Dies Domini – 31. Sonntag im Jahreskeis/Allerseelen, Lesejahr A
Es scheint so, als wohne dem Universum eine tiefgehende Sehnsucht nach dem Leben inne. Der Drang nach Leben gewinnt überall dort die Oberhand, wo sich nur die geringsten Möglichkeiten dazu bieten. Jede noch so kleine Ritze im Asphalt wird nach kurzem mit Leben gefüllt. Und jeder Hobbygärtner weiß, dass der Kampf gegen das Grün in den Fugen der fein säuberlich verlegten Pflasterplatten ein aussichtsloses Unterfangen ist. Archaeen, Bakterien und Eukaryoten bevölkerten die Erde, lange – sehr lange – bevor das Leben im Menschen sich seiner selbst bewusst wurde. Gerade die Archaeen, jene einzelligen Organismen mit einem in sich geschlossenen DNA-Molekül, entwickeln sich als Keimzellen des Lebens an den unwirtlichsten Orten. Sie wachsen selbst dort, wo kein Sauerstoff existiert. Die Macht des Lebens setzt sich offenkundig immer durch, wenn nur die geringsten Möglichkeiten gegeben sind. Es dürfte also nicht verwundern, wenn außerhalb unseres Planeten Leben existiert. Das Universum, die Schöpfung, in der wir leben, ist auf Leben ausgerichtet. Leben scheint das Prinzip der Schöpfung zu sein.
Das mag angesichts der lebensfeindlichen Umwelt, des Vakuums, das im Weltall herrscht, verwundern. Der Tod scheint doch die eigentliche Macht zu haben. Rein quantitativ gesehen sind die sogenannten habitablen Zonen, also die Regionen des Weltalls, in denen Leben überhaupt annähernd möglich ist, äußerst gering. Es müssen schon optimale Bedingungen herrschen, damit sich Leben entwickelt. Das Leben aber setzt sich durch. Und der Aufwand ist groß, den das Leben betreibt. Leben entsteht aus dieser Verschwendung. Leben ist die Effizienz der Verschwendung. Ein Weltall existiert für das Leben – vielleicht nicht nur, vor allem aber sicher auf unserem Planeten Erde.
Das Leben scheint für die Lebenden eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man ist halt da. Man existiert. Ist da nicht der Tod der eigentliche Skandal? Der Tod als Vernichtung der eigenen Existenz ist eine Verstörung, die dem Menschen nicht nur seine letztliche Ohnmacht vor Augen führt. Er ist auch eine Kränkung des menschlich eingebildeten Stolzes, Herr über die Welt zu sein. Der Tod ist nicht beherrschbar. Der Tod ist – allen Unkenrufen nach Selbstbestimmung zum Trotz – letztlich der menschlichen Verfügbarkeit entzogen. Man mag den eigenen Tod mit eigener Hand selbst herbei führen; eine Garantie, dass das gelingt, gibt es letztlich nicht. Zuviel kann angesichts des Überlebenstriebes der Organismen schiefgehen. Man stirbt eben nicht einfach. Das Leben ist mit Macht wirksam. Es bewusst zu zerstören, bedarf immer eines fundamental gewalttätigen Handelns. Das Leben beugt sich eben nicht einfach dem menschlichen Willen, zu sterben.
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Dies Domini – 29. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Blutsbrüder zu sein, Blutsbrüder wie Winnetou und Old Shatterhand, das war mehr als Freundschaft. Blutsbrüder standen mit dem Leben füreinander ein. Sie waren nicht nur eines Sinnes und Geistes; sie waren eins. Über mehrere Tagesritte hinweg erahnten sie nicht nur, dass der andere in Gefahr war; sie spürten es geradezu am eigenen Leib. Der eine war der andere. Raum und Zeit waren nicht in der Lage, sie zu trennen. Auch der Tod vermochte das nicht, als der Häuptling der Apachen in den Armen des Mannes mit der sicheren Hand starb und dabei die letzten Worte haucht:
Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!
Schar-lih, wie Winnetou Old Shatterhand nennt, hatte seinen missionarischen Auftrag als Christ erfüllt. Er hatte dem Häuptling der Apachen den Sohn des guten Manitou verkündet. Wer, wie Schar-lih, vulgo: Old Shatterhand, in Christus den Urgrund des Lebens erkannt hatte, kann da gar nicht anders. Als Blutsbruder war das für ihn wohl selbstverständlich
Keinesfalls aber ist es selbstverständlich, Blutsbruder zu werden. Die Blutsbrüderschaft muss errungen, ja erkämpft werden. Manchmal ist das gar ein Kampf um Leben und Tod. Die Loyalität der Blutsbrüder hat hier ihren Grund. Sie ist erprobt, errungen, gehärtet an Rivalität des Lebens. Wer nicht nur auf die Worte des anderen hört, sondern ihm sein Leben anvertraut und mit seinem Blut für ihn einsteht, der muss den anderen bis in die Tiefe hinein kennen lernen. Nicht das Wort „Bruder“ zählt, sondern das Leben in der Hand des anderen, während man sein Leben selbst in Händen hält. Blutsbrüder sind nicht selbstfixiert; sie leiden und leben im anderen. Deshalb sind Blutsbrüder die Guten, sie suchen das Gute, sie tun das Gute. Der Blutsbruder kennt keine Falschheit, keinen Betrug.
Wie anders stellen sich die Bruderschaften dar, von denen die Bibel erzählt: Kain und Abel, Jakob und Esau, Josef und seine elf Brüder – sie alle sind zwar dem Blut nach verwandt, aber sie suchen den eigenen Vorteil. Mord, Betrug und Verrat sind die Mittel, um die eigenen Ziele zu erreichen, Intrigen und Fallen ihre Methode. Wer solche Brüder hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr. Blut mag dicker als Wasser sein, wahre Blutsbrüder werden sie nie werden.
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Dies Domini – Fest Kreuzerhöhung
Wissend geworden, nicht unbedingt weise – so versucht der moderne Mensch seines Lebens Herr zu werden. Weil Wissen Macht ist, versucht er Wissen zu hamstern. Sein Prinzip ist das sola scientia – allein das Wissen, das, was ihm Augen, Mund und Hände, Nase und Ohren vermitteln. Der Reiz ist es, der zählt. Und der Reiz wird zur Wirklichkeit erklärt. Wo der Weise mit Sokrates wusste, dass er nichts weiß, wird jetzt der Sinnenreiz zum alleinigen Erkenntnisgrund erhoben. Was sich dem Reiz-Reaktionsschema entzieht, wird einfach als „Nicht erkennbar“ deklariert. Der dem Reiz erliegende Mensch sonnt sich dann im Licht einer vermeintlichen Vernunft, die die Sehnsucht nicht mehr kennt, wirklich weise zu werden. Wäre der wissende Mensch wirklich weise, er würde nicht vorschnell urteilen. Die Weisheit kennt den Zweifel. Die Weisheit braucht den Zweifel, weil er es ist, der sie nicht ruhen lässt. Es ist ja gerade der Zweifel, der fragt, ob die Sinne sich nicht täuschen lassen; ob das was scheint, auch ist. Der Zweifel weiß um die Notwendigkeit der Deutung des Reizes, der Kritik, der Reflexion. Der Zweifel, der zur Weisheit führt, weiß deshalb, dass die Wirklichkeit nicht einfach beschreibbar ist. Zweifel und Weisheit sind die Lehrmeister der Mythen und Metaphern, der Symbole und Seme, dieser Zeichen der Sprache, die doch selbst nicht das Bezeichnete sind, sondern es lediglich bedeuten. Und Bedeutung erhält nur das, was den Menschen berührt. Der moderne Mensch mag so viel wissen, wie keine Menschheit vor ihm. Aber die Evolution vom homo sapiens, dem weisen Menschen, zum homo sciens, dem wissenden Menschen, führt in ein existentielles Dilemma: weil der wissende Mensch nur dem Reiz der Sinne vertraut, kann er nicht mehr an eine Heimat glauben, die sich dem äußeren Schein entzieht. Er vermag nicht mehr die Zeichen zu deuten, die ihn, als er noch weise war, erkennen ließen, dass der Reiz nicht alles ist, dass hinter dem Sichtbaren mehr ist, dass ein Urgrund ihn trägt. Und so schwebt der wissende Mensch auf einer kleinen, unscheinbaren, ja banalen blauen Kugel durch die Dunkelheit eines Himmels, den er längst verloren hat, weil er mit Teleskopen sucht, was er doch nicht finden kann: den Ursprung allen Seins, die Singularität, die Einheit, die er mit wissenschaftlicher Exaktheit seziert und in ihre Einzelteile zerlegt hat – unfähig, den Sinn zu erkennen.
Ach, Wissender, wann fängst du an, zu zweifeln? Denn es ist der Zweifel, die Selbstinfragestellung, die den Beginn der Erkenntnis markiert. Dem cartesianischen
Cogito, ergo sum – ich denke, also bin ich.
geht immer noch das
Dubito, ergo cogito – ich zweifle, also denke ich.
voraus.
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Dies Domini – Sonntag nach Pfingsten/Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr A
Vielleicht waren Sie in den letzten Wochen einmal im Kino oder haben sich einen Spielfilm im Fernsehen oder auf DVD angeschaut. Am nächsten Tag im Büro wollen Sie Ihren Kollegen erzählen, was sie gesehen haben, und versuchen, den Inhalt des Films möglichst kurz und prägnant zusammenzufassen. Haben Sie das schon einmal versucht? Wenn ja, dann wissen Sie, wie schwierig das ist. Schließlich darf nichts Wichtiges fehlen. Und es soll zudem so kurz wie möglich sein, denn langweilen wollen Sie Ihre Kollegen ja auch nicht.
Und so verwunderlich es klingt: Eine solche Zusammenfassung versucht der Evangelist Johannes im Evangelium des Dreifaltigkeitssonntages des Lesejahres A. Nur, dass es hier nicht um einen Film geht, sondern um die Botschaft des Evangeliums. Wo wir sonst eine schön ausgeschmückte Geschichte erwarten, beschränkt Johannes sich auf das Wesentliche. Klar und einfach, ohne originelle Verpackung, ohne Umschweife:
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Dies Domini – Pfingsten, Lesejahr A
Ein Kindergarten ist ein Abbild des Lebens. Wer immer begreifen möchte, wie Gesellschaften funktionieren, braucht nur einen Tag im Kindergarten zu verbringen. Die gruppendynamischen Gesetze sind hier unverstellt und in Reinform zu beobachten. Nach vorsichtigem Abtasten formen sich schnell typgerechte Rollenzuweisungen aus. Da ist das stille Kind, das aus der Distanz – manchmal mit dem Neid der Sitzengebliebenen – beobachtet, wie die anderen herumtollen. Dann gibt es das laute Kind, das nach Aufmerksamkeit lechzt. Dann gibt es das Konstrukteurskind, das die höchsten Türme baut, und das altkluge Kind, das immer eine Antwort hat und redet wie die Erwachsenen. Es gibt aber auch das Forscherkind, das das Terrain, das erst vor drei Jahren von der letzten Forschungsexpedition erschlossen wurde, kurz vor dem Kindergartenzaun hinter der Hecke neu entdeckt. Und das wehleidige Kind gibt es auch, das selbst nach kleinen Remplern ein Pflaster braucht. Es gibt auch das Chefkind, das der Bande vorsteht und bestimmt, was getan wird. Vor allem aber gibt es das liebe Kind, das die Leitung der Gruppe so mag. Darauf sind die anderen neidisch. Denn alle wollen geliebt werden. Alle wollen das liebe Kind sein. Für die Aufmerksamkeit der Erzieherin oder des Erziehers, für dieses eine öffentliche Lob, da geben die Kinder alles: Das hast du gut gemacht!
Zu den Gesetzmäßigkeiten eines Kindergartens gehört, dass selbst das Chefkind eigentlich nichts zu sagen hat. Die Gruppenleiterin bzw. der Gruppenleiter hat das Sagen. Und was er bzw. sie sagt, ist Gesetz. Sonst wird geredet. Geredet und besprochen, dass das so nicht geht, weil die anderen dann traurig sind. Es wird geredet, bis die Worte die Ohren verstopfen und der kleine, gerade erwachte Verstand unter dem Torf sozialpädagogischer Konfliktbewältigung erstickt. Vielleicht hören Kinder gar nicht auf das, was man ihnen sagt; vielleicht kapitulieren sie einfach vor der Macht der Worte, damit sie endlich wieder Kind sein und spielen gehen dürfen. Wenn der Preis heißt: Sei lieb! – dann muss es wohl sein. Wenigstens jetzt. Irgendwann, wenn die Kinder groß sind, ja dann werden sie es allen zeigen.
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Dies Domini – 4. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A
Das Glück ist eine scheue Gefährtin. Der Mensch sehnt sich danach. Wer es empfindet, kann es doch nicht halten. Glück zu haben, es zu besitzen, ist nicht möglich. Vielleicht ist die Sehnsucht nach der Glückseligkeit der Grund für die Suche nach dem Paradies auf Erden. Freilich muss jeder Versuch scheitern, ein solches Paradies zu schaffen. Allein die historischen Versuche der Errichtung solcher Paradiese zeigen, wie schnell die Glücksversprechen in der Hölle totalitärer Systeme enden. Allzu viele fielen denen zum Opfer, die ihr eigenes Glück im Feuer menschlicher Verheißungsgläubigkeit schmiedeten. Mit schmeichelnder Stimme versprechen sie das Paradies, rauben aber vielen Zukunft und Leben. Man muss schon wie Odysseus fest an den Mast unverrückbarer Prinzipien gebunden sein, um solchem Sirenengesang zu widerstehen.
Die Gegenwart ist wie manche Zeit zuvor von einem Gewirr der Stimmen geprägt. Einen Nachricht jagt die andere. Das Ende der Welt liegt im eigenen Wohnzimmer. Und über die sozialen Netzwerke wie Twitter und Facebook lassen uns Freunde an jeder kleinen Banalität ihres Lebens teilhaben: „Bin gerade in den Zug gestiegen“, „Fahre los“, „Halte in Köln, viel los auf dem Bahnsteig“, „Fahre weiter“ usw. usw. Wer da nicht mitmacht, ist schnell als „tweetfaul“ verschrien.
Man fragt sich unwillkürlich, ob diese Menschen die reale Wirklichkeit noch erleben. Wer heute einen Film schaut, muss ihn per second Screen parallel kommentieren. Und so lesen viele, was sie doch gerade selbst sehen können. Pandemisch greift die Banalität dieser Paralelluniversen um sich. Verflucht – wer hier nicht mitredet, ist draußen. Es ist schon fast asozial, in den sozialen Netzwerken nicht mitzumachen. Und wer in der Timeline oben sein will, der muss ständig neu posten. Der Auswurf ist mächtig und die Logorrhöe greift um sich. Das Stimmengewirr schwillt zu einem großen digitalen Tinnitus an, einem pfeifenden Versprechen irdischen Glücks, dessen Symbol aus einem Doppelpunkt und einer Klammer besteht und so als Smiley in die Welt strahlt: :).
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Dies Domini – Ostersonntag, Lesejahr A
„Das Grab ist leer, der Held erwacht“ – so erschallt es seit der Osternacht mit meist triumphalem Gesang wieder in den Kirchen. Der Gekreuzigte ist nicht mehr im Grab. Braucht es da noch eines Beweises für die Auferstehung? Das leere Grab ist doch Beweis genug.
Was heutigen Christen so selbstverständlich mit Inbrunst und euphorischer Osterfreude über die Lippen geht, ist beileibe nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Ein leeres Grab ist an sich noch lange keine Beweis für die Auferstehung von den Toten. Das Neue Testament selbst spiegelt die zahlreichen Gerüchte um das leere Grab wieder. Im Matthäusevangelium etwa heißt es:
Am nächsten Tage [nach der Bestattung Jesu, WK] gingen die Hohenpriester und die Pharisäer gemeinsam zu Pilatus; es war der Tag nach dem Rüsttag. Sie sagten: Herr, es fiel uns ein, dass dieser Betrüger, als er noch lebte, behauptet hat: Ich werde nach drei Tagen auferstehen. Gib also den Befehl, dass das Grab bis zum dritten Tag sicher bewacht wird. Sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden. Und dieser letzte Betrug wäre noch schlimmer als alles zuvor. Pilatus antwortete ihnen: Ihr sollt eine Wache haben. Geht und sichert das Grab, so gut ihr könnt. Darauf gingen sie, um das Grab zu sichern. Sie versiegelten den Eingang und ließen die Wache dort. (Matthäus 27,62-66)
Das leere Grab an sich beweist also noch nichts. Schon damals gab es also offenkundig das Gerücht, man habe den Leichnam Jesu entfernt um die Behauptung, er sei von den Toten auferstanden, zu untermauern. Auch wenn man aufgrund dieses offenkundig geschichtlich vorhandenen Gerüchtes davon ausgehen kann, dass das Grab faktisch leer war – bewiesen ist damit rein gar nichts.
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Dies Domini – Fünfter Fastensonntag, Lesejahr A
Am Anfang des Theologiestudiums steht für manche Studentin und manchen Studenten eine handfeste Desillusionierung. Die kritische Auseinandersetzung mit den biblischen Quellen und des frühchristlich-philosophischen Ringens um ein Verstehen des in Kreuz und Auferstehung begründeten Christusereignisses, die auf Vernunftgebrauch beruhende und wissenschaftlichen Anspruch erhebende Reflexion des Glaubens in Dogmatik und Fundamentaltheologie sowie die sich aus diesen Überlegungen ergebenden Überlegungen zu den Fragen, wie ein christliches Leben aussehen soll, wie die Verkündigung zu gestalten und der Gottesdienst zu feiern ist, lassen manchen über die Jugendzeit hinweggeretteten Kinderglauben schnell in sich zusammen fallen. Das ist gut und richtig so; denn eine Theologie, die Wissenschaft sein will und muss, kann und darf sich nicht mit dem einfachen „das muss man glauben“ zufrieden geben. Als Wissenschaft muss sie forschen und begründen, nicht spekulieren und vermuten. Und da erweist sich manches, was in frommem Jugendeifer als unumstößlich geglaubt wurde, bei näherem Hinsehen als poröser Fels, der bei etwas härterem Anfassen zu Sand zerfällt.
Diese reinigende Krise muss durchgestanden werden, damit auf dem freigewordenen Baugrund ein festes Gebäude entstehen kann, das auf theologischer Forschung und Reflexion besteht. Da die Zeit die Eigenschaft einer prozesshaften Weiterentwicklung mit sich bringt, ist auch die Theologie nie fertig mit ihrer Reflexion. Neue Zeiten werfen neue Fragen auf, und was eben noch als sicher beantwortet galt, erscheint heute in einem neuen Licht. Dieses Schicksal teilt die Theologie mit allen anderen Wissenschaften. Als Wissenschaft muss sich die Theologie ihren kritischen Geist bewahren. Dazu gehört im Wesentlichen die Fähigkeit der kritischen Reflexion – wobei das Wort „kritisch“ im wissenschaftlichen Sinn das auf Argumentation und Begründung beruhende Urteilen meint. Der Theologe soll denken, nicht bloß auswendig lernen. Er muss urteilen und nicht spekulieren.
Wie wichtig diese Fähigkeit zum kritischen Urteil ist, konnten in der vergangenen Woche Fachabiturientinnen und -abiturienten der Berliner Oberschule für Informations- und Medizintechnik erleben, die im Rahmen des Politikunterrichtes die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfang Schäuble bekamen. Dem Gespräch folgten auch einige inkognito anwesende Journalisten, die offenkundig
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Dies Domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr A
In diesen Tagen bekommen viele Hauptamtliche, die im pastoralen Dienst stehen, Post von einer interdisziplinären Forschungsgruppe. Diese Forschungsgruppe führt eine unabhängige und anonyme Fragenbogenstudie mit dem Titel „Wie es mir als Seelsorger/in heute geht …“ durch. Der Fragebogen erhebt Angaben zur Spiritualität und Gesundheit, zur Zufriedenheit und zur privaten Lebenssituation, zum „Stress“ (die Anführungszeichen befinden sich – warum auch immer – tatsächlich auf der Frontseite des Fragebogens), zum Engagement im Dienst, zur Wertschätzung der eigenen Tätigkeit und vielem anderen mehr. Ziel ist laut Auskunft der Befrager „die Bereitstellung von aktuellem Grundlagenwissen zur Förderung (…) der Gesundheit und (…) Zufriedenheit im Dienst.“ Motivierend wird hinzugefügt:
Es geht um Sie und Ihr Wohlergehen! (aus den Hinweisen zum Ausfüllen des Fragebogens)
Das ist eine interessante Motivation für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Nicht dass der Umgang mit eigenen Ressourcen gelernt werden muss. Nicht dass es notwendig wäre, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu kennen. Nicht dass es für alle, die das Wort Gottes in Wort und Tat verkünden sollen, wichtig ist, dies in der Authentizität des eigenen Lebens zu bezeugen. Nicht dass es wünschenswert wäre, wenn das auch noch Spaß macht. Die Selbstfixierung, die hinter der motivierenden Ansage steht, findet sich allerdings schon seit vielen Jahren in den Äußerungen pastoraler Dienste, seien es geweihte oder ungeweihte, die eine zunehmende Meisterschaft der Abgrenzung entwickelt haben und Könner im Nein-Sagen geworden sind. Nein, es geht hier nicht um das Lob der Selbstausbeutung. Der Auftrag, den hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger haben, besteht allerdings nicht in der eigenen Seelenpflege, sondern in der Sorge um die Seelen anderer. Nicht das Ich sollte im Vordergrund stehen, sondern das Du.
Das ist tatsächlich angesichts der gegenwärtigen Umbruchsituationen von Bedeutung. Die Kirchengeschichte kennt viele solcher Umbruchsituationen. Bei näherem Hinsehen kann man sogar die Frage stellen, ob es überhaupt einmal eine ruhige Phase in der Kirchengeschichte gegeben hat. Das Axiom „ecclesia semper reformanda“ (die Kirche ist ständig zu erneuern) lässt demgegenüber eher darauf schließen, dass Veränderung und Umbruch geradezu Wesenseigenschaften der Kirche sind. Ihr Auftrag besteht in der ständigen innovativen Inkulturation der frohen Botschaft in die jeweiligen Zeiten und Kulturen hinein. Bleibt der Inhalt der ihre anvertrauten Botschaft auch gleich, die Form ist doch in ständigem Wandel. Es gilt daher nicht die Alternative Bewahrung oder Entwicklung, sondern das Ineinander von Bewahrung und Entwicklung. Tradition ist kein Zustand, sondern ein Prozess!
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Die Offenbarung des Johannes zählt zu den herausfordernden Schriften des Neuen Testaments. Sie ist eine Trostschrift für die, die in schweren Zeiten, vielleicht auch in der Verfolgung leben. Ihnen gilt die Verheißung, dass Gott an ihrer Seite streitet und für die letzte Gerechtigkeit sorgen wird: Der auf dem Thron sitzt, spricht: Siehe, ich mache alles neu. Der Stuhl steht für den Thron Gottes. Gott selbst spricht seine Offenbarung auch in die heutige Zeit.
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