Dies Domini – Vierter Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
Die Kirche ist noch nicht am Tiefpunkt ihrer selbstgemachen Krise angelangt. Das Unvermögen derer, die sich Hirten nennen und die Vorgeben, die Kirche zu führen zu leiten, im Umgang mit denen, die von klerikalem Missbrauch betroffen sind, und die Unfähigkeit, sich konstruktiv kritisch mit ethischen Fragen der Gegenwart auseinanderzusetzen, zeitigen eklatante Folgen. Saßen früher in Talkshows fast schon obligat geweihte oder ungeweihte Theologinnen und Theologen in den Gesprächsrunden, in denen sie mehr oder weniger kompetent mitdiskutierten, sind sie nunmehr fast vollständig verschwunden. Das gilt zunehmend auch für Arbeitskreise und Expertenrunden, die die Politik in ethischen Fragen beraten sollen. Aktuell ist in der Arbeitsgruppe, die sich mit der möglichen Abschaffung des §218 des StGB befasst, keine (moral-)theologische Expertise mehr gefragt. Die Begründung ist frappierend und müsste allen, die Verantwortung tragen, die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen: Eine Kirche, die es in eigenen Reihen offenkundig an Moral mangeln lässt und nicht in der Lage ist, den von Missbrauch Betroffenen würdig zu begegnen, hat jedes Recht und jeden Anspruch auf Mitwirkung an ethischen Diskursen verwirkt. Das, wofür die Kirchen einmal standen, haben sie selbst in den Staub getreten. Sie taugen noch nicht einmal mehr als clowneske Skurrilität in Talkshows; sie haben sich selbst unmöglich gemacht … und tun es offenkundig weiterhin.
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Dies Domini – Fünfter Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A
Vor einigen Tagen hielt der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Professor Lüdecke in Wuppertal einen Vortrag zum Thema Täuschung, in dem er eindrucksvoll nachwies, dass ein Muster die Geschichte des 20./21. Jahrhunderts durchzieht, nach dem immer, wenn der Reformdruck im Kircheninnern zu hoch wurde, ein kleines „Dialog-Ventil“ dafür sorgte, dass eine Revolution vermieden, allerdings auch die notwendige Anpassungsarbeit der Kirche an die Welt der Gegenwart nicht geleistet wurde.
War es nach dem Krieg ein Katholikentag, dann das Zweite Vatikanum, schließlich die Würzburger Synode, der unsägliche „Dialogprozess“ des, wie wir heute leider wissen, ebenso unsäglichen Erzbischofs Zollitzsch, so ist es heute der Synodale Weg, auf dem allerlei wohlwollend gnädiglich zwischen Bischöfen und engagierten Laien beraten und beschlossen, aber nichts auf den Weg gebracht wird, schon gar nichts entschieden. Das war ein lichtvoller – für die Erkenntnis -, aber leider auch sehr dunkler Abend – für die Hoffnung auf Reform. So endete der Vortrag auch mit einer schwarzumrandeten Anzeige:
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.
…
Aber sie stirbt.“
Durchaus traurig. Zweckoptimismus und fröhliche Gelassenheit hatten da wenig Platz, weil leider auch der Realitätsgehalt des Vorgetragenen zu hoch war. Desillusionierend hoch. Noch bedauerlicher, dass der Referent sich auf seine Rolle als wissenschaftlicher Darsteller der rechtlichen Realität zurückzog und auch auf Fragen aus dem Publikum die Rolle des Ratschläge gebenden Pastoraltheologen ablehnte. Ja, was nun?
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Dies Domini – Achter Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Sehr eindringliche Worte richtete dieser Tage der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz an seine deutschen Mitbrüder: „Vermeiden wir die Wiederholung abgedroschener Slogans und Standardforderungen wie die Abschaffung des Zölibats, das Priestertum der Frauen, die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene oder die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“, so der Erzbischof von Posen, Seine Exzellenz, der Hochwürdigste Herr Gadecki. Kurze Zeit später, nachdem der offene Brief offenbar zuerst der Öffentlichkeit, dann dem Adressaten zugegangen war, wie man das so unter Brüdern macht, erläuterte der Essener Generalvikar, schon durch seinen stets offenen Hemdkragen als Modernisierer und Zeitgeistapostel kenntlich, was von dem Schreiben zu halten sei: nämlich nichts. „Hochklerikaler Antimodernismus“ aus einer fernen, lange vergangenen katholischen Vergangenheit. Und flugs eilt der ebenso unverdächtige, allerdings des Modernismus, Görlitzer Bischof Ipolt herbei und springt seinem polnischen Sympathisanten bei: man solle doch nur ja die Stimme der Weltkirche hören, die sich da vernehmen lasse.
Tja. Eines schönen Tages verbietet der Papst den Alten Messritus, ein paar Tage darauf eröffnet er weitere Möglichkeiten dafür, wenn auch nur für die Petrusbrüder. Einmal entlässt er wegen einer lange zurückliegenden Petitesse den Pariser Erzbischof nach wenigen Tagen, dann verordnet er eine monatelange Hängepartie für Köln, obwohl der öffentliche Druck, soweit man sehen kann, wesentlich höher ist, als er in Paris war. Und das, obwohl es ja die Medien waren, die der Papst in Haftung nimmt. Was ist da los? Da stimmt doch etwas nicht. Da gibt es doch offenbar keine klare Linie, sondern ein sonderbares Hin und Her, nicht nur bei Personalfragen, sondern in den Grundlagen, wenn die einen Bischöfe dem Zeitgeist folgen, den sie als Ausdruck des Hl. Geistes verstehen, und die andern ihn für Ausdünstungen der Hölle halten und das Weltkind in der Mitten mal zu der einen, mal zu der andern Seite zu wanken scheint.
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Dies domini – 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Dieser Tage gerät manches arg aneinander: die Münchner Missbrauchsstudie, Benedikt/Gänsweins-Einwendungen, Stellungnahmen verschiedener Kreise oder Tische, Journalisten, Politiker und Kirchenführer, alles liegt in Unstand. Wie verhält es sich mit dem Krieg in Europa – Ukraine, Putin, Schröder, Gazprom? Oder wie wäre es mit „Anfänge“ von David Graeber und David Wengrow: eine neue Geschichte der Menschheit oder Unfug? Wie empfinden Sie die Auseinandersetzung zwischen reellen und realen Zahlen? Ist unsere Welt kompliziert oder komplex?
Eigentlich können Sie machen, was Sie wollen, welche Tür Sie auch nur ein Stückchen öffnen, es bricht das Chaos hervor. Allerdings: lesen Sie nicht das Sonntagsevangelium. Das haut Sie um, wenn Sie es genau lesen:
„Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.“ (Lk 4,22)
Jesus erläutert, was er meint und dann:
„Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut.“ (Lk 4,28)
Da sind vier Verse dazwischen und die Leute, die eben noch über die Gnadenworte staunen, geraten in Wut und wollen ihn vom Abhang hinabstürzen.
Und was tut der Herr?
„Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg.“ (Lk 4,30)
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Dies domini – Zweiter Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Es sind verwirrte Zeiten, in denen wir leben. Die Gesellschaft irrt sich durch die Corona-Pandemie voran, während einige Schreihälse meinen, die Weisheit spazierengehend gepachtet zu haben. Das pandemische Schlamassel wird man so sicher nicht ordnen können. Das schein den verirrten Flaneuren aber herzlich egal zu sein. Sie wollen einfach Recht haben. Weil Argumente diese Selbstillusion zu stören im Stande sind, muss man halt lautstark rufen, Kindern gleich, die im dunklen Wald das Raunen des Unterholzes und die mit ihm aufkommenden Angst mit albernem Gekicher und Gebrüll übertönen müssen. Wer sich auf diese Weise selbst zum Maßstab des Rechtes hat, weiß nicht natürlich befugt, alle anderen, die nicht seinem Weg folgen, des Unrechtes zu zeihen. So sich selbst zum Richter erhebend lässt es sich fein urteilen gemäß dem Grundgesetz der Ignoranten, das aus exakt zwei Paragraphen besteht:
§1 Ich habe immer Recht.
§2 Sollte das einmal erwiesenermaßen nicht der Fall sein, tritt automatisch § 1 in Kraft.
Die Infallibilität ist bequem und macht unangreifbar. Sie immunisiert gegen jede Kritik. Wo aber Kritik gemieden wird, fehlt jener Diskurs, der ein Fortschreiten – und sei es ein Voranirren – zur und in der Wahrheit unmöglich macht. Unfehlbarkeit ist und bleibt eine gefährliche Eigenschaft, der man sich nur mit höchstem Bedacht bedienen sollte. Was, wenn man auch im Irrtum unfehlbar ist?
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