Dies Domini – 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Wahrsager sind rar in diesen Zeiten. Wenn die Angst regiert, haben es Fake-News leichter als die Wahrheit. Der Überlebensinstinkt wird angesprochen, wenn Bedrohungs-Szenarien aufgebaut werden. Die schlechte Nachricht hatte es deshalb immer schon einfacher als die gute Nachricht. Letztere wird schnell zum Opium für das Volk erklärt, zu einer Predigt, mit der man keine Politik machen könne, zu einer Sache, die in das Private gehört. Die schlechte Nachricht hingegen setzt Energien frei; sie wirkt unmittelbar auf die Reflexe, löst wechselweise Flucht- oder Jagdinstinkte aus – je nachdem, welche gruppendynamischen Rahmenbedingungen gegeben sind. Gerannt wird immer – vor allem kopflos. Wozu braucht der Mensch auch Verstand und Wahrheit, wenn ihm der Instinkt genügt? Wozu braucht es noch Beweise, wenn man über die Maßen Massen mit Gerüchten bewegen kann? Macht ist in den Zeiten der Gegenwart in jeder Hinsicht eine Sache des Gefühls. Wer das Gefühl der Macht genießt, muss an den Gefühlen und Urinstinkten der Menschen rühren. Gefühlte Wahrheiten reichen dann aus, die aus der Bestätigung eigener Vorurteile erwachsen. Das gilt gegenwärtig als Alternative für ein Deutschland, in dem man einst dichtete und dachte, das aber wohl nicht mehr ganz dicht im Dach zu sein scheint. Wahrlich: Wahrsager – und zwar echte Wahrsager, die die Wahrheit lieben – sind rar geworden in diesen Zeiten.
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Dies Domini – 3. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
In den Zeiten sozialpädagogischer Ganztagsbetreuung gerät langsam aber sicher in Vergessenheit, was man früher en passant erlernte: das eigene Selbst, das sich in im Spiel mit anderen maß und im Austeilen und Einstecken entdeckte, die eigenen Grenzen kennen lernte und so seinen Platz in der Gemeinschaft fand. Das war nicht immer einfach. Vor allem die Niederlagen schmerzten, waren aber auch eine Lehre. Das Selbstbewusstsein konnte wachsen in diesen Niederlagen. Es entwickelte sich auch eine Frustrationstoleranz, die einen später davor bewahrte, bei kleinen Schwierigkeiten vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen. Wie in allen Gruppen gab es auch damals schon diejenigen, die am Rand der Gruppe standen. Hänseleien und Mobbing sind sicher keine Erfindungen der Neuzeit. Die Welt der Erwachsenen aber ließ das Spiel auf dem Platz des Lebens meist gewähren und schritt nur dann ein, wenn die Grenzen von Respekt und Anstand vor allem den Schwachen gegenüber überschritten wurden. Man lernte noch, dass man Schwächere nicht übervorteilt. Man lernte vor allem aber auch, dass man Kontakt aufnehmen musste, wenn man dazu gehören wollte. Von selbst passierte eigentlich nichts. Das Kinderleben war durchaus ein Kampf, aber ein spielerischer. Im Sandkasten lernte man spielerisch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, mit Tränen und Lachen – und manche Schramme erinnert den Erwachsenen noch heute an diese Lehrzeit, die ihn an seinen heutigen Platz gebracht hat.
Der Spielplatz, das war ein Ort höchst lebendiger Kommunikation. Wer mit wem gerade was machte, musste immer wieder neu ausgehandelt werden. Und im Gewimmel der Kinderstimmen hörte man immer wieder, wie Mütter und Väter die Namen ihrer Kinder riefen. Meist ließ der Tonfall keinen Zweifel daran, dass er ernst gemeint war. Dem Ruf war Folge zu leisten. Der Tonfall alleine signalisierte schon: Komm! Sofort!
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Dies Domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr A
In diesen Tagen bekommen viele Hauptamtliche, die im pastoralen Dienst stehen, Post von einer interdisziplinären Forschungsgruppe. Diese Forschungsgruppe führt eine unabhängige und anonyme Fragenbogenstudie mit dem Titel „Wie es mir als Seelsorger/in heute geht …“ durch. Der Fragebogen erhebt Angaben zur Spiritualität und Gesundheit, zur Zufriedenheit und zur privaten Lebenssituation, zum „Stress“ (die Anführungszeichen befinden sich – warum auch immer – tatsächlich auf der Frontseite des Fragebogens), zum Engagement im Dienst, zur Wertschätzung der eigenen Tätigkeit und vielem anderen mehr. Ziel ist laut Auskunft der Befrager „die Bereitstellung von aktuellem Grundlagenwissen zur Förderung (…) der Gesundheit und (…) Zufriedenheit im Dienst.“ Motivierend wird hinzugefügt:
Es geht um Sie und Ihr Wohlergehen! (aus den Hinweisen zum Ausfüllen des Fragebogens)
Das ist eine interessante Motivation für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Nicht dass der Umgang mit eigenen Ressourcen gelernt werden muss. Nicht dass es notwendig wäre, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu kennen. Nicht dass es für alle, die das Wort Gottes in Wort und Tat verkünden sollen, wichtig ist, dies in der Authentizität des eigenen Lebens zu bezeugen. Nicht dass es wünschenswert wäre, wenn das auch noch Spaß macht. Die Selbstfixierung, die hinter der motivierenden Ansage steht, findet sich allerdings schon seit vielen Jahren in den Äußerungen pastoraler Dienste, seien es geweihte oder ungeweihte, die eine zunehmende Meisterschaft der Abgrenzung entwickelt haben und Könner im Nein-Sagen geworden sind. Nein, es geht hier nicht um das Lob der Selbstausbeutung. Der Auftrag, den hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger haben, besteht allerdings nicht in der eigenen Seelenpflege, sondern in der Sorge um die Seelen anderer. Nicht das Ich sollte im Vordergrund stehen, sondern das Du.
Das ist tatsächlich angesichts der gegenwärtigen Umbruchsituationen von Bedeutung. Die Kirchengeschichte kennt viele solcher Umbruchsituationen. Bei näherem Hinsehen kann man sogar die Frage stellen, ob es überhaupt einmal eine ruhige Phase in der Kirchengeschichte gegeben hat. Das Axiom „ecclesia semper reformanda“ (die Kirche ist ständig zu erneuern) lässt demgegenüber eher darauf schließen, dass Veränderung und Umbruch geradezu Wesenseigenschaften der Kirche sind. Ihr Auftrag besteht in der ständigen innovativen Inkulturation der frohen Botschaft in die jeweiligen Zeiten und Kulturen hinein. Bleibt der Inhalt der ihre anvertrauten Botschaft auch gleich, die Form ist doch in ständigem Wandel. Es gilt daher nicht die Alternative Bewahrung oder Entwicklung, sondern das Ineinander von Bewahrung und Entwicklung. Tradition ist kein Zustand, sondern ein Prozess!
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Zu den vermeintlich unhinterfragbaren Voraussetzungen des Katholischen gehört die Ansicht, Petrus sei der erste Papst gewesen. Häufig wird hierfür der euphorische Ausruf Jesu angeführt, der sich singulär im Matthäusevangelium findet:
Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten des Hades werden sie nicht verschlingen. (Matthäus 16,18)
Jesus antwortet mit diesem Ausruf, der den Beinamen Petrus des Simon wortspielerisch aufnimmt, auf dessen Messiasbekennntis. Schon wenige Verse später ist die Euphorie schon Makulatur. Petrus, der nicht wahrhaben will, dass sich die Messianität Jesu in seinem Leiden und Sterben offenbaren wird, wird von Jesus brüsk mit folgenden Worten abgewiesen:
Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. (Matthäus 16,23)
Der Fels ist schnell erodiert. Ist eine Kirche, die auf diesem Fundament aufbaut, nicht doch auf Sand gebaut?
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Verklärung im Nebel
Lesejahr C – 2. Fastensonntag – Lk 9,28b-36
Das heutige Evangelium berichtet von der Verklärung des Herrn auf dem Berg Tabor. Mich hat schon immer die Gestalt des Petrus in dieser Erzählung besonders angesprochen: wie kann man nur so dämlich sein? Da geht es um die große, die wirklich kosmologische Dimension, da erscheinen mit Mose und Elija Referenzpersonen der Geschichte Israels und er redet von Hütten, die er bauen will. Was denkt sich dieser Petrus da, wie kann man denn nur in diesem klein-klein gefangen sein, wenn die andern in weißen Gewändern dastehen und eine Stimme aus den Wolken ertönt?
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Lesejahr C – 5. Sonntag im Jahreskreis – Lk 5,1-11
Wunderbarer Fischfang – und dann alles aufgeben?
Ein seltsamer Kontrast wird uns vom heutigen Sonntagsevangelium zugemutet: eben erst hat Jesus die Fischer aufgefordert, trotz aller erfolglosen Bemühungen der vergangenen Nacht noch einmal auszufahren und erneut zu fischen, eben erst hat man daraufhin einen Fischfang erlebt wie noch nie, übervoll sind die Boote voller Fische, da heißt es auch schon: „Und sie brachten die Boote ans Land, verließen alles und folgten ihm.“
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