Dies Domini – Pfingsten, Lesejahr B
Die Sucht nach Relevanz treibt viele an den Rand der eigenen Originalität. Der Trend ersetzt die eigene Haltung. Der Shitstorm tritt an die Stelle der Argumentation. Wo früher Komödien und Tragödien, Dramen und Romane Geschichten erzählten und in ihrer Kunstfertigkeit die Leserin und den Hörer einbezogen, Jahrhunderte überbrückten und die alten Mythen gegenwärtig lebendig machten, da stellen heute Schauspieler die Gegenwart reißerisch dar. Was eben noch in den Nachrichten vermeldet wurde, kann man anschließend als Spielfilm sehen und dann gibt es den großen Tratsch der Talkshows, die zwar Unterhaltung, aber wenig Erkenntnis bieten. Viel Circenses, wenig panem. Emotion geht vor Information. Der Mensch lässt sich gerne verführen. Schließlich ist Denken anstrengend. Das Gehirn braucht einfach viel zu viel Energie. Wer etwas sein will, der erschafft sich einen Avatar, denn dem Original kann das Selbst nicht vertrauen. Und so verwechselt mancher im Rausch der lustvollen Empörung das medial vermittelte second life mit dem realen Leben, weil die Illusion des virtuellen Adventures von den Herausforderungen des wahren Lebens so schön ablenkt.
Wer in diesem Reigen narzisstischer Eitelkeiten nicht untergehen möchte, braucht bloß das Copy-Paste-Spiel beherrschen. Das Plagiat tritt an die Stelle des Originals. Man spielt nach, was gerade im Trend ist. Man kleidet sich wie diejenigen, die die Medien gerade eben zu Stars erklären. Und wer einen hippen Titel für Veranstaltungen sucht, der braucht bloß in den aktuellen Charts nach angesagten Musikstücken zu suchen, die irgendwie thematisch passen. Dann ist man nah dran am state of the art, dann trifft man den Puls der Zeit, dann muss doch auch der letzte merken, wie aktuell man ist.
Leider bleibt ein Plagiat ein Plagiat. Kopien sind einfach nicht originell. Pubertierende mögen das noch nicht wahrnehmen, wenn sie als Ministars durch die Welt stacksen und dabei hart an der Lächerlichkeit vorbeischrammend ein gefasstes Mitleid in der Erfahrung erregen, dass auch diese Phase vergehen und einen gereiften Menschen hervorbringen wird – ein echtes Original, dass sich in vielen schmerzhaften Niederlagen der schamhaften Selbsterkenntnis bewährt hat.
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Es ist immer wieder das gleiche Prozedere. Auf der weißen Weste eines scheinbar tadellosen Menschen, der ein öffentliches Amt bekleidet, wird ein kleiner grauer Fleck sichtbar. Am Anfang versucht man noch, ihn zu ignorieren. Die Weste sieht ja noch fast aus wie neu. Aber der Fleck breitet sich aus. Man versucht ihn wegzureiben. Aber wie im wirklichen Leben macht das den Fleck noch schlimmer und größer. Ignorieren kann man ihn nicht mehr. Also knöpft man die Jacke zu, damit der Fleck nicht mehr sichtbar wird. Aber die unweiße Weste lässt sich nicht mehr verheimlichen. Schließlich muss man doch die Konsequenzen ziehen und die Existenz der Fleckweste zugeben. Im Flickenteppich der Rechtfertigungen verstrickt reicht es nach einem peinlichen Verhör in der Öffentlichkeit meist nur noch zu einem Rückzug aus derselben, der den enstandenen Schaden doch nicht mehr begrenzen kann.
Wie gehabt: Selters statt Sekt. Was nach Außergewöhnlichkeit aussah, hat sich als gewöhnlich erwiesen. Figura lucis fumum vendidit – Auch die Lichtgestalt hat nur Fusel verkauft!
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