Das hohe Gut der Gastfreundschaft wird oft überstrapaziert. Gerade zur Sommerzeit sind es reisefreudige Zeitgenossen gewohnt, endlich in den Urlaub zu fahren, von dem sie glauben, ihn verdient zu haben. Raus aus den Zwängen des Alltags, befreit von beruflichen und privaten Verpflichtungen kann man endlich die Seele baumeln und sich selbst gehen lassen.
Die Einwohner mancher der Reiszielorte, die besonders beliebt sind, empfinden die Gäste allerdings mittlerweile wohl eher als Belastung. In Mallorca und Barcelona demonstrieren die Einheimischen offen gegen einen überbordenden Tourismus, bei dem die Reisenden sich eher nach Art von Heuschrecken gebärden, denn als Gäste. Oft hört man, dass der Tourismus doch Geld bringen und so zum Wohlstand der Reiseregionen beitragen würde. Tatsächlich aber arbeiten dort viele Menschen, die in der Tourismusbranche tätig sind, in prekären Verhältnissen. Gleichzeitig sorgt der Tourismus nach Airbnb-Manier dafür, dass das bezahlbare Dach über dem Kopf für Einheimische immer knapper wird, weil die Wohnungen mittlerweile als lukrative Feriendomizile verwendet werden. Die vertrauten Innenstädte verkommen außerdem immer mehr zu Partymeilen. Wo man ehemals einkaufen konnte, reihen sich jetzt gastronomische Etablissements aneinander, die dem Touristen einheimisches Flair vorgaukeln. Touristen, die die weite Welt sehen wollen, bekommen nur eine teure Illusion einer Weltläufigkeit geboten, die zwar das erwartete Fernweh befriedigt, den Menschen vor Ort aber die Heimat nimmt. Kein Wunder, dass der Tourist inzwischen im besten Fall geduldet, immer öfter aber als Belastung empfunden wird. Das Geld, dass die Reisenden in der Fremde lassen, kompensiert die Beschwerlichkeiten der Einwohner schon lange nicht mehr. Sie sehen von ihm immer öfter auch nichts mehr.
0 Kommentare
„Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ und „Immer erst an die eigene Nase packen“
0Dies Domini – 11. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Die Texte dieses Sonntags stellen uns die „Grundlage“ zweier Sprichwörter vor, die wir im Alltag allzu oft vergessen, die aber wichtig für den fairen Umgang miteinander sind.
Zunächst heißt es im Galaterbrief (als Einleitung vor der Stelle, der die Lesung entnommen ist):
„Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben?“ (Gal 2, 14)
In unsere Sprache übersetzt könnte dies heißen: Was du nicht tun willst, wie du nicht selber zu leben bereit bist, das erwarte auch von keinem anderen. Oder – heute wahrscheinlich aktueller denn je: Wenn du nicht bereit bist, dich an die gerade in der letzten Zeit so oft eingeforderten, (christlichen) Werte zu halten, wie kannst du es dann von unseren neuen Mitbürgern erwarten. Wie kann man Toleranz, Offenheit und Verständnis für eine völlig fremde, unsere deutsche Kultur erwarten, wenn „wir“ nicht mal die Grundtugend der Ehrlichkeit beherrschen, wie Herr Gauland beim letzten Anne Will Talk eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Wenn wir eine Chance der Annäherung der Kulturen und Religionen haben wollen, dann nur so, dass beide Seiten sich zunächst einmal auf ihre eigenen Vorstellungen und Werte besinnen und dann in einen konstruktiven Dialog treten. Von den neuen Nachbarn aber mehr zu verlangen, als wir, die wir hier schon lange zu Hause sind, „schaffen“ ist schlicht nicht fair. Natürlich – wenn ich irgendwo zu Gast bin, und das sind die meisten Flüchtlinge hier bislang ja noch, muss ich mich an die herrschenden Gepflogenheiten anpassen. In diesem Satz stecken aber zwei wichtige Punkte: die „herrschenden“ Gepflogenheiten – hierbei geht es genau darum, was gerade angesprochen wurde und hier lautet die Maßgabe: Vorbild sein! Der zweite wichtige Punkt, und dieser bietet dann auch die Überleitung zum Evangelium ist das Verständnis von „Gast“.
0 Kommentare
Dies Domini – 25. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Die Sehnsucht nach Harmonie kann nie ohne den Klang der Dissonanz sein. Erst wenn sich die Spannung der Dissonanz in die Harmonie hinein auflöst, wird der Moment des Glücks erfahrbar. Die Harmonie darf nur einen Moment dauern. Sonst verbreitet sie ihr klebriges Gift. Ein Leben in einem reinen C-Dur-Klang ist nicht nur langweilig. Es ist die Hölle. Die Dissonanz erst bringt Spannung und Würze. Wer auch immer die reine Harmonie sucht, wird sie nicht finden, wenn er des Lebens Dissonanz verleugnet. Harmonie und Dissonanz stehen in einer wechselseitigen Beziehung.
Es besteht kein Zweifel, dass dem Menschen in der Regel die Harmonie besser gefällt als die Dissonanz. Gerade weil die Bilder, die tagtäglich die heimelige Atmosphäre die Schutzzone des heimischen Wohnzimmers erreichen, eine mitunter verstörende Lebenswirklichkeit zeigen, wird das Bedürfnis nach Harmonie noch gesteigert. Die Dissonanz der Realität muss doch aufgelöst werden. Und die Strategien sind vielfältig. Nicht wenige dürften eine innere Distanz zu den verstörenden Bildern aufbauen und sich auf das Glück des eigenen Lebens in Frieden und Harmonie zuprosten. Man schüttelt sich dann wohlig grausend ob so viel Elendes in der Welt. Aber was kann man als Einzelner da schon ausrichten.
Andere empfinden die dargestellte Dissonanz als massive Bedrohung der eigenen Harmonie. Sie werden von Angst und Panik erfasst, die sich in einem hysterischen Schrei manifestieren, der sich der furchtsam engen Kehle entringt. Wo die Hysterie regiert, hat der Verstand schon lange verloren. Die Harmonie, die sich diese Menschen ersehen, ist – wie wir in unserem Land von 1933-1945 erfahren mussten – tatsächlich die Hölle.
0 Kommentare
16. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C – Lk 10,38-42
Würde der Text dieses Sonntagsevangeliums nicht unserer Heiligen Schrift entnommen sein, wir würden sofort heftigen Protest beginnen. Da kommt Jesus in das Haus zweier Schwestern, die fleißige Marta beginnt sofort für ihn, der schon eine große Wegstrecke hinter sich hat und sicher von Hunger und Durst geplagt ist, einiges in der Küche vorzubereiten. Maria hingegen setzt sich zu Jesu Füßen und hört ihm zu. Auf die Bitte Martas hin, dass Jesus Maria doch bitten möge ihr zu helfen, antwortet er sicherlich zu Martas großem Erstaunen, und auch zu unserem: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
0 Kommentare