Dies Domini – 13. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Es sind die Töne zwischen den Pausen, die Musik entstehen lassen. Aus dem Weißrauschen der Stille erstehen sie – ein Geräusch, das zum Klang wird und im Wechselspiel von Harmonie und Dissonanz jene eigentümliche Macht entfaltet, die den Menschen im Innersten zu treffen im Stande ist. Musik lebt von der Spannung zwischen Ruhe und Klang, von Tempo und Rhythmus, von Kopf und Geist und Seele und Leib. Gerade die die Harmonie störende Dissonanz in Klang und Rhythmus verleiht der Musik jene Spannung, die sie lebendig werden lässt. Eine unabänderliche stehende Harmonie ist nicht nur todlangweilig, sie ist auch keine Musik mehr, weil ihr die Veränderung fehlt. Der eingefrorene Klang gleicht einem Fossil, das bestenfalls Zeugnis von einem lebendigen Wesen gibt, aus Fleisch aber zu Stein geworden ist.
Die zu Stein gewordenen Glaubenszeugnisse der Kirche bezeugen in ähnlicher Weise eine ehemals glaubenslebendige Vergangenheit. Die Kathedralen dieser Welt lassen erahnen, aus welcher transzendentalen Überzeugung ihre Baumeister gehandelt haben – weit entfernt von den technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit. Ihr Tun hatte eine Perspektive, die oft weit über die eigene Generation hinausreichte. Das waren wahrhaftig Projekte, die auf die Ewigkeit ausgerichtet waren. Wohl nur mehr als selten dürften diejenigen, die den Grundstein für eine Kathedrale gelegt hatten auch den Schlussstein eingesetzt haben. Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen darüber. Und doch bezeugte jede Generation, dass sie auf eine je eigene Weise an der Kirche weiterbaute. Die Kathedralen als Stein gewordene Glaubenszeugnisse lassen diese Lebendigkeit der Tradition, der Weitergabe der Botschaft in Wort und Tat noch heute erahnen. Sie gleichen grandiosen Resonanzkörpern, die den Klang der Ewigkeit erahnen lassen – ein Klang, der in der Dissonanz zwischen Zeit und Ewigkeit eine Spannung aufbaut, die in den großen Zeiten der Theologie die hellsten Köpfe und Geister anspornte, dem Urgrund allen Seins immer wieder neu auf die Spur zu kommen.
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Dies Domini – 5. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A
Manch eine Beziehung leidet unter der zur Gewohnheit gewordenen Vertrautheit. Jede Geste, jedes Wort wird vorhersehbar. So braucht man einander gar nicht mehr wahrzunehmen oder zuzuhören. Man weiß doch, wie es ausgeht. Aus vollstem Vertrauen entsteht das Gefühl der Langeweile. Manch einer Liebe, die abenteuerlich begann, blüht in Ödnis. Weil die Vertrautheit keine Verheißung mehr bereit hält, geht dann manch einer auf der Suche nach Leben seine eigenen Wege.
Wer dieser Falle entgehen möchte, darf das Vertraute eben nicht zur Gewohnheit werden lassen. Das Vertraute immer neu zu entdecken die Herausforderung. Das Vertraute mit unvertrauten Augen anzusehen, so als würde man es eben zum ersten Mal sehen, die Aufgabe.
Es gibt nicht nur Menschen, die der Ödnis der Vertrautheit erliegen. Auch Texte teilen dieses Schicksal. Wie ein Reflex weiß man schon nach wenigen Worten, worum es geht. „Hat der alte Hexenmeister …“ – und schon klingt im Ohr „Walle! Walle!“ Und auch wenn manch einer bei Herrn Ribbeck an einen sakkotragenden Fußballtrainer denkt, die Birne werden viele trotzdem nicht aus dem Kopf bekommen.
Zu den Texten, bei denen man im allgemeinen schon weiß, worum es geht, gehört auch die erste Lesung vom 5. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr A. Es ist ein Text, der nicht nur dem Schicksal der Vertrautheit anheim fällt; auch die traditionelle Interpretation verhindert, ihn genauer zu betrachten, weil doch eigentlich schon alles bekannt ist. Es ist der Text von der Wahl der Sieben, die landläufig als die sieben Diakone beschrieben werden. Und genau an diesem Punkt erliegt der Leser bzw. die Hörerin dem Gift der Gewohnheit, mit dem man versucht, den Text zu zähmen.
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