Dies Domini – Vierter Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
Die Kirche ist noch nicht am Tiefpunkt ihrer selbstgemachen Krise angelangt. Das Unvermögen derer, die sich Hirten nennen und die Vorgeben, die Kirche zu führen zu leiten, im Umgang mit denen, die von klerikalem Missbrauch betroffen sind, und die Unfähigkeit, sich konstruktiv kritisch mit ethischen Fragen der Gegenwart auseinanderzusetzen, zeitigen eklatante Folgen. Saßen früher in Talkshows fast schon obligat geweihte oder ungeweihte Theologinnen und Theologen in den Gesprächsrunden, in denen sie mehr oder weniger kompetent mitdiskutierten, sind sie nunmehr fast vollständig verschwunden. Das gilt zunehmend auch für Arbeitskreise und Expertenrunden, die die Politik in ethischen Fragen beraten sollen. Aktuell ist in der Arbeitsgruppe, die sich mit der möglichen Abschaffung des §218 des StGB befasst, keine (moral-)theologische Expertise mehr gefragt. Die Begründung ist frappierend und müsste allen, die Verantwortung tragen, die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen: Eine Kirche, die es in eigenen Reihen offenkundig an Moral mangeln lässt und nicht in der Lage ist, den von Missbrauch Betroffenen würdig zu begegnen, hat jedes Recht und jeden Anspruch auf Mitwirkung an ethischen Diskursen verwirkt. Das, wofür die Kirchen einmal standen, haben sie selbst in den Staub getreten. Sie taugen noch nicht einmal mehr als clowneske Skurrilität in Talkshows; sie haben sich selbst unmöglich gemacht … und tun es offenkundig weiterhin.
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Dies Domini – Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr A
Dieser Tage las ich in einer katholischen Verbandszeitschrift den Aufsatz eines emeritierten Pastoraltheologen zur Missbrauchsproblematik, der es sicher herausforderte, sich eingehender damit zu befassen, aber eins sticht doch bei solchen Wortmeldungen regelmäßig heraus: Ganz am Anfang wird betont, wie sehr doch andere an den Pranger zu stellen sind:
„offensichtlich interessiert nur der „katholische Missbrauch“, die Missbrauchsfälle in anderen Institutionen aber (wie zum Beispiel in der evangelischen Kirche oder in weltlichen Internaten – die Odenwaldschule ausgenommen – oder in Sportvereinen oder in Familien – und das vor allem – in Nahbeziehungen) werden nur marginal wahrgenommen, obwohl diese nach den bislang veröffentlichten Zahlen weit über 98 % ausmachen dürften.“
Warum muss das sein? Warum können Kirchenvertreter nicht einfach aushalten, einer Institution anzugehören, der zu Recht vorgeworfen wird, es habe in ihrer Verantwortung tausendfachen Missbrauch gegeben und das Führungspersonal habe jämmerlich versagt und tue es oft immer noch? Wem ist damit geholfen, immer auf andere zu zeigen, wenn es der Haltung christlicher Demut entspräche, die Schuld zu akzeptieren, aufzuklären und soweit wiedergutzumachen wie möglich? Was soll eine Gesellschaft von uns halten, wenn wir – auf frischer Vertuschungstat ertappt – nur rufen: nebenan ist es aber auch nicht in Ordnung? Man fragt sich, warum wir unser sowieso dunkles Bild bei unseren Zeitgenossen nur immer noch mehr verdunkeln müssen. Es ist zum Haareraufen.
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Es war schon leichter, katholisch zu sein. Nicht erst seit der Veröffentlichung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising ist der Rechtfertigungsdruck groß. Bereits die sogenannte MHG-Studie im Jahr 2018 hatte den Missbrauch von mindestens 3677 Kindern und Jugendlichen durch 1670 Kleriker zutage gefördert. Sie war der Anlass für weitere Untersuchungen auf der Ebene der (Erz-)Bistümer. In Aachen, Köln, Berlin und nun in München wurden erste Studien veröffentlicht. Das Ausmaß an Leiden, das Betroffenen zugefügt wurde und das offenbar wird, ist erschreckend. Erschreckend ist vor allem aber auch, wie klerikale Täter von klerikalen Vorgesetzten – Bischöfen, Generalvikaren, Personalchefs und Offizialen (so die Bezeichnung für die obersten Kirchenrichter in einem Bistum) – geschützt wurden, während die von Missbrauch Betroffenen oft bis heute darum kämpfen müssen, überhaupt Gehör zu finden. Die römisch-katholische Auffassung, dass Männer durch die Weihe eine „seinsmäßige Erhöhung“ (die sogenannte ontologische Superiorität) empfangen, erweist sich in dieser Krise als fatal. Führt ein solches Übermaß an Heiligkeit nicht zu jener sakralen Sepsis, die ein Eingeständnis des eigenen Versagens, der eigenen Verantwortung und der möglichen eigenen Schuld so schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht? Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – 10. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Ein Kardinal bietet dem Papst seinen Rücktritt an. Mit „persönlichem und vertraulichem“ Schreiben vom 21. Mai 2021 an Papst Franziskus begründet der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx nicht nur seine Entscheidung, sondern bittet sogar ausdrücklich darum, dass sein Verzicht angenommen wird. Sollte der Papst dieser Bitte nicht folgen, so scheint es, müssen wohl sehr gut begründete Motivationen für ein Weiterwirken des noch amtierenden Erzbischofs von München und Freising gefunden werden. Sicher würde Kardinal Marx einer solche Bitte gehorsam folgen – zumindest wird im Schlussgruß gleich zweimal auf den Gehorsam abgehoben: Oboedientia et Pax (Gehorsam und Friede) grüßt ein gehorsamer Erzbischof.
Es ist noch nicht allzu lange her, da antwortete der Münchener Erzbischof – weiland noch in der Rolle eines Vorsitzenden der Deutschen Bischofkonferenz – auf die Frage der Journalistin Christiane Florin nach möglichen Rücktritten angesichts des in der sogenannten MHG-Studie vom September 2018 offenbar gewordenen Missbrauchs mit einem flotten „Nein!“. Neben ihm saß das purpurne „Nein!“ kopfschüttelnd verstärkend der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Stephan Ackermann. Beide fassten sich – wohl in einer Art Übersprunghandlung – unmittelbar danach physisch an die eigene Nase. Nun, gut drei Jahre später, zieht mit Erzbischof Reinhard Kardinal Marx ein erster Bischof in Deutschland scheinbar aus freien Stücken die Konsequenzen und bietet dem Papst seinen Rücktritt an. Die anderen Bischöfe vor ihm – die Kölner Weihbischöfe Dominik Schwaderlapp und Ansgar Puff sowie der Hamburger Erzbischof Stefan Heße – entschieden sich zu diesem Schritt erst, als die Vorwürfe der Vertuschung nicht mehr zu leugnen waren. Kommt damit der noch amtierende Münchener Erzbischof jenem Getriebenwerden zuvor? Möglichweise, sind doch aus seiner Zeit als Trier Vorwürfe der Vertuschung offenbar geworden, die nicht einfach aus dem Weg zu räumen sind. Auch liegt in München wohl ein Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westphal, Spilker und Wachtl vor, dessen Inhalt noch nicht bekannt ist. Zu vermuten ist, dass wenigstens die Verantwortung früherer Erzbischöfe von München und Freising – unter ihnen auch Joseph Ratzinger und Friedrich Wetter – aufgedeckt werden könnte. Wie auch immer: Ganz freiwillig ist der Schritt von Kardinal Marx möglichweise nicht, wie der Zeit-Journalist Raoul Löbbert meint:
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Dies domini – Palmsonntag, Lesejahr BDies domini – Zweiter Sonntag der Osterzeit/Weißer Sonntag, Lesejahr B
Die Kirche der Gegenwart hat jeden moralischen Anspruch verloren. Wie will sie angesichts des bigotten Umgangs mit Missbrauchten anderen ins Gewissen reden? Zweifellos hat sie sich selbst den moralischen Zeigefinger, den sie so gerne erhob, amputiert – weil sie mehr um den eigenen Ruf und den Schein makelloser Reinheit bemüht war als um das Mitleiden mit Betroffenen. Der großen Selbsterbarmung steht die noch größere Ungerechtigkeit gegenüber, die man den Missbrauchten gegenüber walten ließ. Darf man dabei allerdings von „der Kirche“ sprechen? Das ist bei näherer Betrachtung zu undifferenziert, denn es würde die Kirche mit denen identifizieren, die in der Kirche als Kleriker, als Auserwählte erscheinen. Zweifellos ist die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen die Gemeinschaft derer, die am Heiligen partizipieren – und das dürften nicht nur Kleriker sein; schon gar nicht, wenn es sich um Kleriker handelt, die Missbrauchstäter sind. Es ist unverständlich und moralisch verwerflich, dass solche Männer im Priestergewand sich noch hinter die Altäre des Brotes und des Wortes stellten, das Brot in ihre unehrwürdigen Hände nahmen und den Menschen ins Gewissen predigten. Es ist unehrenhaft, wenn selbst hochrangige Bischöfe den Selbstentehrten Gnade und Schutz angedeihen ließen, gleichzeitig aber über alles, jede und jeden den Stab brachen, der der reinen Lehre des Katechismus nicht entsprachen: Homosexuelle, die in Partnerschaften leben, wiederverheiratet Geschiedene und vor allem Frauen in Konfliktsituationen wurden schnell als Sünderinnen und Sünder beurteilt und gescholten, die sich der Sakramente während die ehrlosen Missbrauchstäter weiterhin fröhlich Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi wandelten. Laien hingegen, die sich vergangen hatten, wurden rasch aus dem Dienst entfernt. So sehr Moral eine Frage des Forums Internums ist – vor dem Gerichtshof der Welt hat haben die Verantwortlichen das Urteil über sich selbst so gesprochen. Wie will man kraftvoll das Evangelium dessen verkünden, der denen, die auf der rechten Seite stehen, nicht nur verheißt:
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Dies domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr B
Die Nacht ist wahrheitstauglich. Wenn der Sinn äußeren Sehens behindert ist, schärfen sich nicht nur die anderen Sinne. Man hört und riecht nicht nur besser, der Tastsinn ist nicht nur sensibler; der Verlust der Macht der Bilder, die die Aufmerksamkeit im hellen Taglicht absorbiert und nur allzu oft zu Fehlschlüssen verleitet, macht den Geist frei für das innere Sehen. Es ist schon bemerkenswert, wie oft in der Bibel erwähnt wird, dass es Nacht ist. Schon die Schöpfung beginnt mit der Nacht, heißt es doch:
Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. (Genesis 1,3-5)
Die Nacht gebiert den Tag. Die Nacht ist schöpferisch. Das Licht wird aus dem Dunkel erschaffen. Es wundert daher nicht, dass viele bedeutende Ereignisse mit der Nacht verbunden sind. Die Befreiung Israels aus Ägypten beginnt nächtens (vgl. Exodus 2,6-8), es wird Nacht sein, wenn Jesus mit den Seinen das letzte Abendmahl halten wird und das Heilsgeschehen seinen Lauf nimmt und es ist der Schutz der Nacht, in dem Leben aus dem Tod geschieht. Die Nacht ist der Ort der Offenbarung, wenn keine irdischen Bilder den Geist ablenken und stören. Die Nacht ist der Ort der Erkenntnis und der Einsicht.
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Dies domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr B
Es ist die Zeit der Rückblicke. Vom Ende her betrachtet erscheinen die Erfahrungen und Ereignisse der Vergangenheit in einem besonderen Licht. Was vor Jahresfrist noch nicht zu ahnen war, ist Wirklichkeit geworden. Es gehört wohl zum Menschsein, dass an zentralen Wendepunkten – und dazu gehören auch die Jahreswenden – Bilanz gezogen wird. Wird aus dem, was war, für die Zukunft Gutes werden können?
Man kennt die Ambivalenz der guten Vorsätze, deren Halbwertzeit oft nicht bis zum Ende des nächsten Tages währt. Man kann halt nicht wissen, was kommt; wohl weiß man, was war. Die Summe der Erfahrungen kann nicht geändert werden. Die Hoffnung auf das kommende hingegen ist bleibend flexibel. Was aber ist, wenn nach dem Ende nichts mehr kommt? Was ist, wenn die Bilanz endgültig und eben keine Zwischensumme mehr ist?
Von hier aus betrachtet haben letzte Worte ein besonderes Gewicht. Sie sind so bedeutsam, dass sie von großen Persönlichkeiten nicht nur überliefert, sondern ihnen mitunter sogar in den Mund gelegt werden. Hat Papst Johannes Paul II wirklich „Amen“ gesagt, bevor er starb? Und hauchte Julius Cäsar wirklich mit letzter Kraft „Et tu, Brute“, „Auch Du, Brutus“? Wer kann das schon sagen. Heute, ja heute würde das alles wahrscheinlich live via Smartphone ins Internet übertragen. Ohne diese Profanierung des Endes aber haben letzte Worte die Kraft, Legenden zu bilden. Von Jesus, dem fleischgewordenen Logos, werden sogar sieben letzte Worte überliefert, die er am Kreuz gesprochen, geschrien oder ausgehaucht haben soll.
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Dies domini – Hochfest Christkönig, Lesejahr A
Die Macht ist ein Dienst. Das wird jedenfalls immer wieder suggeriert. Nein, nicht von den Mächtigen der Welt. Da ist eher von Machtinstinkt die Rede, ja, es wird sogar offen von Machtsicherung gesprochen. Macht ist dort nichts Schmutziges, von dem man sich distanzieren müsste. Ganz im Gegenteil: Nach Macht wird offen gestrebt, offen um sie gerungen; Machtkämpfe gehören zum politischen Alltag. Der Machtverlust hingegen wird beklagt, geleugnet und bisweilen sogar ignoriert. Nur in der Kirche wird in offen geheuchelter Demut davon gesprochen, dass Macht ja eigentlich ein Dienst sei. Das ist ein wunderschöner rhetorischer Trick, mit dem man sich scheinbar klein macht. Wer will schon Diener der Diener kritisieren. So lässt sich leicht Macht ausüben, die ja ein Dienst ist, den man dann aber häufig manch aufstrebendem Wunsch mit dem Hinweis auf ein vermeintliches Machtstreben verwehrt. Macht ist eben nur dann Dienst, wenn man sie verschleiern möchte. Andere, die so dienen möchten, werden die Gefahren der macht vorgehalten, vor denen man sie bewahren möchte. Ein doppelter Doublebind – das ist wahre rhetorische Kunst der Verwirrung, bei der die so Redenden wahrscheinlich selbst nicht mehr wissen, ob sie nun Männlein oder Weiblein, mächtig oder dienend oder was auch immer sind. Das ist eine fein ziselierte Form eloquenter Selbstreferenzialität, die ihresgleichen sucht und dabei aus dem Blick verliert, dass Macht immer nur geliehen ist. So verweist der geschundene Jesus seinen Richter Pontius Pilatus auf die eigentlichen Relationen der Macht, als der zu ihm spricht:
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Da ist Satan am Werk. Wie jetzt?
Ein Kommentar von Dr. Werner Kleine zu dem Thema finden sie hier.
Aktuelle Themen kurz und knapp von Kumi, alias Knut Junker, auf den Punkt gebracht.
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Dies Domini – 1. Fastensonntag, Lesejahr C
Auch wenn die Fastenzeit gerade begonnen hat und eine gänzlich andere Prägung hat als die Karnevalszeit und ihr Höhepunkt am Rosenmontag, so sollte doch ein Düsseldorfer Karnevalswagen in Erinnerung bleiben, auf dem ein wohlbeleibter, unschwer am Ornat als Bischof erkennbarer Herr in einer Hängematte mit der Aufschrift „schonungslose Aufarbeitung des Missbrauchsskandals“ schläft, die zwischen zwei Kreuzen aufgehängt ist, die bereits bedenkliche Risse aufweisen.
Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht von drei Versuchungen, denen der Herr durch den Teufel in der Wüste ausgesetzt wird: Die Güter des Leibes werden in Aussicht gestellt, die dem nach vierzig Tage Fasten sicher gewaltig Hungernden doch sehr attraktiv erscheinen müssen; die Macht der Welt kann errungen werden und schließlich der Beweis göttlicher Herkunft durch die herbeieilenden Engel, die doch ein für allemal diesem Versucher das Maul stopfen müssten und die Bestätigung göttlicher, also geistlicher Macht wären. Nach dem angesprochenen Karnevalswagen könnte man sich auch eine Versuchung der Ruhe und des ungestörten Dösens im Frieden der Trägheit vorstellen, die sicher auch den Herrn berühren, aber wohl auch nicht überwältigen würde.
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