Dies Domini – Sechster Sonntag der Osterzeit, Lesejahr C
Man wird vermutlich auf einen breiten Konsens unter Exegeten, also Kennern des Neuen Testaments, treffen, wenn man behauptet, der vorösterliche Jesus habe mit den Heiden nicht viel im Sinn gehabt.
„Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ (Mt 15,24)
So heißt es bei Matthäus im 15. Kapitel, in dem eine kanaanäische Frau Rabatz macht, damit sie die Aufmerksamkeit Jesu erreicht und sich dann noch wenig schmeichelhafte Vergleiche mit kleinen Hunden anzuhören hat. Ein Bild, das uns auch bei Lukas im 7. Kapitel begegnet und nahelegt, Jesus lasse sich zwar von individuellem Leid erweichen, halte aber zunächst einmal nicht so sehr viel von Nichtjuden.
Andererseits dann nach Ostern der Missionsbefehl:
„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19)
Und was hatte er geboten:
„Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“ (Mt 5,18)
Also zwischen dem vorösterlichen Jesus und dem nachösterlichen gibt es da einen recht radikalen Bruch, vom Juden Jesus zum Begründer einer Weltreligion. Wann ist das geschehen? Man hört in der heutigen Lesung davon; es geht um das Apostelkonzil etwa um 48 n.Chr.:
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Dies Domini – 11. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Frömmigkeit feit vor Fehlern nicht. Schon gar nicht, wenn sich Frömmigkeit zur Überheblichkeit eines Bewusstseins außergewöhnlicher Erwähltheit entwickelt, die lässig auf all die herabschaut, die man für weniger fromm hält, als man es selbst ist. Gerne spricht der Fromme dann von den „Heiden“ und urteilt über alles, was nicht in sein Weltbild passt als „heidnisch“, vor allem dann, wenn er es mit Menschen zu tun hat, die vermeintlich ungläubig sind.
Freilich zeugt eine solche Denkweise von einer fundamentalen Wissenslücke, bezeichnet das Wort „Heide“ in den deutschen Übersetzungen des Neuen Testamentes meist jene Menschen, die im griechischen Urtext als ἔθναι (éthnai) bezeichnet werden. Der Begriff leitet sich von ἔθνος (éthnos) ab, der einfach „Volk“ bedeutet. Das ἔθνος τοῦ θεοῦ (éthnos toû theoû) ist das Volk Gottes. So bezeichnet sich das Volk Israel selbst. Davon werden die ἔθναι (éthnai) abgegrenzt – die Völker. Im Griechischen entsteht auf diese Weise ein signifikanter Unterschied, der semantisch aber doch Verwandtschaften zeigt. Theologisch hingegen liegen Welten zwischen Israel und den Völkern, wie er im Hebräischen zum Ausdruck kommt. Es ist Israel, mit dem Gott einen Bund geschlossen hat, wie es in der ersten Lesung vom 11. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A heißt:
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Dies Domini – 7. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
Zeiten des Überganges sind Zeiten der Auferstehung. Das Leben verläuft selten in Bahnen gleichförmiger Mittelmäßigkeit. Zwischen den Höhen und Tiefen ist es eigentlich permanent ein Leben im Übergang. Genau das ist ja das, was Tradition ausmacht, jenen Prozess der Weitergabe von Erfahrungen, Wissen und Gewissheiten im Übergang von einer Generation auf die nächste. Und dieser Übergang muss gestaltet werden. Er bedeutet ein Fortschreiten, ein Entdecken neuer Herausforderungen, einen Neuaufbruch, bisweilen auch eine Auferstehung. Es ist sicher kein Zufall, dass das Aufstehen des Petrus im Kreis der Brüder, von dem die erste Lesung am 7. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B spricht, mit demselben Wortstamm bezeichnet wird, wie die Auferstehung des Gekreuzigten – ἀναστάς (gesprochen: anastás):
In jenen Tagen erhob (ἀναστάς) sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen. (Apostelgeschichte 1,15)
„In jenen Tagen“ – mit diesen Worten schließt die Lesung an die vorausgehende Erzählung von der Himmelfahrt Jesu an. Das, was hier beschrieben wird, ereignet sich eben zwischen der Himmelfahrt Jesu, die sich nach Apostelgeschichte 1,3 vierzig Tage nach der ersten Auferstehungserfahrung zugetragen hat, und der Sendung des Heiligen Geistes am Schawuot-Fest, also 50 Tage nach Pessach, dem Pfingstfest. Pfingsten wird der große Aufbruch sein, wenn die Apostel in der Kraft des Heiligen Geistes zum ersten Mal öffentlich von der Auferstehung des Gekreuzigten reden werden. Aufgrund dieser Predigt wird die erste Gemeinde entstehen.
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Dies Domini – Hochfest Allerheiligen, Lesejahr B
Wandernde Völker werden von vielen als Bedrohung empfunden. Tatsächlich sind sie ein Zeichen messianischer Zeit. Die große Völkerwanderung der Gegenwart, ausgelöst durch die Vertreibung der vielen durch Krieg und Verfolgung, wird daher zur Bewährungsprobe gerade für diejenigen, die dem vom Kreuzestod Auferstandenen nachfolgen: Jesus Christus ist gerade in der Auferstehung vom Kreuzestod als Messias offenbar geworden. Die, die sich ihn nachahmend Christen nennen, sollten deshalb wissen, dass sie bereits in der messianischen Zeit leben. Und als ein Zeichen der messianischen Zeit verheißt der Prophet Jesaja die Wanderung der Völker zum Zion:
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. (Jesaja 2,3f)
Sicher, so wird nun manch einer einwenden, das ist ein Vision. Und wer Visionen hat, der soll nach einem Wort von Altbundeskanzler Helmut Schmidt zum Arzt gehen. Nun hat sich aber genau diese Vision nicht als Utopie erwiesen. Dass es heute das christliche Abendland überhaupt gibt, ist ein Erweis, dass sich die jesajanische Vision erfüllt hat. Die allermeisten Christen heute sind ja keine Angehörigen des jüdischen Volkes. Sie sind gojim, Nichtjuden, wie es auf Hebräisch heißt. Im Neuen Testament werden die Nichtjuden meist als ἔθνος (gesprochen: éthnos), seltener als λαός (gesprochen: laós) bezeichnet. Beides meint „Volk“. Übersetzt wird es hingegen, wenn die Abgrenzung zum Judentum gemeint ist, als „Heiden“.
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Dies Domini – 20. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Die Welt ist voll von schönem Schein. Verpackungen gaukeln großen Inhalt vor, wo nur kalte Luft ist. Die Behaglichkeit des eigenen Heims vermittelt Sicherheit in einer komplexen Welt. Mit Betroffenheitsaktionismus kaschiert man angesichts der vielen Konflikte in der Welt die eigene Ohnmacht. Und nicht selten vernebeln wohlfeile Worte eine unliebsame Wirklichkeit – und das nicht nur in der Politik.
Der Mensch neigt offenkundig dazu, das Unliebsame, das Gefahrvolle, das Unschöne auszublenden. Das ist in gewissem Sinn sogar existentiell notwendig. Die Gefahr bedroht die eigene Existenz. Die Wahrnehmung der Gefahr war für die frühen Menschen lebensnotwendig. Diese Gefahren waren aber unmittelbar und real gegenwärtig. Sie erforderten eine sofortige Reaktion. Der Körper setzt Adrenalin frei, das entweder Flucht oder Angriff ermöglicht.
Der technische Fortschritt bringt es nun mit sich, dass die Krisen der Welt, von denen die Altvorderen möglicherweise nie, bestenfalls nach Wochen oder Monaten Kunde erhalten haben, in Echtzeit über Glasfaserkabel die Wohnzimmer erreichen. Der Genius des modernen Menschen mag die Technik beherrschen, nicht aber die von der Amygdala gesteuerten archaischen Reaktionsschemata, die immer noch im Zentrum des menschlichen Gehirns die ehemals existenzerhaltenden Funktionen steuert. Und so lösen die verstörenden Bilder und Nachrichten Reaktionen der Angst aus. War diese Angst früher segensreich, weil sie den Menschen in Stand setzte, auf eine real gegenwärtigen Gefahr angemessen zu reagieren, so geht sie heute ins Leere. Die eigentliche Bedrohung ist zu weit weg. So wächst die Angst, weil sie nicht abreagiert werden kann. Die Angst ist virtuell. Wer nicht fliehen kann, weil er nicht zu fliehen braucht, und wer nicht kämpfen kann, weil er nicht zu kämpfen braucht, muss andere Kanäle finden, seine Ängste abzuleiten. Und so entwickelt der Mensch virtuelle Abwehrstrategien, um die Angst fernzuhalten. Der schöne Schein ermöglicht das moderne Leben; das moderne Leben braucht den schönen Schein.
Der schöne Schein treibt manchmal skurrile Blüten. Gerade die medialen Sommerlöcher schwemmen sie nach oben, um die eigene Hohlheit zu füllen. Stammtische leben von den Architekten potiemkinscher Dörfer ohne Fundament. Und auch in den viel gelobten sozialen Netzwerken und Kommentarfunktionen von Online-Zeitungen wird deutlich, wohin die Segnungen modern-digitaler Kommunikation führen: Jeder darf – Gott lob! – sagen, was er denkt. Leider zeigt nicht jeder in dem, was er sagt, dass er gedacht hat.
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Das Christentum und die Beschneidung
Das Urteil, mit dem das Landgericht Köln Ende Juni 2012 die Rechtswidrigkeit religiös motivierter Beschneidungen festgestellt hat, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Dabei fällt auf, dass die Kampflinie durch die jeweiligen Standpunkte bestimmt wird, die die Kontrahenten aufgrund ihrer jeweiligen Profession innehaben. Juristen sehen die Rechte des Kindes gefährdet, Mediziner die körperliche Unversehrtheit des Kindes und Theologen die Religionsfreiheit. Jeder steht für seine Werte ein – aber niemand scheint in der Lage zu sein, die Werte gegeneinander abzuwägen. Denn eins steht fest: Nur der jeweils eigene Wert ist es wert beachtet zu werden.
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Wieder einmal ist die Zölibatsdiskussion voll entbrannt. Kath 2:30 hatte sich bereits im letzten Jahr mit einem Beitrag geäußert. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass alles schon einmal da war. Die Traditionellen rühmen den Zölibat, die Progressiven möchten ihn sofort abschaffen. Die Argumente sind dieselben. Man hat den Eindruck, dass beide Positionen völlig verhärtet bzw. – um es biblisch zu sagen – völlig verstockt sind. Das ehemals lebendige Grün ist verholzt und zum Stock geworden.
Aber jetzt haben sich 144 Theologen zu Wort gemeldet. Und schon ist wieder Leben in der Diskussion. Freilich sind die Forderungen des Theologen-Memorandums nicht neu. Aber sie zeigen zuerst die Sorge um den weiteren Weg der Kirche – einer Kirche, die eben nicht nur aus Bischöfen und Klerikern besteht. Es ist das gute Recht – und bisweilen auch die Pflicht – des Getauften und Gefirmten, sich zu Wort zu melden. Davon haben die 144 (welch eine symbolische Zahl, diese 12×12) Gebrauch gemacht.
Wider die Verstockung – Kirche lebt erst, wenn sie streitet: Das können wir Christen auch von den Juden lernen! In einem jüdischen Lehrhaus ist es nie still. Man streitet mit Leidenschaft und sucht den anderen zu überzeugen, weil man sicher ist, im Recht zu sein. Aber man hört dem anderen auch zu, weil man ebenso sicher ist, dass man vielleicht doch irren könnte. Nur so kommen wir der Wahrheit auf die Spur!
Wider die Verstockung, das meint auch unser Cartoonist Knut „Kumi“ Junker:
Aktuelle Themen kurz und knapp von Kumi, alias Knut Junker, auf den Punkt gebracht.
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