Dies Domini – 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Die Täuschung des Zustandes absoluter Freiheit genießt der Mensch nur wenige Jahre. Die Entdeckung der eigenen Möglichkeiten, die Freiheit von Verantwortung, die Erkenntnis des eigenen Selbst – all das wird den weiteren Lebensweg prägen, zum Guten wie zum Schlechten. Denn nicht jeder erlebt diese Illusion eigener Mächtigkeit; für nicht wenige wird diese Zeit eine Zeit der schlechten Erinnerungen, der Ohnmacht und des Versagens sein. Trotzdem wird diese Zeit oft glorifiziert, diese Zeit der Jugend, in der alles möglich schien und der ungeliebte Schutz der Eltern einen Raum der Sicherheit gewährte, die den Schein der Freiheit erst ermöglichte.
Soziologische Studien versuchen den Zeitraum der Jugend immer wieder neu zu definieren. Oft wird der Definition der Faktor wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Elternhaus zugrunde gelegt. Dann kann es schon einmal sein, dass die Jugend erst mit 29 Jahren oder später endet. Faktisch aber wird man sagen müssen, dass die Jugend im Sinne der Individuation, also der Selbstfindung, meist mit dem Ende der Schulzeit zusammen fällt. Der Beginn eines Ausbildung oder eines Studiums, früher auch der Wehr- oder Zivildienst, setzen der vermeintlichen Freiheit nicht nur ein jähes Ende; häufig ist er auch mit einem Wechsel der Beziehungen verbunden. Die alten Freundschaften der Jugend lösen sich auf, weil die Bezugsgruppen sich ändern. An die Stelle der Schulklasse tritt das universitäre Seminar, an die Stelle der Jugendgruppe der Ausbildungsgang. Neue Leute werden wichtig. Auch Mobilität ist angesagt, denn wer fortkommen will, muss flexibel sein. Die Geburtsstadt wird zum Ort der Erinnerung in einer Zeit, in der man der Erwerbstätigkeit folgend an neuen Orten Wohnsitz nimmt.
Die Jugendzeit dürfte also jenseits aller berechtigten soziologischen und psychologischen Definitionen in Zeiten des G8-Abiturs mit etwa 18 Jahren beendet sein. Faktisch dauert das scheinbare Freiheitserleben damit wohl nicht mehr als 3-4 Jahre an – 3-4 Jahre, die prägend für das weitere Leben sein werden. Später wird man sich an diese kleine Lebensspanne intensiver Emotionen mit Wehmut erinnern – als wenn nach 3-4 Jahren das Leben vorbei wäre. Es gibt deshalb kaum eine Institution oder Vereinigung, die nicht ihr zukünftiges Heil in der Jugendarbeit sieht. Kirche und Parteien, Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen, Sportvereine und Hilfsdienste – alle sind bestrebt, die Jugend zu erreichen. Die Etats der Jugendarbeit sind oft so gut ausgestattet, dass man den Eindruck gewinnen könnte, danach käme nichts mehr.
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