Dies Domini – Dritter Adventssonntag, Lesejahr B
Darf ich Sie heute einmal bitten, mit mir auf eine Reise zu gehen? Nicht weit, nicht tausende Kilometer, nur ein paar Jahrzehnte zurück. Lehnen Sie sich einmal zurück und stellen Sie sich vor, kurz vor der Christmette sagen wir, 1858 in Paris zu sein. Kein Internet, kein Privatfernsehen, nicht einmal öffentlich-rechtliches. Kein Telefon, eigentlich auch noch keine richtigen Tageszeitungen. Das war vor etwa 150 Jahren. So etwa vor fünf Generationen, also zur Zeit Ihrer Urur-Großeltern. Nicht so riesig weit weg.
Sie wussten, was in der Kirche sein würde, wenn Sie sie zur Weihnachtszeit besuchen würden, wie man das halt so tat. Ein Weihnachtsoratorium würde aufgeführt werden, das der neue Organist von La Madeleine komponiert hatte. Sie hatten nun kein spotify, um sich bei andern zu informieren, was das wohl sei, ein „Oratorium“. Bach? Sowieso vergessen. Naja, Musik halt, wird schon vorbeigehen.
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Kann man Weihnachten falsch feiern? Diese Frage liegt jedenfalls nahe, wenn man die jährlich wiederkehrenden Ratschläge liest, die ein friedvolles Weihnachtsfest bescheren sollen. Offenkundig wird Weihnachten vieles falsch gemacht, dass es solcher Hinweise bedarf. So ein Weihnachtsfest scheint tatsächlich kompliziert zu sein, dass es einer Anleitung bedarf. Was glauben Sie denn?
Auch die Kirchen weisen alle Jahre wieder darauf hin, wie man gefälligst „richtig“ Weihnachten feiert. Das fängt schon im Advent an. Der sollte still sein und der Einkehr dienen. Schon gar nicht sollte man durch die Innenstädte eilen, um Geschenke zu kaufen. Die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes ist schon eine teuflische Sache … Wenn man schon eilt, dann bestenfalls zur Krippe …
Das Weihnachtsfest ist bedeutungs- und erwartungsvoll aufgeladen. Es ist ein Fest mit hoher Fallhöhe. Allerdings stellt sich die Frage, wer eigentlich definiert, wie man richtig Weihnachten feiert. Im Zeitalter der Internets, in der viele Innenstädte – auch die Wuppertals – nach einer neuen Identität suchen, ist das mit der vermeintlichen Hetzerei so eine Sache. Eher stehen die Leute an Glühweinständen und genießen die vorweihnachtliche Atmosphäre. Auch was den Kauf von Geschenken angeht, ist Konsumkritik doch ein wenig wohlfeil. Kann man sich Weihnachten wirklich ohne Geschenke vorstellen? Selbst der religionskritischste Atheist wird seinen Liebsten am Heiligen Abend ein Präsent überreichen. Alles andere wäre dann doch zu gnadenlos. Auch die Sache mit der adventlichen Stille wird wohl eher überschätzt. Biblisch ist sie jedenfalls nicht. Im Lukasevangelium (vgl. Lk 1,39-56) etwa eilt (!) Maria vor der Geburt Jesu ins judäische Bergland zu ihrer Cousine Elisabeth, die sie überschwänglich begrüßt, während Maria jubelnd antwortet, dass die Zeit kommt, in der Gott die Mächtigen vom Thron stößt, um die Niedrigen zu erhöhen. In der ersten Weihnacht jubeln ganze Engelchöre. Nichts gegen Stille – die kann sehr erholsam sein – aber still und ruhig war sie nicht, die Heilige Nacht in Bethlehem.
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Es begab sich aber vor kurzer Zeit, dass sich drei Männer in einem Eiscafé zu Wuppertal trafen. Einer war ein in Wuppertal geborener Muslim türkischer Abstammung, ein anderer ein Christ, des Dritten Religion ist unbekannt. Die drei waren Freunde redeten über dies. Dann aber ging es um das Weihnachtsfest, denn der Muslim hatte schon Geschenke für seine Tochter besorgt. Das veranlasste den Christen in der Runde zur Frage, warum er denn als Muslim Weihnachten feiern würde. In kürzester Zeit eskalierte das Stimmungsbarometer. Fast fühlte man sich in ein jüdisches Lehrhaus versetzt, in dem die Talmudschüler mit Verve und Herzblut noch so alltägliche Fragestellungen auf Herz und Nieren prüfen, laut diskutieren und – wenn es denn sein muss – in leidenschaftlichem Streit friedlich auseinander gehen. So diskutieren auch der Christ und der Muslim mit Hingabe die feierliche Frage des Festes. Weihnachten lässt wohl niemanden kalt. Was glauben Sie denn?
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Ein Traum wird wahr. Über Jahre haben die Kirchen sich gegen den adventlichen Kitsch und den weihnachtlichen Kommerz gewehrt und gegen Weihnachtsmärkte gewettert, wo in der Adventszeit schon „O du fröhliche“ und „Stille Nacht“ aus den Lautsprechern dröhnte. Man bepredigte mit großer Erfolglosigkeit das sture und verstockte Volk, das schon seit November die heimischen Fenster beleuchtete und mit dem 1. Advent jene Tannenbäume aufstellte, die am Heiligen Abend ihre grünen Nadeln leise rieseln ließen – ein Vorgang, der vor dem Klimawandel dem Schnee zukam. Der darf dann einige Tage später schon an die frische Luft. Weihnachten ist halt am 26.12. vorbei. Sylvester kann kommen. Da kann die Kirche so viel reden, wie sie will! Was glauben Sie denn?
In diesem Jahr aber ist alles anders. Corona sei Dank! Immerhin: Im Radio wird wieder „Last Christmas“ von Wham! gespielt. Es gibt halt auch in der Krise Kontinuitäten des Kitsches, die Halt geben. Das Land entdeckt seine christlichen Wurzeln wieder. Natürlich wird Weihnachten gefeiert. In den letzten Jahren ließ man ab dem dritten Advent in den Medien Psychologinnen und Familientherapeuten Ratschläge für ein friedliches Fest des Friedens erteilen. Auch das ist in diesem Jahr anders: Die Sehnsucht nach Familienbesuch stellt selbst die größten Krisen in den Schatten. Hurra, so locker war Weihnachten nie! Die Familie kann feiern. Gut verteilt kann man es da vom Heiligen Abend bis zum 2. Weihnachtstag auf dreißig intensive Begegnungen bringen (Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt!). Selbstredend halten alle Abstand, lüften und tragen bei Gänsebraten, Kartoffelsalat und Christstollen Maske. Alles safe, alles sicher! Glauben Sie das etwa nicht?
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Dies Domini – Zweiter Advent, Lesejahr B
Vor wenigen Tagen war in der FAZ ein Leserbrief zu lesen, der wunderbar zur beginnenden Adventszeit passte:
„Ich lese in der Zeitung ‚Weihnachten ist gerettet‘: Eine wahrhaft frohe Botschaft! Das nach einer Verlautbarung der deutschen Ministerpräsidenten ‚für den familiären und gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders wichtige‘ Fest kann gefeiert werden. So werden wir alle im trauten Familienkreis zusammensitzen, Glühwein trinken, Gans oder Pute essen und fröhlich sein. Aber – wie ist das Fest eigentlich entstanden? Geht es auf eine Initiative des Einzelhandels zurück? Der Winzervereinigungen? Der Truthahnzüchter? Der Forstwirtschaft? Der Christstollenbäcker? Der Wintersportindustrie? Ich habe lange gesucht“,
so versichert uns der Verfasser,
„und schreibe diesen Brief, um anderen die Mühe des Nachforschens zu ersparen. Wie mir alte Leute berichtet haben, feiern wir Weihnachten im Gedenken an den Weihnachtsmann, der hoch oben im Norden wohnt und uns dank des rotnasigen Rentiers Rudolph alle Jahre wieder Geschenke bringt.“
Der Verfasser, Ruhestandsgeistlicher und –lehrer, weiß, wovon er spricht. Ganz anders ist der Ton eines anderen Theologen, der uns mit Teilen des zweiten Petrusbriefes heute vorgelesen wird – er beschreibt die Wiederkunft des Herrn eindringlich:
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Bald ist Weihnachten – dieses Fest, an dem selbst in erfahrenen Frauen und gestandenen Männern Erinnerungen aus Kindertagen wach werden. Damals war die Welt für die meisten doch in Ordnung; Lichterglanz und Glockenklang verhießen Festlichkeit und das Kind in der Krippe rief selbst bei jenen Empathien wach, denen man sonst den Vorwurf gefühlsduseliger Säuseligkeit kaum machen konnte. Weihnachten war, ist und wird immer ein besonderes Fest sein. Man kann es schon mittags an Heilig Abend spüren, wie die Stadt den Atem anhält. Die Gesellschaft synchronisiert sich. Arm und Reich, Jung und Alt, Menschen, welcher Herkunft auch immer tun zur selben Zeit das Gleiche: Sie feiern selbst dann Weihnachten, wenn sie keine Christen sind. Oder ist da etwa ein Atheist, der den Seinen an Weihnachten nichts schenkt? Was glauben Sie denn?
Bald ist Weihnachten. Selbst die hüteren Herrn der Stadt werden für einen Abend Frieden schließen. In der Tat, es sind derzeit nur Herren, die im Vorstand der Stadt sitzen. Das ist geradezu weihnachtlich, kommen doch auch am Futtertrog von Bethlehem mit Ausnahme der Maria nur Männer zusammen. Josef, die Hirten, die Magier aus dem Morgenland, selbst der Neugeborene – alle männlichen Geschlechts. Sogar Ochs und Esel sind männlich – bei dem Ochsen sicher, bei dem Esel wenigstens grammatikalisch wahrscheinlich. Gut: Die Schafe werden weiblich gewesen sein. Ansonsten ist die einzige weibliche Figur die Mutter Jesu, die halt ihre Rolle als Gebärerin in Perfektion vollendet hat und nun – frisch entbunden – hold lächelnd ihrem Erstgeborenen huldigt. Waren da wirklich keine Frauen in Bethlehem? War da niemand, der der Geburtsunerfahrenen, weil Erstgebärenden bei der Niederkunft beistehen konnte? Wusste Josef, der Handwerker, was zu tun war?
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Wieder ist Advent. Advent ist Schaltzeit. Wie auf Knopfdruck ertönen aus den Radiosendern Lieder von rotnasigen Rentieren namens Rudolf, Menschen, die letztes Jahr Weihnachten ihr Herz verschenkt haben und – Wham! – erstaunt waren, dass auch bei diesem Geschenk nach den Feiertagen mit Umtausch zu rechnen ist, oder von Träumen, die postfaktisch dem Klimawandel trotzend eine weiße Weihnacht besingen. „Stille, geschenkte Zeit, Einkehr und Besinnung“ – tönt es alljährlich im Advent hingegen von den Kanzeln der Kirchen, wobei ein „inmitten der Glühweinstände der Weihnachtsmärkte“ den Kontrast noch erhöht und deutlich wird, dass der wirkliche, der echte, der wahre Advent doch eher einen Hauch von Langeweile denn verheißener Ewigkeit verströmt, wenn alle in sich versunken in das kleine flackernde Licht der Adventskranzkerzen schauen. Mit dem ersten Advent wird der Schalter umgelegt. Jetzt hat stade Zeit zu sein. Achtung: Besinnung! – lautet der Befehl. Was glauben Sie denn?
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Stille Nacht – gestört vom Schrei eines Neugeborenen. So ist das, wenn ein Kind zur Welt kommt. Der erste Atemzug wird – nach Leben gierend – begleitet von einem Schrei. Auch dem, den die Christen als menschgewordenen Sohn Gottes verehren, erging es wohl nicht anders. Ein Schrei ist das erste, was man von diesem Kind vernimmt; ein Schrei, der die Stille der Nacht stört.
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Adventliches im Berliner Plätzchen.
Die Veranstaltung fand am 08. Dezember 2015 im Berliner Plätzchen in Wuppertal-Oberbarmen statt. Es wirken mit: Der Wuppertaler Neutestamentler Dr. Werner Kleine und André Enthöfer an der Klarinette.
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Dies Domini – Fest der Heiligen Familie/Sonntag in der Weihnachtsoktav, Lesejahr B
Der moderne Mensch hat nicht nur die Natur gezähmt, auch das Heilige hat er sich verfügbar gemacht. Das Heilige konfrontiert nicht mehr, es ist nicht fremd und anstößig, schon gar nicht herausfordern. Das Heilige hat nett und niedlich zu sein; es ist romantisch verklärt. Das Heilige schreckt nicht mehr mit seiner Größe – im Gegenteil! Das Heilige ist schrecklich profan geworden.
Auch die Kirche kann sich offenkundig diesem Trend nur schwer entgegenstellen. Die wilde Unbeherrschbarkeit des Heiligen muss gemäßigt werden. Die Größe Gottes braucht ein handliches Format, damit er in die kleinen Herzen passt, in die sonst der Schreck fahren würde. Der Schrecken der Weihnacht fährt den Hirten auf den Feldern nahe Bethlehem als erste in die Glieder – ausgelöst durch die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, die Menschen ob ihrer Größe nicht unmittelbar zu schauen können – sich wie im Alten Testament hinter den Engeln verbirgt und doch noch so groß ist, dass sie denen, die sie schauen, nicht Freude, sondern Furcht bereitet.
Fürchtet euch nicht! (Lukas 2,10a)
ist deshalb auch das erste, was die Hirten von den Engeln zu hören bekommen, bevor die eigentliche Freudenbotschaft verkündet wird:
denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.(Lukas 2,10b-12)
Die Botschaft ist bemerkenswert, denn sie verkündet nichts weniger als die Erscheinung Gottes. Das Neugeborene wird als Retter und Messias gekennzeichnet, als der von Gott Gesandte und Gesalbte, auf den ganz Israel wartet. Der kleine Zusatz „der Herr“ aber geht weit darüber hinaus. Es ist eine Gottestitulatur, die auf das alttestamentliche Adonai zurückgeht, das die Juden aussprechen, wenn in der Heiligen Schrift der Gottesname JHWH erwähnt wird. Es ist eine Ehrfurchtsgeste. Juden sprechen aus Ehrfurcht vor Gott seinen Namen nicht aus, sondern substituieren ihn – unter anderem und bevorzugt eben durch Adonai – der Herr.
Die Botschaft der Engel lautet also: Gott ist erschienen. Er hat sich in menschlicher Gestalt offenbart. Das untrügliche Zeichen: ein Kind, in Wickeln gewindelt und in einer Krippe liegend.
An dieser Stelle beginnt üblicherweise des Heiligen Zähmung. In zahlreichen Predigten geschieht sie alljährlich wieder. Gott wird ein Kind, als Kind kommt Gott.
In diesen gern gesagten Sätzen, die das Kindchenschema bedienend einen Fürsorgereflex auslösen und die psychedelisierende Romantik „Stille Nacht, heilige Nacht“ erst so richtig zur Geltung bringen, wird allerdings übersehen, dass Gott nicht wird und nicht kommt. Er ist und er ist immer schon da! Genau das ist ja die Bedeutung des Gottesnamens JHWH:
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