Dies domini – Fest Taufe des Herrn, Lesejahr C
Geht es Ihnen auch manchmal so? Man hört aufmerksam einer Predigt zu, gern in einer Kindermesse, und der Gottesmann ermahnt dazu, auch untereinander in Schule und Kindergarten freundlich zueinander zu sein und Frieden zu halten, denn der Frieden – auch zwischen den Völkern-, beginne mit Dir und mir. Ebenso freut es mich regelmäßig, wenn ich aufgefordert werde, Buße zu tun und am besten in einer Gebetsnovene um Vergebung für die Missbrauchsfälle zu bitten, die offenbar nach Art einer Heuschreckenplage ganz unverschuldet die Institution Kirche heimsuchen. Man müsste darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Warum ist es in unserer Kirche so schwer, sich selbst kritisch zu hinterfragen und in Frage stellen zu lassen, wo wir doch wissen, dass letztlich bei ihm, unserem Herrn, die Rettung verheißen ist, letztlich egal, ob und inwieweit wir unserem göttlichen Plan entsprechen oder versagt haben, wenn es denn wenigstens nicht stets an gutem Willen mangelte.
Warum denkt es in unseren „Hierarchien“ so oft, man dürfe nur selbst makellos erscheinen, mindestens im Selbstbild, um desto ungestörter alle andern in den Senkel zu stellen? Was denkt sich ein Prediger, einen kindlichen Streit in der Schule kurzschlüssig mit dem Krieg in der Welt in Verbindung zu bringen? Wer sich um den Fußball auf dem Schulhof streitet, verhindert damit sicher nicht den Weltfrieden. Wundern wir uns über den stetig zurückgehenden Kirchenbesuch, wenn ein Pfarrer im Sonntagsgottesdienst den Gläubigen vorwirft, sie würden schon eines Tages sehen, was sie davon hätten, wenn sie immer die falschen Fragen stellten; solche, auf die die Kirche keine Antwort geben mag oder kann. Diese Zeitgeistaversion, die doch in aller Regel nur die fehlgeleitete Altzeitgeistliebe zu den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts ist, wird uns bei der Bewältigung unserer heutigen Aufgaben nicht viel helfen.
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Dies Domini – Fest Taufe des Herrn, Lesejahr A
Jahresrückblicke jedweden Genres eignet häufig die Dynamik von Diaabenden, mit denen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts völlig neue Dimensionen des Phänomens der Langeweile erschlossen wurden. Man führte den eingeladenen Gästen meist die Fotos des letzten Urlaubs vor, Erinnerungen bestenfalls von Wert für diejenigen, die selbst dabei waren, deren wirkliche Tiefe aber durch das Betrachten laienhafter Knipsereien meist nicht wirklich reaktiviert wurden; für diejenigen aber, die das Erleben des blaustichig Konservierten nicht teilten meist nur eine Prüfung in Demut und Geduld in der Gewissheit, dass auch der längste Dia-Abend sein Ende finden wird. Diaabende, das war kultivierte Langeweile, die die Kreativität beflügelten, Ausreden zu finden, man auf entsprechende Einladungen entgegnen konnte.
Jahresrückblicke teilen das Schicksal postmoderner Diaabende – meist aber in didaktisch reziproker Weise. Während der Dia-Abend meist das Lob vergangener Erlebnisse und Heldentaten verkündete, neigen Jahresrückblicke nicht selten dazu, rückschauend Missstände und –verhältnisse aufzuführen, um dann daraus eine moralischen Apell zu formulieren. Viele gesellschaftliche und kirchliche Jahresrückblicke sahen deshalb das Jahr 2016 als Menetekel. Schockiert stellt man fest, dass zahlreiche Prominente in diesem Jahr durch das Tor des Todes in die Ewigkeit schritten – angefangen von David Bowie über Götz George, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle bis hin zu Leonhard Cohen. Die angestimmte Klage über dieses Massensterben Prominenter in den 16er Jahren lässt fragen, ob man der Ansicht war, dass Prominenten das Schicksal der Sterblichkeit ansonsten erspart geblieben war. Wahrscheinlich war auch daran wieder Merkel schuld, wie überhaupt die Bundeskanzlerin für jedes und alles Ungemach verantwortlich gemacht wurde – jedenfalls wenn man den vielen Hatern und Hasskommentatoren, die schneller tippen als denken können und darin noch Lucky Luke überlegen sind, der immerhin schneller als sein Schatten schießen kann. Auch das war ein Thema in den Jahresrückblicken: Hass und Unmut in dem, was euphemistische „soziale Netzwerke“ genannt wird. Über allem aber liegt der Schatten des feigen Mordes vom Breidscheidplatz wenige Tage vor Weihnachten, als ein extremistischer und radikalisierter Anhänger des Islam einen LKW in friedfertige und arglosen Menschen lenkte. Die Appelle ergaben sich da von selbst: Fürchtet euch nicht! rief man engelsgleich von Kanzeln, während andernorts staatstragend davon die Rede war, dass man nun Ruhe bewahren und Härte zeigen müsse.
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Dies Domini – Fest Taufe des Herrn/Sonntag nach dem 6. Januar, Lesejahr B
Die Weisheit einer Weltanschauung erweist sich nicht in klugen Theorien und Hypothesen, sondern in ihrer Lebenstauglichkeit. Die Weise zu leben ist der eigentliche Gehalt der Religion, nicht primär eine Ansammlung von Glaubenssätzen. Die zentrale Frage, worin die re-ligio, die Rückbindung eines Menschen besteht, prägt seine Haltung dem Leben gegenüber. So gesehen hat Religion an sich nichts mit dem Glauben an Gott zu tun. Auch der Agnostiker, um ein Beispiel zu nennen, ist in diesem Sinne religiös, denn er bindet seine Lebensweise an die Auffassung zurück, man können Gott nicht mit innerweltlichen Mitteln erkennen; mehr noch: Gott sei prinzipiell nicht erkennbar (womit nichts über die Frage der Existenz Gottes gesagt ist, sondern eben nur über die Unmöglichkeit, ihn zu erkennen).
Religion ist also an sich zuerst nichts anderes als eine conditio humana, eine urmenschliche Eigenschaft. Jeder Mensch muss eine Haltung zum Leben einnehmen. Jeder Mensch errichtet in seinem Leben ein Fundament, das seine Lebensweise bestimmt. Diese Lebensweise bestimmt auch, wie er anderen Menschen gegenüber tritt.
Die Lebensweise eines Menschen wird durch die Art seiner re-ligio, der Rückbindung an die Grundaxiome seines Lebens bestimmt. Ob Gott eine Rolle im Leben eines Menschen spielt, entscheidet nicht darüber, ob dieser Mensch moralisch gut lebt oder nicht. Humanisten fühlen sich so nicht einem göttlichen Wesen gegenüber verantwortlich, wohl aber den Menschrechten. Die allgemein menschlich Konvention wird dann zur Basis des eigenen Lebens, an der man sein Verhalten ausrichtet. Wer sich hingegen einem Gott als absoluter Instanz gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet weiß, wird sein Verhalten an den Forderungen ausrichten, die sich aus dem Bild Gottes ergeben, das der betreffende Mensch hat.
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