sieht, gefällt ihm nicht, dem tollen Menschen. Er erkennt in ihnen sein eigenes Nichtverstehen. Er nimmt seine Lüge wahr, will sie aber nicht wahrhaben. Der tolle Mensch mag niemanden, der möglicherweise Recht haben könnte. Denn dann kommt der Zweifel. Und Zweifel mag der tolle Mensch nicht. Er ist der Gott seiner selbsterschaffenen Welt. Was kümmert ihn die Realität. Er ist Gott!
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